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AKTION/1396: Urgent Action - Vereinigte Arabische Emirate, Drohendes unfaires Verfahren


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-214/2012-2, AI-Index: MDE 25/002/2013, Datum: 28. Februar 2013 - cw

Vereinigte Arabische Emirate
Drohendes unfaires Verfahren



BIS ZU 94 STAATSANGEHÖRE DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE, darunter:
Dr. MOHAMED AL-MANSOORI
Dr. MOHAMED 'ABDULLAH AL-ROKEN
Herr SALEM AL-SHEHHI
Herr MOHAMMED SALIM AL-ZUMOR
Dr. HADEF AL-OWAIS
Herr MOHAMMED SAEED AL-ABDOUL

Mehr als 70 männliche Staatsangehörige der Vereinigten Arabischen Emirate sind derzeit inhaftiert, offenbar in Verbindung mit der friedlichen Vereinigung al-Islah. Am 4. März werden die Fälle von etwa 60 dieser Gefangenen vor dem Staatssicherheitsgericht verhandelt. Über den Verbleib der Männer herrscht Ungewissheit und ihnen wird der Zugang zu einer angemessenen rechtlichen Vertretung verwehrt. Zudem sollen einige - vielleicht sogar alle - gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden sein.

Am 4. März werden 94 Angehörige der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) vor Gericht gestellt. Unter den Angeklagten befinden sich etwa 60 inhaftierte Mitglieder der al-Islah und bis zu 14 weibliche Angehörige von Häftlingen. Die Frauen waren zuvor gegen Kaution freigelassen worden. Zusätzlich werden die Fälle von weiteren Personen verhandelt, deren Identität nicht bekannt ist. Bei mindestens drei der 70 Gefangenen handelt es sich um gewaltlose politische Gefangene: die beiden Menschenrechtsverteidiger und Rechtsanwälte Dr. Mohamed al-Mansoori und Dr. Mohamed 'Abdullah al-Roken, die am 16. und 17. Juli 2012 inhaftiert worden waren, und deren Rechtsbeistand Salem al-Shehhi, den man am 18. Juli im Büro der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit festgenommen hatte, als er dort um Informationen über seine Mandanten ersuchte.

Der jüngste Gefangene ist der seit Dezember 2012 inhaftierte 19-jährige Student Mohammed Salim al-Zumor. Der im September festgenommene Akademiker Dr. Hadef al-Owais ist Jurist und Universitätsprofessor. Er hatte sich öffentlich bereiterklärt, die Häftlinge zu vertreten. Der Richter Mohammed Saeed al-Abdouli ist ehemaliger Vorsitzender eines Berufungsgerichts in Abu Dhabi und wurde im Oktober inhaftiert. Der Generalstaatsanwalt der VAE gab am 27. Januar 2013 bekannt, die Anklagepunkte gegen die 94 Gefangenen stünden in Zusammenhang mit dem Versuch eines Regierungssturzes. Die Rechtsbeistände wurden bislang jedoch nicht über die genaue Anklage informiert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Al-Islah ist eine friedliche Gruppierung, die sich 1974 formierte und sich an der friedlichen politischen Debatte in den VAE beteiligt. Sie setzt sich für die strikte Einhaltung islamischer Grundsätze ein und es gibt keine Hinweise darauf, dass sie Gewalt einsetzt oder diese befürwortet. Sultan al-Qasimi, der Leiter der al-Islah, befindet sich seit seiner Festnahme im April 2012 in Haft. Im Juli verurteilte ein Gericht in Abu Dhabi den ehemaligen Richter und Angehörigen der al-Islah Dr. Ahmed al-Zaabi aus offenbar politischen Gründen wegen Betrugs zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe. Man geht davon aus, dass er in der Haft gefoltert oder in anderer Weise misshandelt wurde. Am 20. Februar 2013 hob ein Berufungsgericht die Freiheitsstrafe auf, erhielt die Geldstrafe jedoch aufrecht.

Im Juli 2012 gaben die Behörden der VAE an, "ausländische" Gruppierungen bedrohten die staatliche Sicherheit. Gleichzeitig begann eine zweite Verhaftungswelle, die bis Dezember anhielt. Die festgenommenen Personen erhielten nur stark eingeschränkten Zugang zu Rechtsbeiständen und ihre Familien ließ man über ihren Verbleib im Unklaren. Man drohte Familienmitgliedern mit Inhaftierung, und ein Rechtsbeistand wurde Opfer einer Verleumdungskampagne in den staatlichen Medien. Einige seiner Angestellten wurden schikaniert, andere aus dubiosen "Sicherheitsgründen" weggebracht.

Den Gefangenen wird nur selten erlaubt, ihren Rechtsbeistand und ihre Familien zu sehen. Das erste Treffen fand im November 2012 in den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit statt, und auch am 20. und 21. Februar soll es dort Treffen gegeben haben. Berichten zufolge war währenddessen die ganze Zeit ein Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend. Dies verstößt gegen geltendes Recht der VAE sowie gegen internationale Standards für ein faires Gerichtsverfahren.

