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AKTION/456: Reaktionen und Erfolge, August/September 2009


amnesty journal 08/09/2009 - Das Magazin für die Menschenrechte

Reaktionen und Erfolge - August/September 2009

Honduras, Belarus, Russland, Togo, Saudi-Arabien, Nordkorea - Ausgewählte Ereignisse vom 29. Mai bis 15. Juli 2009.
Kolumbien - Zwangsräumung verhindert
Brasilien - Polizeischutz für Politiker
Türkei - Bundesregierung bürgt nicht für umstrittenen Staudamm
Deutschland - Jahresversammlung der deutschen Amnesty-Sektion
Iran, Ägypten - Aus der Haft entlassen

Ausgewählte Ereignisse vom 29. Mai bis 15. Juli 2009.

Honduras
Seit dem Militärputsch vom 28. Juni, bei dem Staatspräsident Zelaya nach Costa Rica entführt wurde, ist die Situation sehr angespannt. Polizei und Militär gehen mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Anhänger Zelayas vor. Es gab bereits einen Toten. Demonstranten wurden willkürlich verhaftet, mehrere Journalisten, die über die Unruhen berichteten, wurden wiederholt bedroht. Amnesty fordert die Interimsregierung auf, die Vorfälle zu untersuchen, Journalisten ungehindert arbeiten zu lassen und das Demonstrationsrecht zu achten.

Belarus
Der US-Rechtsanwalt Emanuel Zeltser konnte nach seiner Begnadigung das Land am 1. Juli verlassen. Er war im März 2008 verhaftet worden, später verurteilte ihn ein Gericht unter anderem wegen "Wirtschaftsspionage" zu drei Jahren Haft. Vom Vorwurf des Drogenschmuggels wurde er freigesprochen, da es sich bei den vermeintlichen Drogen um seine Medikamente handelte. Zeltser leidet an Diabetes und Arthritis. Amnesty hatte in mehreren Eilaktionen eine angemessene medizinische Versorgung gefordert, die ihm lange verwehrt worden war. Sein Anwalt berichtete, dass Zeltser mehrfach geschlagen worden sei.

Russland
Am Morgen des 15. Juli wurde Natalia Estemirowa im tschetschenischen Grosny in ein Auto gezerrt. Sie soll noch laut gerufen haben, sie werde entführt. Stunden später wurde ihre von Schusswunden versehrte Leiche im benachbarten Inguschetien gefunden. Estemirowa war führendes Mitglied der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial" in Grosny. Amnesty hat mit ihr eine langjährige enge Freundin und Verbündete verloren. Der russische Präsident Medwjedew muss nun sicherstellen, dass alles Nötige getan wird, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Togo
Das Parlament entschied am 23. Juni 2009 einstimmig, die Todesstrafe abzuschaffen. Der westafrikanische Staat ist damit weltweit das 94. Land, das die Todesstrafe für alle Verbrechen aus den Gesetzen gestrichen hat. "Dieses Land hat beschlossen, ein gesundes Rechtssystem zu etablieren, das Justizirrtümer begrenzt und die grundlegenden Rechte des Individuums garantiert", begründete Justizminister Kokou Tozoun die historische Entscheidung. Amnesty begrüßt das Votum der Abgeordneten, das den weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe weiter stärkt.

Saudi-Arabien
Amnesty International verurteilt die grausame öffentliche Hinrichtung von Ahmed bin 'Adhaib bin 'Askar al-Shamlani al-'Anzi. Er wurde am 29. Mai 2009 in Riad enthauptet. Anschließend wurde sein kopfloser Leichnam gekreuzigt. Der Mann war unter anderem wegen mutmaßlicher Vergewaltigung und Ermordung eines elfjährigen Jungen verurteilt worden. Amnesty wendet sich in allen Fällen gegen die Todesstrafe. Sie ist grausam, unmenschlich und erniedrigend. Im Fall eines Justizirrtums kann sie nicht mehr korrigiert werden.

