ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-071/2013, AI-Index: MDE 22/005/2013, Datum: 25. März 2013 - we
Katar
Aktivisten ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft
Herr MUHAMMAD ISSA AL-BAKER
Herr MANSOUR BIN RASHED AL-MATROUSHI
Zwei Aktivisten befinden sich seit dem 22. März in Katar ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Sie sollen im zentralen Polizeipräsidium in der Hauptstadt Doha in Einzelhaft gehalten werden. Sollten sich die beiden Männer allein aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befinden, würde Amnesty International sie als gewaltlose politische Gefangene betrachten. Muhammad Issa al-Baker und Mansour bin Rashed al-Matroushi waren auf dem Rückweg von einem Familienausflug nach Mesaieed (auch Umm Said), als sie an einem Kontrollpunkt angehalten wurden, der von Sicherheitskräften in Zivil besetzt war. Anschließend brachte man sie in das zentrale Polizeipräsidium in Doha, wo sie seitdem ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand oder ihren Familienangehörigen festgehalten werden. Quellen aus der Hafteinrichtung geben an, dass beide Männer in Einzelhaft gehalten werden. PolizeibeamtInnen haben den Rechtsbeiständen von Muhammad Issa al-Baker und Mansour bin Rashed al-Matroushi gegenüber zwar bestätigt, dass sich ihre Mandanten in Haft befinden, die Gründe für die Inhaftierung legten sie jedoch nicht offen. Weiterhin erklärten die BeamtInnen, dass die Festnahmen nicht von der Polizei durchgeführt worden seien. Dies wirft die Frage auf, ob Angehörige des katarischen Geheimdienstes, die oftmals in Zivil gekleidet sind, die Männer festgenommen haben. VertreterInnen der Generalstaatsanwaltschaft sagten den Rechtsbeiständen der beiden Aktivisten, dass ihnen keine Informationen zu deren Inhaftierung vorlägen.
Muhammad Issa al-Baker und Mansour bin Rashed al-Matroushi gehörten zu einer Gruppe von 150 AktivistInnen, die am 28. Januar beim Innenministerium von Katar per Brief die Genehmigung für eine friedliche Demonstration vor der französischen Botschaft in Doha beantragten. Sie wollten dort gegen den militärischen Eingriff Frankeichs in Mali protestieren. Weil der Antrag abgelehnt wurde, reichten die AktivistInnen den Brief am 6. Februar bei der französischen Botschaft ein. Danach sollen Sicherheitskräfte, deren Zugehörigkeit nicht näher bekannt ist, die AktivistInnen wiederholt telefonisch zu dem Brief sowie zu ihrem Engagement im Allgemeinen befragt haben. Außerdem forderten die BeamtInnen sie auf, zu einem Verhör zu erscheinen. Die AktivistInnen weigerten sich jedoch, weil ihnen keine rechtliche Grundlage, wie ein Haftbefehl oder eine formelle Vorladung, für ein solches Verhör vorgelegt wurde. Möglicherweise ist dieser Brief der Grund für die Inhaftierung von Muhammad Issa al-Baker und Mansour bin Rashed al-Matroushi. Rechtsbeistände, die den Brief eingesehen haben, erklärten Amnesty International, dass der Inhalt weder gegen Gesetze verstößt noch zu Hass oder Gewalt anstiftet. Beide Aktivisten setzen sich bereits seit zehn Jahren für Menschenrechtsthemen in Katar ein. Muhammad Issa al-Baker ist aktives Mitglied der schweizerischen Menschenrechts-NGO Adel.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung unterliegt in Katar strikten Einschränkungen und die Presse sieht sich häufig zur Selbstzensur gezwungen. Katar trat im Mai 2008 dem Übereinkommen zur Terrorismusbekämpfung bei, das 2004 vom Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council - GCC) ausgearbeitet worden war, und dessen Bestimmungen zur Kriminalisierung legitimer Aktivitäten führen könnten.
Seit 2011 hat der Geheimdienst, der über eigene Hafteinrichtungen verfügt, bereits zahlreiche Personen inhaftiert. Einige nur deshalb, weil sie Gebrauch von ihren Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gemacht haben. Die meisten der Inhaftierten berichteten, dass sie in Haft gefoltert und anderweitig misshandelt wurden, bevor man sie angeklagt oder vor Gericht gestellt hat. Dies betraf vor allem diejenigen, die in Einzelhaft festgehalten wurden. Mohammed al-Ajami - auch als Mohammed Ibn al-Dheeb bekannt - war am 16. November 2011 in Doha festgenommen und der "Anstiftung zum Sturz des herrschenden Regimes" und "Beleidigung des Emirs" angeklagt worden. Er wurde von Angehörigen des Geheimdienstes festgenommen, nachdem er einer Vorladung gefolgt war. Mohammed al-Ajami war monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten worden, bevor er Besuch von seiner Familie erhalten durfte. Örtliche AktivistInnen glauben, dass er wegen eines Gedichts aus dem Jahr 2011 festgenommen wurde. Dieses trägt den Titel "Das Jasmin-Gedicht" und wurde von Mohammed al-Ajami vor dem Hintergrund der Proteste, die im Dezember 2010 in der arabischen Welt begannen, verfasst. Mohammed al-Ajami kritisiert darin die Golfstaaten und erklärt, dass "wir im Angesicht der repressiven Elite alle Tunesien sind". Das Strafgericht in Doha verurteilte Mohammed al-Ajami im November 2012 zu lebenslanger Haft. Einigen BeobachterInnen war der Zugang zum Gericht nicht gestattet, und Mohammed al-Ajami selbst war während der Verkündung des Strafmaßes nicht anwesend. Am 25. Februar 2013 verkürzte das zuständige Berufungsgericht in Doha seine Strafe auf 15 Jahre Haft.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2013