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AKTION/1734: Urgent Action - Iran, drohende Hinrichtungen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-072/2014, AI-Index: MDE 13/014/2014, Datum: 26. März 2014 - bs

Iran
Drohende Hinrichtungen



Herr ALI CHEBIESHAT
Herr SAYED KHALED MOUSAWI

Amnesty International befürchtet, dass zwei Angehörige der arabischen Minderheit der Ahwazi im Iran in unmittelbarer Hinrichtungsgefahr sind, da sie aus dem Gefängnis Fajr in Dezfoul in der Provinz Khuzestan an einen unbekannten Ort verlegt wurden. Die Familienangehörigen von Ali Chebieshat und Sayed Khaled Mousawi wurden am 18. März von Gefängnisbediensteten darüber in Kenntnis gesetzt, dass Angehörige des Geheimdienstministeriums die beiden Männer aus dem Gefängnis an einen unbekannten Ort gebracht haben. Sie könnten somit in unmittelbarer Hinrichtungsgefahr sein, nachdem im Januar 2014 zwei andere Ahwazi-Araber unter Geheimhaltung hingerichtet wurden, die man zuvor an einen unbekannten Ort gebracht hatte.

Ali Chebieshat und Sayed Khaled Mousawi waren am 9. September 2013 im Zusammenhang mit der Explosion einer Gaspipeline in der Nähe ihres Heimatdorfes in Khuzestan von der Abteilung 2 des Revolutionsgerichts von Ahvaz wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) zum Tode verurteilt worden. Das Gericht verurteilte einen dritten Mann, Salman Chayani, zu 25 Jahren Freiheitsentzug, die er im internen Exil in Yazd verbüßen muss.

Die drei Männer waren am 10. November 2012 zusammen mit mehreren weiteren Personen festgenommen und in eine Hafteinrichtung des Militärgeheimdienstes in Ahvaz gebracht worden. Nach vorliegenden Informationen verweigerte man ihnen in den ersten Monaten nach ihrer Festnahme den Kontakt zu rechtlichem Beistand. Zudem sollen sie gefoltert und auf andere Weise misshandelt worden sein. In einem Beitrag des iranischen Staatsfernsehens wurde im Juni 2013 gezeigt, wie sie ihre Beteiligung an der Explosion der Gaspipeline "gestehen". Eine solche Fernsehausstrahlung von "Geständnissen" widerspricht internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Ali Chebieshat und Sayed Khaled Mousawi haben gegen die Todesurteile Rechtsmittel eingelegt, die gegenwärtig dem Obersten Gericht des Iran zur Entscheidung vorliegen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Ali Chebieshat, Sayed Khaled Mousawi und Salman Chayani wurden am 10. November 2012 zusammen mit weiteren Männern in ihrem Dorf unweit der Stadt Sush in der Provinz Khuzestan festgenommen. Die Sicherheitskräfte sollen das Haus der Mutter von Ali Chebieshat umstellt haben, wo gerade eine private Feier stattfand. Sie zeigten weder Haftbefehle vor, noch gaben sie Gründe für die Festnahme der Männer an. Bis auf die drei Männer wurden alle später gegen Kaution freigelassen.

Die Sicherheitskräfte hielten die Männer in einer Hafteinrichtung des Militärgeheimdienstes in Ahwaz fest, wo sie über mehrere Monate keinen Zugang zu Rechtsbeiständen oder ihren Familien hatten. Sie sollen gefoltert und gezwungen worden sein, vor einer Videokamera "Geständnisse" abzulegen. Diese "Geständnisse" wurden dann in Fernsehsendungen, zunächst im Juni 2013, dann im November 2013, gezeigt. Die Männer bekannten sich darin zur Verantwortung für die Explosion einer Gaspipeline im Oktober 2012.

Im Juni oder Juli 2013 teilten Angehörige des Geheimdienstministeriums den Familien der Männer mit, sie könnten sie in einer Moschee im Dorf Jarieh treffen. Als sie dort eintrafen, bemerkten die Familienangehörigen, dass der Raum mit Kameras ausgestattet war. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen teilte man den Familien mit, wenn sie zustimmten, gefilmt zu werden, während sie sich die gefilmten "Geständnisse" ansehen, würden die Behörden die Reduzierung des Strafmaßes in Erwägung ziehen. Man teilte ihnen allerdings nicht mit, dass die Aufnahmen im Fernsehen gezeigt würden. Die Angehörigen von Ali Chebieshat wollten sich nicht filmen lassen, wurden weniger Monate später aber von Angehörigen des Geheimdienstministeriums kontaktiert und unter Druck gesetzt, sich filmen zu lassen, weil sie ansonsten die Hinrichtung von Ali Chebieshat riskierten. Im November 2013 zeigten zwei staatlich finanzierte Fernsehsender eine "Dokumentation", in der die "Geständnisse" von Ali Chebieshat, Sayed Khaled Mousawi und Salman Chayani und die Aufnahmen ihrer Angehörigen gezeigt wurden.

