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AKTION/1786: Urgent Action - Russische Föderation, neue Morddrohungen gegen Strafverteidigerinnen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-147/2013-1, AI-Index: EUR 46/034/2014, Datum: 7. Mai 2014 - dw

Russische Föderation
Neue Morddrohungen gegen Strafverteidigerinnen



SAPIYAT MAGOMEDOVA, Strafverteidigerin
MUSA SUSLANOV, Strafverteidiger

Zwei Strafverteidiger_innen aus Dagestan im Nordkaukasus erhalten weiterhin Morddrohungen in Verbindung mit ihrer Arbeit an einem aufsehenerregenden Mordfall. Ihre Anzeigen zogen keine wirksamen Ermittlungen seitens der Behörden nach sich.

Die Strafverteidigerin Sapiyat Magomedova und der Strafverteidiger Musa Suslanov aus Dagestan in Russland erhalten weiterhin anonyme Morddrohungen in Verbindung mit ihrer Arbeit an dem Fall von fünf im März 2012 getöteten Männern. In dem Fall sind Anschuldigungen gegen einige in der Öffentlichkeit stehende Personen erhoben worden. Am 3. Mai 2014 fand sich ein Angehöriger einer dieser Personen im Büro von Sapiyat Magomedova ein und sprach eine kaum verhüllte Drohung gegen sie aus: "Ich möchte nicht erfahren, dass Ihnen etwas passiert ist." Mitte April 2014 verfasste Sapiyat Magomedova in der Facebook-Gruppe "Mein Dagestan" einen Beitrag zu neuen Entwicklungen und eine anonyme Person kommentierte, sie sei "rastlos" und dass man ihr helfen werde, "Frieden zu finden". Der Kommentar wurde vom Administrator gelöscht. Sapiyat Magomedova sagte Amnesty International, dass ihr und ihrem Kollegen zum Zeitpunkt des Beitrags auf Facebook von einer verlässlichen Quelle mitgeteilt wurde, dass ein Auftragsmörder auf sie beide angesetzt worden war.

Dies sind lediglich die neuesten in einer Reihe von Drohungen, die diese beiden Strafverteidiger_innen erhalten haben und von denen sie die Behörden bereits zuvor in Kenntnis gesetzt hatten. Daraufhin leiteten die Behörden im Juni 2013 unter Artikel 296 des Strafgesetzbuchs, "Drohungen oder Gewalttaten im Zusammenhang mit der Rechtsprechung oder einem Ermittlungsverfahren", ein Strafverfahren ein. Im September 2013 wurde der Fall jedoch als eine weniger schwere Straftat eingestuft, nämlich unter Artikel 119 als "Bedrohung mit dem Tode oder schwerer Körperverletzung" in Bezug auf die allgemeine Öffentlichkeit. Den Strafverteidiger_innen zufolge wurde aufgrund ihrer Anzeige keine oder keine wirksame Ermittlung durchgeführt und ein Jahr später haben sich immer noch keine Ermittler_innen zur Aufnahme von Beweisen oder Zeugenaussagen mit ihnen in Verbindung gesetzt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Sapiyat Magomedova und Musa Suslanov übernehmen regelmäßig Fälle, in denen es um Korruption und mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Ordnungskräfte geht. Sie sind im Zusammenhang mit ihrer Arbeit bereits mehrmals bedroht worden.

