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AKTION/1613: Urgent Action - Russische Föderation, Demonstrant zu Zwangsbehandlung verurteilt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-284/2013, AI-Index: EUR 46/049/2013, Datum: 9. Oktober 2013 - as

Russische Föderation
Demonstrant zu Zwangsbehandlung verurteilt



HERR MIKHAIL KOSENKO

Am 8. Oktober wurde Mikhail Kosenko von einem Moskauer Gericht für schuldig befunden und zu einer psychiatrischen Zwangsbehandlung verurteilt. Ihm droht der Freiheitsentzug auf unbeschränkte Zeit. Mikhail Kosenko ist ein gewaltloser politischer Gefangener. Mikhail Kosenko befindet sich seit dem 8. Juni 2012 in Haft. Er hatte einen Monat zuvor an einer genehmigten Kundgebung auf dem Moskauer Bolotnaya-Platz teilgenommen, bei der es zu einem Zusammenstoß zwischen Demonstrierenden und der Polizei gekommen war. Wegen des Vorwurfs der Beteiligung an "Massenunruhen" und der Anwendung von Gewalt gegen einen Polizeibeamten wurde ihm am Moskauer Samoskworezki-Gericht der Prozess gemacht.

Mikhail Kosenko leidet aufgrund einer Verletzung, die er sich während seines Wehrdienstes in der Armee zugezogen hat, an einer leichten psychischen Störung. Die Staatsanwaltschaft versuchte, ihn als gewalttätig und als Gefahr für sich und die Gesellschaft darzustellen und legte eine psychiatrische Zwangsbehandlung nahe. Diese Behauptungen basieren auf einem medizinischen Gutachten, das von der Anklage angefordert wurde. Das Gericht lehnte eine von der Verteidigung geforderte unabhängige Prüfung der psychischen Gesundheit des Angeklagten ab.

Mikhail Kosenko streitet jede Beteiligung an Gewalt oder anderen rechtswidrigen Handlungen auf dem Bolotnaya-Platz ab. Es liegen Videos und Zeugenaussagen vor, die seine Angaben bestätigen. Was seine psychische Verfassung anbetrifft, so finden sich in seinen Krankenakten keinerlei Hinweise auf eine gewalttätige Neigung. Er wird bereits seit Jahren ambulant behandelt und wurde bisher nie als Gefahr für sich oder die Gesellschaft eingestuft.

Die stichhaltigen Beweise im Falle Mikhail Kosenkos deuten darauf hin, dass er während der Demonstration am Bolotnaya-Platz an keinerlei Gewalt oder anderen rechtswidrigen Aktivitäten beteiligt war und somit der ihm zur Last gelegten Straftaten nicht überführt werden kann. Mikhail Kosenko ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der wegen der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit verurteilt wurde.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Für den 6. Mai 2012, den Vorabend der Amtseinführung von Wladimir Putin, wurden ein Protestmarsch und eine Demonstration auf dem Bolotnaya-Platz im Zentrum Moskaus genehmigt. Die Kundgebung richtete sich gegen die Wiederwahl Putins zum Staatspräsidenten, die von zahlreichen Berichten über Wahlbetrug überschattet war. Am Tag der Kundgebung änderte die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen und ließ den Demonstrierenden nur einen wesentlich schmaleren Zugang zum Bolotnaya-Platz. Der so entstandene Engpass erhöhte den Druck auf die ersten Reihen der Demonstrierenden und führte schließlich dazu, dass die erste Reihe der Polizei am Platzeingang durchbrochen wurde. Die zweite Polizeireihe hielt jedoch stand, und es liegen keine Berichte vor, dass versucht wurde, auch diese zu durchbrechen. Trotzdem nahm die Polizei Hunderte von Demonstrierenden fest, viele von ihnen willkürlich, und löste die gesamte Kundgebung auf.

Es liegen zahlreiche gut dokumentierte Berichte über exzessive Gewaltanwendung durch die Polizei vor. Zahlreiche Demonstrierende erlitten Verletzungen wie Gehirnerschütterungen, schwere Prellungen oder Schnittwunden. Zur gleichen Zeit wurde die Polizei mit Asphaltstücken und diversen anderen Objekten beworfen. Einige Angehörige der Polizei wurden dabei verletzt.

Nach Aussagen von AugenzeugInnen vor Gericht handelte es sich bei den Ausschreitungen zwischen einigen der Protestierenden und der Polizei um eine Reaktion auf Polizeibrutalität und willkürliche Festnahmen. Amnesty International sprach mit AugenzeugInnen, die insistieren, dass nur ein sehr kleiner Teil der Demonstrierenden direkt an den Ausschreitungen beteiligt gewesen sei. Dies lässt sich auch durch das umfangreiche zur Verfügung stehende Videomaterial belegen. Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Demonstrierende wegen der mutmaßlichen Anwendung von Gewalt gegen Angehörige der Polizei eingeleitet, das zur Anklageerhebung gegen 26 Personen führt. Zwei von ihnen bekannten sich schuldig, gegen elf wird noch ermittelt und 13 (darunter Mikhail Kosenko) wurden vor Gericht gestellt. Amnesty International hat drei der vor Gericht stehenden Angeklagten, Vladimir Akimenkov, Aretm Savelov und Mikhail Kosenko, als gewaltlose politische Gefangene anerkannt. Die Organisation befürchtet, dass es sich bei weiteren Mitangeklagten ebenfalls um gewaltlose politische Gefangene handelt.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Mikhail Kosenko ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der ausschließlich wegen der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit verfolgt wird.
  • Ich befürchte, dass das Moskauer Samoskworezki-Gericht die Standards für faire Gerichtsverfahren missachtet hat.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Mikhail Kosenko sofort und bedingungslos freigelassen wird.

APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yurii Yakovlevich Chaika
Prosecutor General's Office
ul. B. Dmitrovka d.15a
125993 Moscow GSP - 3
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (007) 495 987 5841 oder
(00 7) 495 692 1725


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. November 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Insisting that Mikhail Kosenko is a prisoner of conscience persecuted solely for the peaceful exercise of his rights to freedom of expression and assembly.
  • Expressing concern that the Moscow Zamoskvoretskii Court failed to observe fair trial standards.
  • Urging the authorities to ensure that Mikhail Kosenko is released immediately and unconditionally.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-284/2013, AI-Index: EUR 46/049/2013, Datum: 9. Oktober 2013 - as
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2013