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AKTION/1571: Urgent Action - Indien, zwei Hinrichtungen gestoppt, dritte droht weiterhin


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-091/2013-2, AI-Index: ASA 20/037/2013, Datum: 23. August 2013 - mr

Indien
Zwei Hinrichtungen gestoppt - dritte droht weiterhin



Droht weiter unmittelbar die Hinrichtung:
Herr DEVENDER PAL SINGH BHULLAR
Hinrichtung vorerst gestoppt:
Herr SHIVU
Herr JADESWAMY

Der indische Oberste Gerichtshof hat die Hinrichtung der beiden Männer Shivu und Jadeswamy am 21. August, einen Tag vor der geplanten Vollstreckung, gestoppt. Devender Pal Singh Bhullar droht weiterhin unmittelbar die Hinrichtung.

Shivu und Jadeswamy waren 2005 zum Tode verurteilt worden und hatten beim indischen Staatspräsidenten ein Gnadengesuch eingereicht. Der Präsident lehnte ihr Gnadengesuch ab und die Hinrichtung der beiden Männer wurde auf den 22. August 2013 anberaumt. Die Anwälte stellten einen schriftlichen Antrag auf Umwandlung ihrer Todesurteile in Haftstrafen. Sie argumentierten darin, dass die langjährige Verzögerung der Entscheidung über ihre Gnadengesuche einer grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Strafe gleichkomme.

Während am 21. August vor dem Obersten Gerichtshof die Anträge von Shivu und Jadeswamy angehört wurden, versuchte Shivu sich im Hindalga-Gefängnis das Leben zu nehmen, indem er sich an den Handgelenken und anderen Körperteilen mit Schnitten verletzte. GefängnismitarbeiterInnen teilten JournalistInnen mit, die Wunden seien nicht schwerwiegend und Shivu werde im Gefängniskrankenhaus behandelt. Er und Jadeswamy befinden sich inzwischen im selben Gefängnis, dem Zentralgefängnis des Bezirks Belgaum in Karnataka. Am 22. Oktober wird der Oberste Gerichtshof die Fälle der beiden Männer sowie die Fälle von mindestens 17 weiteren zum Tode verurteilten Gefangenen anhören, deren Gnadengesuche der indische Präsident abgelehnt hatte.

Im Fall von Devender Pal Singh Bhullar wurde noch kein Hinrichtungsdatum festgesetzt, doch ihm droht nach wie vor unmittelbar die Hinrichtung, nachdem der Oberste Gerichtshof seinen Antrag auf Umwandlung des Todesurteils zurückgewiesen hat. Er wurde 1995 unter dem Gesetz über terroristische und umstürzlerische Umtriebe (Terrorist and Disruptive Activities (Prevention) Act - TADA) zum Tode verurteilt. Dieses Gesetz beinhaltete Bestimmungen, die nicht mit den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren vereinbar sind und ist später aufgehoben worden. Devender Pal Singh Bhullar hatte während seines Gewahrsams und Prozesses ursprünglich keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Er wurde auf der Grundlage eines "Geständnisses" schuldig gesprochen, das er vor der Polizei abgelegt hatte. Devender Pal Singh Bhullar hat dieses "Geständnis" später zurückgezogen und ausgesagt, dass er nur deshalb gestanden hat, weil die Polizei Druck auf ihn ausgeübt hatte. Devender Pal Singh Bhullar befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Ein Ärztegremium hat Berichten zufolge festgestellt, dass er an schweren Depressionen leidet, Symptome einer Psychose aufweist und suizidale Tendenzen zeigt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Im indischen Rechtssystem stellt ein Gnadengesuch nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel häufig die letzte Möglichkeit dar, die Umwandlung eines Todesurteils zu erwirken. In der Vergangenheit wurden einige Gnadengesuche aufgrund unzulässiger Verzögerung vor dem höchsten indischen Gericht, dem Obersten Gerichtshof, angefochten. Doch die Entscheidung darüber, ob solch ein Rechtsmittel gehört wird, liegt im Ermessen des Obersten Gerichtshofs. Im April 2012 hielt der Oberste Gerichtshof von Indien das Todesurteil gegen Devender Pal Singh Bhullar aufrecht und begründete, dass eine unzulässige Verzögerung "in Fällen, in denen eine Person wegen einer Straftat nach dem TADA oder einem ähnlichen Gesetz schuldig gesprochen wird", nicht geltend gemacht werden kann. Das Gericht entschied sich, die Umwandlung des Todesurteils aufgrund der "Schwere des Verbrechens" abzulehnen. Dieses Urteil missachtete das im internationalen Recht festgeschriebene absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe. Seit seiner Amtsübernahme hat Staatspräsident Mukherjee mindestens 19 Gnadengesuche abgelehnt, namentlich die von Ajmal Kasab, Saibanna, Afzal Guru, Gnanprakasham, Simon, Meesekar Madaiah, Bilavendran, Suresh, Ramji, Gurmeet Singh, Sonia Choudhary, Sanjeev Choudhary, Jafar Ali, Dharam Pal, Praveen Kumar, B. A. Umesh, Maganlal Barela, Shivu und Jadeswamy. Zwei der Genannten sind hingerichtet worden: Ajmal Kasab am 21. November 2012 und Afzal Guru am 9. Februar 2013. Diese beiden Hinrichtungen wurden als "außer der Reihe" betrachtet und wurden bis nach der Vollstreckung nicht öffentlich bekannt gegeben. Ein Regierungsminister erklärte, dass im Fall von Ajmal Kasab die Hinrichtung nicht angekündigt worden war, um das Eingreifen von MenschenrechtsaktivistInnen zu verhindern. In Afzal Gurus Fall erhielt die Familie erst nach der Vollstreckung des Todesurteils eine Benachrichtigung, und der Leichnam wurde ihr nicht zur Bestattung übergeben. Davor war zuletzt Dhananjoy Chatterjee im August 2004 hingerichtet worden.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Mit großer Erleichterung habe ich von dem vorläufigen Hinrichtungsstopp für Shivu und Jadeswamy durch den Obersten Gerichtshof erfahren. Ich bitte Sie eindringlich, auch die Hinrichtung von Devender Pal Singh Bhullar zu stoppen und weder ihn noch Shivu und Jadeswamy oder irgendeinen anderen Gefangenen hinzurichten.
  • Bitte gewähren Sie Devender Pal Singh Bhullar ein erneutes Gerichtsverfahren, welches den internationalen Standards für ein faires Verfahren entspricht.
  • Bitte stoppen Sie umgehend alle weiteren Hinrichtungen, wandeln Sie alle bereits verhängten Todesurteile in Haftstrafen um und erlassen Sie ein Hinrichtungsmoratorium mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
President of India
Mr. Pranab Mukherjee
Rashtrapati Bhawan
New Delhi 110 001, INDIEN
(Anrede: Dear President Mukherjee / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 91) 11 230 172 90
E-Mail: (über die Website)
http://www.helpline.rb.nic.in/GrievanceNew.aspx