Aus dem Nordkaukasus wird regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidrige Tötung sowie Folter und andere Misshandlungen berichtet. Die russischen Behörden haben es bisher durchweg versäumt, solche Verstöße wirksam zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Strafverteidiger_innen im Nordkaukasus, die Opfer solcher Menschenrechtsverletzungen oder mutmaßliche Angehörige bewaffneter Gruppierungen vertreten, und besonders solche Verteidiger_innen, die über Folter an Tatverdächtigen berichten, werden aufgrund ihrer Arbeit häufig zur Zielscheibe von Einschüchterung, Schikane, unstatthafter Beeinflussung und Repressalien. Amnesty International hat in den vergangenen Jahren mehrmals Besorgnis darüber geäußert, dass Anwält_innen in der Region mit dem Tod bedroht werden und körperlicher Gewalt ausgesetzt sind. Für Sapiyat Magomedova wurde 2011 schon einmal eine Eilaktion gestartet (siehe UA-219/2010-2,
https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-219-2010-2/menschenrechtsanwaeltin-angeklagt). Sie war damals von Polizeibeamt_innen tätlich angegriffen worden, hatte Anzeige erstattet und eine Untersuchung gefordert, und war im Gegenzug selbst angezeigt worden.

Im März 2013 veröffentlichte Amnesty International den englischsprachigen Bericht Confronting the circle of injustice: threats and pressure faced by lawyers in the North Caucasus
(http://amnesty.org/en/library/info/EUR46/003/2013/en), in dem dokumentiert wird, wie Strafverteidiger_innen in der Region systematisch eingeschüchtert und schikaniert werden. Der Bericht zeigt außerdem zahlreiche Fälle auf, in denen Ordnungskräfte Anwält_innen im Nordkaukasus in Verbindung mit ihrer beruflichen Tätigkeit bedrohen und tätlich angreifen.

In den von den Vereinten Nationen erarbeiteten Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte heißt es unter Punkt 16: "Der Staat stellt sicher, dass der Rechtsanwalt a) in der Lage ist, alle seine beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen; b) in der Lage ist zu reisen und sich mit seinen Mandanten frei zu beraten, sowohl im eigenen Land als auch im Ausland; c) wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen erleidet oder damit bedroht wird." Unter Punkt 17 heißt es weiter: "Wo die Sicherheit eines Rechtsanwalts infolge der Wahrnehmung seiner Aufgaben bedroht ist, haben die Behörden ihn angemessen zu schützen."


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Leiten Sie bitte umgehend eine wirksame und unparteiische Untersuchung der Drohungen gegen Sapiyat Magomedova und Musa Suslanov ein und ziehen Sie die Verantwortlichen zur Rechenschaft.
  • Gewährleisten Sie bitte die Sicherheit von Sapiyat Magomedova und Musa Suslanov und stellen Sie sicher, dass sie ihre Arbeit fortführen können.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass alle Anwält_innen in Russland ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Hinderung, Schikane oder unstatthafte Beeinflussung wahrnehmen können, wie in den UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte festgelegt.

APPELLE AN

VORSITZENDER DES UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSSES DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Aleksandr Ivanovich Bastrykin
Investigative Committee of the Russian Federation
Tekhnicheskii pereulok, d. 2
105005 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Chairman / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)
Fax: (00 7) 499 265 9077

VORSITZENDER DES UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSSES DER REGION DAGESTAN
Eduard Valer'evich Kabuneev,
pr. Imama Shamilya, d. 70
Mahatchkala, 367015
Dagestan, RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Chairman / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)
Fax: (00 7) 872 262 0507


KOPIEN AN

PRÄSIDENT DER ANWALTSKAMMER DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yevgenii Vasilyevich Semenyanko
Sivtsev Vrazhek, d. 43
119002 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 495 787 2836
E-Mail: advpalata@mail.ru

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. Juni 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Promptly, effectively and impartially investigate the threats made against Sapiyat Magomedova and Musa Suslanov and ensure that anyone found responsible is brought to justice.
  • Ensure the safety and security of Sapiyat Magomedova and Musa Suslanov and ensure they are able to continue their work.
  • Ensure all lawyers in Russia are able to perform their professional duties without intimidation, hindrance, harassment or improper interference in accordance with the UN Basic Principles on the Role of Lawyers.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-147/2013-1, AI-Index: EUR 46/034/2014, Datum: 7. Mai 2014 - dw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2014