Nordkorea
Die beiden US-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee konnten das Land anfang August verlassen. Sie waren am 8. Juni 2009 wegen einer nicht näher definierten "schweren Straftat" gegen das Land zu zwölf Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt worden. Sie waren im März an der Grenze zu China festgenommen worden, wo sie zu Menschenrechtsverletzungen an nordkoreanischen Frauen recherchierten. Häftlinge in Nordkorea sind starken körperlichen Belastungen ausgesetzt. Sie müssen oft mehr als zehn Stunden am Tag Bäume fällen oder in Steinbrüchen arbeiten. Hinzu kommen minderwertiges Essen, Misshandlungen und unhygienische Lebensbedingungen.


ERFOLGE

Kolumbien: Zwangsräumung verhindert

Nur wenige Tage vor dem geplanten Termin konnte Ende Juni die Zwangsräumung der afro-kolumbianischen Gemeinschaft Caracolí verhindert werden. Die über 100 Mitglieder der Gemeinde leben in der Region Curvaradó. Der Räumungsbefehl wurde erst ausgesetzt, als Amnesty International, die Europäische Union und andere gegen die Räumung protestierten. Ein Bezirksrichter hatte die Zwangsräumung durch die Polizei angeordnet, obwohl die Zentralregierung wiederholt klargestellt hat, dass die Afro-Kolumbianer die rechtmäßigen Eigentümer sind. 1997 hatten Paramilitärs die Bewohner aus der Flussregion vertrieben und viele von ihnen getötet. Das Land stellten die Paramilitärs für Ölpalmenplantagen zur Verfügung. Nachdem im Jahr 2000 die Regierung das Recht der Afro-Kolumbianer auf das Land bestätigt hatte, kehrten viele in die Region zurück. Dort werden sie aber immer noch von Paramilitärs und Palmölproduzenten bedroht.


Brasilien: Polizeischutz für Politiker

Über hundert Slums in Rio de Janeiro sind in der Hand von paramilitärischen Milizen, den Milicias. Sie bestehen aus ehemaligen Polizisten, Gefängniswärtern und Feuerwehrleuten, die Drogendealer aus den Favelas verdrängt haben und angeblich Sicherheit bieten. Die Milicias kontrollieren die Gemeinden jedoch mit Gewalt, erpressen Schutzgeld und lassen sich für die Bereitstellung von Gas oder Kabelfernsehen bezahlen. Wer gegen sie vorgeht, begibt sich oft in große Gefahr. So wie der Abgeordnete Marcelo Freixo und sein Mitarbeiter Vinicius George. Ein von Freixo geleiteter parlamentarischer Untersuchungsausschuss hatte Ende 2008 die Verabschiedung bundesweiter Gesetze gegen die Milicias gefordert. Diese drohten daraufhin mit der Ermordung von Freixo und George. Trotzdem bekamen die beiden nur selten Polizeischutz. Das änderte sich auch nicht, als die Polizei Briefe eines Milicia-Führers sicherstellte, in denen er eine weitere Miliz um Unterstützung bei dem geplanten Mord bat. Erst nachdem sich Amnesty International mit Appellschreiben für die beiden Männer eingesetzt hatte, verstärkten die Behörden den Schutz. Am 25. Juni 2009 unterzeichneten zudem Vertreterinnen und Vertreter des Justizministeriums, der Bundespolizei und der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro ein erstes Abkommen zur Bekämpfung der Milicias.


Türkei: Bundesregierung bürgt nicht für umstrittenen Staudamm

Rund 55.000 Menschen im Tigristal im Südosten der Türkei drohte jahrelang die Zwangsumsiedlung. Nach dem Willen der Regierung sollte ihre Heimat in den Wassermassen des geplanten 300 Quadratkilometer großen Ilisu-Stausees versinken. Das Projekt war nicht nur wegen der Enteignungen international höchst umstritten. Der Staudamm hätte auch die erhaltenen Teile der 10.000 Jahre alten Stadt Hasankeyf zerstört. Doch nun steht das Projekt vor dem Aus. Anfang Juli widerriefen die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz die staatlichen Kreditbürgschaften für Unternehmen, die am Bau des Staudamms beteiligt sind. Die Türkei hatte die strengen Auflagen bei der Umsiedlung der Bevölkerung und zum Schutz der Umwelt und Kulturgüter nicht erfüllt. Die Regierung hatte sich beispielsweise geweigert, den enteigneten Familien eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Amnesty International begrüßte den Ausstieg aus dem Projekt als "historisch einzigartige Entscheidung", da der Bau des Staudamms Menschenrechtsverletzungen, Umweltschäden und soziale Konflikte zur Folge gehabt hätte. Staatliche Exportkreditbürgschaften dürften keine Projekte absichern, die zu Menschenrechtsverletzungen führen und die Lebensgrundlage der Menschen in den betroffenen Gebieten zerstören oder beeinträchtigen. Amnesty International fordert die Bundesregierung daher auf, die Vergabe von Kreditbürgschaften stets an die Einhaltung der Menschenrechte zu binden.


