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AKTION/434: Reaktionen und Erfolge - August/September 2008


amnesty journal 08/09/2008 - Das Magazin für die Menschenrechte

Reaktionen und Erfolge

Bosnien-Herzegowina, Türkei, Iran, Kanarische Inseln, Japan, Afghanistan -
Ausgewählte Ereignisse vom 10. Juni bis 17. Juli 2008
Genf - Historischer Schritt
Italien - Späte Strafe
Strassburg - Europäischer Gerichtshof verurteilt Russland
VR-China, Guantánamo/Sudan, Marokko - Aus der Haft entlassen

Ausgewählte Ereignisse vom 10. Juni bis 17. Juli 2008

BOSNIEN-HERZEGOWINA

Amnesty International startete eine Eilaktion für Imad Al Husein, der nach Syrien abgeschoben werden soll, obwohl ihm dort Folter und Misshandlung drohen. Über den Fall wird derzeit unter anderem am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verhandelt. Die bosnische Ausländerbehörde hat bereits mehrfach erklärt, dass sie unabhängig von der Entscheidung des Gerichts die Abschiebung von Al Husein vornehmen will.


TÜRKEI

Nach dem gerichtlichen Verbot von "Lambda", einer Vereinigung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender (LGBT) Personen in Istanbul, rief Amnesty International die türkischen Behörden dazu auf, das Recht auf Vereinigungsfreiheit und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu achten. In den vergangenen Jahren hatten die Behörden bereits mehrfach ähnliche Einrichtungen und Organisationen wegen angeblicher "Verstöße gegen Gesetz und Moral" verboten.


IRAN Amnesty forderte die Aufhebung der Haft- und Prügelstrafen gegen neun Frauenrechtlerinnen, die an einer friedlichen Versammlung teilnahmen. Sie engagierten sich dabei für die "Kampagne für Gleichberechtigung", die sich u.a. gegen die gesetzlich verankerte Diskriminierung von Frauen wendet. Für die gewaltlosen politischen Gefangenen Hana Abdi und Ronak Safarzadeh startete Amnesty eine Eilaktion. Beide Frauen beteiligten sich an der Kampagne. Dafür ist Abdi zu fünf Jahren Haft verurteilt.


KANARISCHE INSELN

Amnesty International protestierte gegen die Verletzung der Rechte von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern und übergab der spanischen Regierung eine Menschenrechtsrichtlinie. Beim Versuch, die spanischen Inseln zu erreichen, sterben immer wieder zahlreiche Flüchtlinge. Im Juni verschärfte die EU die Bestimmungen für illegale Flüchtlinge. Sie können nun vor ihrer Abschiebung bis zu 18 Monate festgehalten werden.


JAPAN

Amnesty International forderte die japanische Regierung auf, endlich die Verantwortung für die Verbrechen an 200.000 Zwangsprostituierten zu übernehmen, die während des Zweiten Weltkrieges in der japanischen Armee ihrer Freiheit beraubt und misshandelt wurden. Die sogenannten "Trostfrauen" erhielten trotz aller Proteste in den vergangenen 62 Jahren weder eine offizielle Entschuldigung noch eine Entschädigung von Seiten der japanischen Behörden.


AFGHANISTAN

Amnesty International prangerte die schlechten Sicherheitsbedingungen an insbesondere für Frauen und Mädchen - und forderte ein größeres Mitspracherecht der afghanischen Bevölkerung im politischen Entscheidungsprozess. Sechs Jahre nach dem Sturz der Taliban hofft die Bevölkerung zwar auf eine bessere Zukunft. Dennoch leidet das Land nach wie vor unter einem mangelhaften Rechtssystem, der ausufernden Korruption und einer schwachen Regierung.


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HISTORISCHER SCHRITT

GENF - Der UNO-Menschenrechtsrat hat einen historischen Schritt zur Stärkung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (wsk-Rechte) getan. Mit der Unterzeichnung des sogenannten Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt II) wurde die Grundlage für die Einklagbarkeit der wsk-Rechte gelegt.

Damit können Menschen, deren Recht auf Nahrung, Unterkunft, Bildung oder Gesundheit verletzt wurde, erstmals ihre Klagen vor dem UNO-Komitee für wsk-Rechte vorbringen. Insbesondere die Ärmsten sind sehr häufig von der Verletzung dieser grundlegenden Rechte betroffen.

Amnesty International hat sich seit Jahren für die Unteilbarkeit der Menschenrechte eingesetzt und ist über die Entscheidung sehr erfreut. Seit dem Kalten Krieg bestand eine krasse Trennung zwischen der Anerkennung der politischen und bürgerlichen Rechte im Westen und der Anerkennung der wsk-Rechte im Osten.

Mit dem Fakulativprotokoll hat die UNO nun begonnen, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren, das den universellen Schutz der Rechte lange Zeit in Frage gestellt hatte.

Amnesty International begrüßte den historischen Schritt. Die Organisation kritisierte allerdings, dass für das Fakultativprotokoll nicht die gleichen Klagemechanismen vorgesehen sind wie bei anderen Abkommen.

Das Protokoll sei jedoch ein würdiger Kompromiss, der als Katalysator für die Ausarbeitung von effizienteren Rechtsmitteln in allen nationalen Rechtssystemen dienen könne. Amnesty rief alle UNO-Mitgliedsstaaten dazu auf, den 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 2008 mit der Annahme des Fakultativprotokolls zu würdigen.