Amnesty International liegen nicht bestätigte Informationen vor, nach denen einige oder gar alle der Gefangenen gefoltert oder in anderer Weise körperlich und seelisch misshandelt wurden, darunter auch Dr. Mohamed 'Abdullah al-Rokens Sohn Rashid al-Roken sowie sein Schwiegersohn Abdallah al-Hajeri. Im Januar 2013 wurden etwa 10 weibliche Familienangehörige von inhaftierten al-Islah-Mitgliedern befragt, zum Teil vier Stunden lang. Während der Befragungen verweigerte man ihnen eine rechtliche Vertretung.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte um die sofortige und bedingungslose Freilassung aller, die lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung oder der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit inhaftiert sind. Alle weiteren Personen sollen unverzüglich ein Gerichtsverfahren erhalten, das internationalen Standards für einen fairen Gerichtsprozess entspricht.
  • Teilen Sie bitte umgehend den Verbleib aller Gefangenen deren Familien und Rechtsbeiständen mit. Stellen Sie sicher, dass die Gefangenen vor Folter und anderer Misshandlung geschützt sind, Zugang zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und zu ihren Familien erhalten und bei Bedarf medizinisch versorgt werden.

APPELLE AN

STELLVERTRETENDER STAATSCHEF UND
MINISTERPRÄSIDENT
Shaikh Mohammad bin Rashid Al-Maktoum
Office of the Prime Minister
POB 2838, Dubai
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Highness / Exzellenz)
Fax: (00 971) 4 353 19 74
E-Mail: über
http://www.uaepm.ae/en/communicate/index.html

INNENMINISTER
Lt-General Sheikh Saif bin Zayed Al-Nahyan
Human Rights Directorate
POB 398, Abu Dhabi
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Excellency / Sehr geehrter Herr Innenminister)
Fax: (00 971) 4 398 11 19


KOPIEN AN

JUSTIZMINISTER
Dr Hadef bin Jua'an Al Dhaheri
Ministry of Justice
Al Khubirah, Sector 93, Street 5
P.O. Box 260
Abu Dhabi
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Excellency / Sehr geehrter Herr Justizminister)
Fax: (00 971) 2 681 06 80

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE
S. E. Herrn Jumaa Mubarak Jumaa Salem Aljunaibi
Hiroshimastraße 18-20
10785 Berlin
Fax: 030-5165 190


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. April 2013 keine Appelle mehr zu verschicken. Weitere Informationen zu UA-214/2012 (MDE 25/006/2012, 17. Juli 2012 und MDE 25/007/2012, 29. Juli 2012)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the UAE authorities to release immediately and unconditionally anyone held solely for peacefully expressing their beliefs or for carrying out their professional duties, and ensure that any others are charged and tried promptly in full accordance with international fair trial standards.
  • Urging them to immediately disclose the location of all those held to their families and lawyers, and to ensure that all detainees are protected from torture and other ill-treatment and have access to lawyers of their choice, their families and all necessary medical treatment.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Im Juli 2012 traten die VAE dem UN-Übereinkommen gegen Folter bei, erkannte allerdings die Befugnis des UN-Ausschusses gegen Folter, einzelnen Foltervorwürfen nachzugehen, nicht an. Die Regierung äußerte zudem einen Vorbehalt gegen das Übereinkommen. Ihrer Ansicht nach schließt die Vertragsdefinition von Folter nicht "Schmerzen und Leiden, die infolge rechtmäßiger Bestrafung entstehen" ein. Im Januar 2013 verkündete die Regierung der VAE am Vorabend einer Menschenrechtsüberprüfung durch die UN, dass 94 Staatsangehörige der VAE aufgrund versuchten Sturzes der Regierung angeklagt werden sollen. Die Verfahren gegen die 94 Personen sollen voraussichtlich am 4. März unter der Fallnummer 17/2013 beginnen. Bisher haben die Rechtsbeistände trotz der langen Haftzeiten ihrer Mandanten noch keine Unterlagen zu den Fällen erhalten. Unter den 94 Personen sollen sich 14 Frauen befinden, die derzeit gegen Kaution auf freiem Fuß sind.

Am 18. Februar 2013 verfassten Familienmitglieder der Gefangenen einen offenen Brief an die internationale Gemeinschaft, in dem sie ihre Sorgen wegen des fehlenden Besuchsrechts ausdrückten. Sie deuteten an, dass viele Gefangene in Einzelhaft gehalten werden, und verurteilten die Verunglimpfungskampagnen gegen die Häftlinge, die sich nicht verteidigen können.

Amnesty International befürchtet bereits seit Jahren, dass in den VAE unfaire Gerichtsverfahren abgehalten werden, die internationalen Standards für einen fairen Gerichtsprozess nicht gerecht werden, und hat dies immer wieder zum Ausdruck gebracht. Lesen Sie hierzu auch den englischsprachigen Artikel Amnesty International: Trial observer finds flagrant flaws in "UAE 5" trial case vom 31 Juli 2012 unter:
http://www.amnesty.org/en/news/uae-trial-observer-finds-flagrant-flaws-uae-5-case-2011-11-03.

Der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty, hat sich öffentlich gegen das scharfe Vorgehen der Behörden im Jahr 2012 in den VAE ausgesprochen. Sehen Sie hierzu:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=_zju9jBBOAg

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-214/2012-2, AI-Index: MDE 25/002/2013, Datum: 28. Februar 2013 - cw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2013