Deutschland: Jahresversammlung der deutschen Amnesty-Sektion

Mehrere hundert gelbe Luftballons mit Postkarten schwebten am Pfingstsamstag in den Himmel über der Saarbrücker Innenstadt. Mit der Aktion demonstrierten Amnesty-Mitglieder anlässlich der Jahresversammlung der deutschen Sektion für die grenzüberschreitende Bedeutung von Menschenrechten. Rund 500 Delegierte aus ganz Deutschland sowie Gäste aus Bangladesch, China, der Ukraine, Frankreich und Großbritannien nahmen an der Versammlung teil. Sie kritisierten, dass in der Europäischen Union immer noch viele Menschen ihre Menschenrechte nicht in vollem Umfang wahrnehmen können, obwohl sie offiziell gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger der EU sind. Vor allem Angriffe auf Roma haben in mehreren Ländern stark zugenommen. Amnesty forderte die EU-Institutionen und EU-Mitgliedsstaaten auf, Roma und andere Minderheiten vor Übergriffen zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie nicht länger Opfer von Hassreden und bewusst geschürten Vorurteilen werden. Mit stehenden Ovationen verabschiedeten die Amnesty-Mitglieder Barbara Lochbihler, die nach zehn Jahren aus dem Amt der Generalsekretärin schied. Vorstandssprecher Stefan Keßler würdigte die "unglaubliche Energie" Lochbihlers: "Die Bewegung für Menschenrechte hat ihr viel zu verdanken."


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AUS DER HAFT ENTLASSEN

Iran

Roxana Saberi ist wieder frei. Am 11. Mai konnte die 32-jährige Journalistin mit US-amerikanischer und iranischer Staatsbürgerschaft das Gefängnis verlassen. Allerdings ist ihre Strafe nur auf Bewährung ausgesetzt, und sie darf die nächsten fünf Jahre im Iran nicht journalistisch arbeiten. Saberi war am 31. Januar 2009 festgenommen worden. Man beschuldigte sie zunächst des Kaufs von Alkohol, der im Iran verboten ist. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit verurteilte sie das Revolutionsgericht in Teheran schließlich wegen "Zusammenarbeit mit einem feindlichen Staat" zu acht Jahren Haft. Das Berufungsgericht wandelte das Urteil jedoch um. In einem Dankesbrief an Amnesty International schrieb Saberi: "Ich möchte Amnesty International für die Unterstützung für mich und meine Familie danken. Ohne diese Hilfe befände ich mich noch immer in Haft. Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Engagement."


Ägypten

Der Franzose Romuald Durand kam am 22. Juni 2009 frei, nachdem er in Kairo zwei Monate lang inhaftiert war. Der 35-Jährige berichtete Amnesty, dass der ägyptische Geheimdienst SSI ihn unter anderem mit Schlägen und Elektroschocks gefoltert habe.

Er sei zu seinen Kontakten in Ägypten verhört worden, darunter auch zu Personen, die terroristischer Aktivitäten verdächtigt werden. Außerdem sollte er Fragen zu seiner Konvertierung zum Islam beantworten. Während der gesamten Haft habe er gehört, wie andere Häftlinge gefoltert wurden. Als er darum bat, mit dem französischen Konsulat Kontakt aufnehmen zu dürfen, was ihm nach dem Völkerrecht zusteht, sagte man ihm: "Hier könnte selbst Sarkozy nicht hinein, wenn er das wollte." Durand hat Amnesty gebeten, allen zu danken, die für ihn Appelle geschrieben haben.


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Quelle:
amnesty journal, August/September 2009, S. 6-8
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
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Internet: www.amnesty.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2009