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SPÄTE STRAFE

ITALIEN - Sieben Jahre nach den schweren Übergriffen auf Globalisierungskritiker während des G8-Gipfels in Genua sind 15 Polizisten und Gefängnisbeamte verurteilt worden. Ein Strafgericht sprach Mitte Juli Haftstrafen von fünf Monaten bis fünf Jahren aus. Weitere 30 Angeklagte wurden freigesprochen. In dem bereits seit Oktober 2005 laufenden Verfahren ging es um Amtsmissbrauch, Gewalt und Misshandlungen von Globalisierungsgegnern in der Polizeikaserne Bolzaneto nahe Genua. Amnesty begrüßte zwar die Verurteilung: "Das ist ein erster guter Schritt hin zu einer Strafverfolgung der Menschenrechtsverletzungen während des Gipfeltreffens in Genua", erklärte ein Amnesty-Sprecher. Es müsse aber "noch mehr unternommen werden, damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden". Im Herbst sollen Urteile im sogenannten "Diaz-Verfahren" gefällt werden. Dabei geht es um die Misshandlungen von Demonstranten, die während des Gipfels in einer Schule untergebracht waren. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Verurteilten ihre Strafe tatsächlich verbüßen müssen. Da die Angeklagten Revision angekündigt haben, sind die Straftaten wahrscheinlich bis zum endgültigen Urteil nach italienischem Strafrecht bereits verjährt.

Seit 2001 hat Amnesty mehrfach über Polizeibrutalität und unverhältnismäßige Gewaltanwendung in Italien berichtet.


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122.000 Unterschriften für "Gold für Menschenrechte"

Amnesty-Aktion in Berlin, 13. Juli 2008

BERLIN - Amnesty International hat die Regierung in Peking zum 13. Juli, dem Jahrestag der Vergabe der Olympischen Spiele, mit einem weltweiten Aktionstag in 20 Ländern an ihr Versprechen erinnert, die Menschenrechtssituation zu verbessern. Dieser Tag war auch der Höhepunkt der Kampagne "Gold für Menschenrechte", mit der die deutsche Amnesty-Sektion rund 122.000 Petitionsunterschriften für die Menschenrechte in China gesammelt hat. Darin rufen die Unterzeichner die chinesischen Behörden auf, die Todesstrafe abzuschaffen, Repressionen gegen Oppositionelle einzustellen und die Zensur des Internets zu beenden. Zugleich endete in Berlin an diesem Tag auch der Fackellauf der Amnesty-Hochschulgruppen. Zehn Wochen lang hatten Studierende eine Fackel für die Menschenrechte durch 34 deutsche Großstädte getragen und über die Menschenrechtslage in China informiert.


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EUROPÄISCHER GERICHTSHOF VERURTEILT RUSSLAND

STRASSBURG - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Ende Mai die russischen Behörden für die gewaltsame Verschleppung von zwei jungen tschetschenischen Frauen, Aminat Dugaeva und Kurbika Zinabdieve, verantwortlich erklärt. "Dieser gerichtliche Beschluss ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gerechtigkeit für Aminat, Kurbika und ihre Familien. Wir werden die Kampagne für Aminat und Kurbika weiterführen und die russischen Behörden dazu drängen, ihr Verschwinden zu untersuchen und die Entführer vor Gericht zu bringen", sagte Amnesty-Sprecherin Nicola Duckworth.

Die beiden tschetschenischen Frauen, die miteinander verwandt sind, wurden in der Nacht des 16. Mai 2003 aus Kurbikas Haus in Ulus-Kert, Tschetschenien, von einer Gruppe von 20 Männern, die blaue Uniformen und Masken trugen, entführt. Aminat war zum Zeitpunkt der Entführung erst 15 Jahre alt. Kurbika, die unter einem Gehirntumor und Epilepsie litt, benötigte ständige medizinische Betreuung. Ihre Familien haben seit der Entführung kein Lebenszeichen erhalten.

Das Gericht kritisierte die russischen Behörden für ihre Weigerung, sachdienliche Dokumente zur Verfügung zu stellen und bezeichnete die behördlichen Ermittlungen als fehlerhaft und unzureichend. Die Ermittlungen waren von Juni 2004 bis August 2006 eingestellt worden und führten bis zum heutigen Tag nicht zur Identifizierung der Entführer von Aminat und Kurbika.


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AUS DER HAFT ENTLASSEN

VR CHINA - Jaranbayar Soyolt, 48-jähriger mongolischer Staatsbürger, ist am 16. Juni aus der Haft entlassen worden. Der Menschenrechtsaktivist und Gründungsmitglied mehrerer Exil-Dissidentengruppen in der Mongolei war am 6. Januar am Flughafen Peking wegen seiner angeblichen Beteiligung an "ausländischen Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit Chinas" festgenommen worden. Die chinesischen Behörden warfen Soyolt vor, ein mongolischer Separatist zu sein.


GUANTANAMO/SUDAN - Der sudanesische Kameramann des Fernsehsenders Al Dschasira, Sami Al-Hajj, ist frei. Nachdem er seit 2002 in Guantánamo Bay ohne Anklage festgehalten und misshandelt wurde, konnte er nun von seiner Familie im Sudan empfangen werden. Al-Hajj bedankte sich bei Amnesty International für die Unterstützung. Sein neues Aufgabengebiet bei Al Dschasira ist die Berichterstattung zu Menschen- und Bürgerrechten.


MAROKKO - Der 26-jährige Marokkaner Fouad Mourtada wurde im März 2008 aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er vom König begnadigt worden war. Der junge IT-Ingenieur war nach einem unfairen Verfahren zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 1.320 US-Dollar verurteilt worden. Er hatte im Februar ein Profil des Prinzen Moulay Rachid auf der Internetplattform Facebook erstellt. Amnesty hatte seinen Prozess beobachtet und diesen als unfair kritisiert.


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Quelle:
amnesty journal, August 2008, S. 8-12
Herausgeber: amnesty international
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Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2008