Zwei andere Ahwazi-Araber, Hadi Rashedi und Hashem Sha'bani Nejad (auch: Hashem Sha'bani Amouri), wurden Ende Januar 2014 unter Geheimhaltung hingerichtet. Ihren Familien teilte ein Beamter des Geheimdienstministeriums mit, die beiden Männer seien wenige Tage zuvor hingerichtet und bestattet worden. Amnesty International geht davon aus, dass das Datum der Hinrichtung den Familien nicht mitgeteilt wurde und man ihnen auch die Leichname nicht zur Bestattung übergab. Der Beamte untersagte den Familien, eine öffentliche Gedenkveranstaltung abzuhalten, und ließ ihnen nur 24 Stunden, um eine private Veranstaltung zu organisieren. Drei weitere Ahwazi-Araber, Mohammad Ali Amouri, Sayed Jaber Alboshoka und Sayed Mokhtar Alboshoka, die gemeinsam mit ihnen zum Tode verurteilt wurden, sind nach wie vor in Hinrichtungsgefahr.


SCHREIBEN SIE BITTE

LUFTPOSTBRIEFE, TWITTERNACHRICHTEN UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, die gegen Ali Chebieshat und Sayed Khaled Mousawi verhängten Todesurteile nicht zu vollstrecken. Bitte erteilen Sie Auskunft darüber, wo die Männer sich derzeit befinden.
  • Bitte tragen Sie Sorge dafür, dass die Folter- und Misshandlungsvorwürfe der Männer zielgerichtet untersucht werden und schließen Sie unter Folter erbrachtes Beweismaterial von Gerichtsverfahren aus.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Männer vor weiterer Folter und anderer Misshandlung geschützt werden, sie die notwendige medizinische Versorgung erhalten und umgehend Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und Familienangehörigen bekommen.
  • Hiermit erinnere ich Sie daran, dass auf der Grundlage des Völkerrechts die Todesstrafe nur bei "schwersten Verbrechen" verhängt werden darf und internationale Gremien und Organisationen diese dahingehend interpretieren, dass sich diese Taten auf vorsätzliche Tötungen beschränken.

APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: @khamenei_ir "Stop executions of Ahwazi men"

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public Relations Office, Number 4
2 Azizi Street intersection, Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)


KOPIEN AN

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
The Presidency
Pasteur Street, Pasteur Square
Tehran, IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch) und
@Rouhani_ir (Persisch)
E-Mail: media@rouhani.ir

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. Mai 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities not to execute Ali Chebieshat and Sayed Khaled Mousawi and to immediately disclose their whereabouts.
  • Urging them to investigate the allegations that the men were tortured or otherwise ill-treated and ensure that "confessions" obtained under torture are not used as evidence in court.
  • Calling on them to ensure the men are protected from torture and other ill-treatment, are granted any medical attention they may require and are allowed regular contact with their lawyers and families.
  • Reminding them that under international law, the death penalty may only be used for "the most serious crimes", which international bodies have interpreted as being limited to crimes involving intentional killing.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Artikel 38 der iranischen Verfassung und Artikel 9 des Gesetzes über die Wahrung rechtmäßiger Freiheiten und den Schutz von Bürgerrechten verbieten jegliche Formen der Folter zur Erlangung von Geständnissen. Das iranische Strafgesetzbuch schreibt sogar die strafrechtliche Verfolgung von BeamtInnen vor, die zur Erzwingung von Geständnissen Folter einsetzen. Trotz all dieser verfassungsrechtlichen Sicherheiten bezüglich der Unzulässigkeit von Zeugenaussagen, Aussagen unter Eid und Geständnissen unter Zwang, akzeptieren die iranischen Gerichte solche "Geständnisse" im Allgemeinen als Beweise und strahlen sie manchmal noch vor Prozessende im Fernsehen aus. Solche Ausstrahlungen verstoßen gegen die Verpflichtungen des Iran im Rahmen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (Artikel 14), zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört. Darin ist u.a. die Unschuldsvermutung festgeschrieben.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-072/2014, AI-Index: MDE 13/014/2014, Datum: 26. März 2014 - bs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2014