MINISTERPRÄSIDENT
Dr. Manmohan Singh
South Block, Raisina Hill
New Delhi 110 001, INDIEN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 91) 11 230 195 45
E-Mail: (über die Website)
http://pmindia.nic.in/feedback.php?In=english


KOPIEN AN

INNENMINISTER
Mr. Sushilkumar Shinde
104 North Block
Central Secretariat
New Delhi 110001, INDIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 91) 11 230 942 21
E-Mail: hm@nic.in

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDIEN
Herr Ajit Vinayak Gupte
Geschäftsträger a.i. (Gesandter)
Tiergartenstr. 17
10785 Berlin
Fax: 030-2579 5102
E-Mail: dcm@indianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hindi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. Oktober 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Weitere Informationen zu UA-091/2013 (ASA 20/020/2013, 12. April 2013, und ASA 20/036/2013, 19. August 2013)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on Indian authorities not to execute Devender Pal Singh Bhullar, Shivu and Jadeswamy or any other prisoners.
  • Urging them to retry Devender Pal Singh Bhuller in proceedings that meet international fair trial standards.
  • Urging them to halt immediately any further executions, commute all outstanding death sentences to terms of imprisonment and establish a moratorium on executions with a view to abolishing the death penalty altogether.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Sieben der übrigen Fälle, Santhan, Murugan, Perarivalan, Gnanaprakasam, Simon, Madaiah und Bilavendran, wurden ursprünglich von einem TADA-Gericht zum Tode verurteilt.

In der Vergangenheit haben die indischen Behörden die Öffentlichkeit stets über das Ablehnen von Gnadengesuchen und geplante Hinrichtungstermine in Kenntnis gesetzt. Doch 2012 wurde diese Praxis eingestellt. Seither ist ungewiss, welche Gnadengesuche gerade begutachtet werden, wann darüber eine Entscheidung gefällt wird und ob die Öffentlichkeit von der Entscheidung erfährt. In der vom UN-Menschenrechtsausschuss verabschiedeten Resolution 2005/59 werden Staaten, die nach wie vor die Todesstrafe verhängen, aufgefordert, "die Öffentlichkeit über die Verhängung der Todesstrafe und alle festgelegten Hinrichtungstermine zu informieren".

Durch die Wiederaufnahme der Hinrichtungen stellt sich Indien gegen den regionalen und globalen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. Insgesamt haben sich mittlerweile 140 Staaten in Gesetz oder Praxis gegen die Todesstrafe entschieden. Von 41 Staaten im asiatisch-pazifischen Raum haben 17 die Todesstrafe vollständig abgeschafft, weitere zehn führen sie in der Praxis nicht mehr durch, und Fidschi wendet sie nur noch bei außerordentlichen militärischen Verbrechen an. In den vergangenen zehn Jahren haben vier asiatisch-pazifische Staaten die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft: Bhutan und Samoa im Jahr 2004, die Philippinen 2006 und die Cookinseln 2007. UN-Institutionen und -(?)Mechanismen haben Mitgliedstaaten wiederholt dazu aufgerufen, ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Unter anderem wurde dies in der Verabschiedung von vier Resolutionen der UN-Generalversammlung zur Todesstrafe im Dezember 2007, 2008, 2010 und 2012 deutlich. Indien hat gegen alle vier Resolutionen gestimmt.

Amnesty International wendet sich ausnahmslos gegen die Anwendung der Todesstrafe, da sie eine Verletzung des Rechts auf Leben darstellt und die extremste Form einer grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bestrafung ist. Die Organisation vertritt diese Ansicht ungeachtet der Schuldfrage, der Art des Verbrechens, der Hinrichtungsmethode oder spezifischer Eigenschaften der zum Tode verurteilten Person.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-091/2013-2, AI-Index: ASA 20/037/2013, Datum: 23. August 2013 - mr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2013