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AKTION/1375: Urgent Action - Indien, Drohende Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-033/2013, AI-Index: ASA 20/005/2013, Datum: 8. Februar 2013 - we

Indien
Drohende Zwangsräumung



Herr PRASHANT PAIKARY
ETWA 1.500 FAMILIEN AUS DEM BEZIRK
JAGATSINGHPUR IM BUNDESSTAAT ODISHA (EHEMALS ORISSA)

Etwa 1.500 Familien aus dem Bezirk Jagatsinghpur im indischen Bundesstaat Odisha droht die Zwangsräumung von Gemeindeland, das von ihnen landwirtschaftlich genutzt wird. Am 3. Februar setzten bewaffnete PolizistInnen und ein Regierungsbeamter unnötige Gewalt ein, um eine Demonstration in Govindpur aufzulösen.

Die von der Regierung von Odisha (ehemals Orissa genannt) durchgeführten Zwangsräumungen sind Teil von Bemühungen, 283 Hektar Land zu übernehmen, auf dem das südkoreanische Stahlunternehmen POSCO ein Stahlwerk errichten will. Laut örtlicher AktivistInnen erreichten zwischen 120 und 200 PolizeibeamtInnen und ein Beamter der Bezirksbehörden das Dorf Govindpur am 3. Februar um vier Uhr morgens. 150 DorfbewohnerInnen versammelten sich, um sie am Betreten des Dorfes zu hindern. AugenzeugInnen sagten Amnesty International, dass die PolizistInnen und der Regierungsbeamte mit Schlagstöcken auf die DorfbewohnerInnen einschlugen und dabei mindestens 25 Personen verletzten, darunter auch Kinder. Drei Frauen und ein älterer Mann erlitten schwere Verletzungen. Die PolizeibeamtInnen zerstörten außerdem Betel-Plantagen, die auf Gemeindeland angelegt worden waren, und die die Lebensgrundlage zahlreicher bäuerlicher Familien bildeten. Einige Bauern wurden für den Verlust entschädigt. Sie erklärten jedoch, dass die gezahlten Summen keinesfalls den ausgefallenen Erträgen entsprachen. Die BewohnerInnen von Govindpur protestieren seit dem 14. Januar 2013 friedlich gegen die Bestrebungen der Regierung, Gemeindeland zu übernehmen. Die Behörden haben bisher noch keine ergebnisorientierten Konsultationen mit den betroffenen Personen durchgeführt oder sie angemessen im Vorfeld über die Pläne informiert. Der örtliche Aktivist Prashant Paikary erklärte, dass die staatlichen Behörden die rechtmäßigen Nutzungsansprüche der örtlichen Gemeinschaften an dem Gemeindeland nicht berücksichtigt haben. Das geplante Stahlwerk verfügt nicht über die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltgenehmigungen der Zentralregierung. AktivistInnen sagen, dass die Behörden bisher ebenfalls nicht - wie gesetzlich vorgeschrieben - die Zustimmung von Gemeinschaftsinstitutionen bezüglich der Nutzung forstwirtschaftlicher Flächen für industrielle Projekte eingeholt haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Auf der Grundlage des indischen Gesetzes über Waldnutzungsrechte (Forest Rights Act) von 2008 ist Gemeindeland Dorfeigentum, das von den örtlichen Behörden verwaltet wird und von den örtlichen Gemeinschaften genutzt werden kann. Einige örtliche Gemeinschaften haben auf der Grundlage dieses Gesetzes Nutzungsansprüche auf derartiges Gemeindeland geltend gemacht. Die einzige Konsultation der Öffentlichkeit erfolgt im August 2007, als das Gesetz noch nicht in Kraft getreten war.

In zwei offiziellen vom indischen Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft in Auftrag gegebenen Untersuchungen wurden große Bedenken über die Versuche der Behörden geäußert, Gemeindeland zu übernehmen. Die Untersuchungen waren außerdem zu dem Schluss gekommen, dass das geplante Stahlwerk gegen Umwelt- und Küstenschutzgesetze Indiens verstößt und dass die potentiellen negativen Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung nicht ausreichend geprüft worden waren. Trotz dieser Untersuchungsergebnisse akzeptierten die Zentralbehörden die Erklärung der Behörden von Odisha, dass keine der in der Region lebenden Gemeinschaften Ansprüche auf Gemeindeland habe.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Beenden Sie alle Zwangsräumungen im Bezirk Jagatsinghpur und stellen Sie sicher, dass jegliche Räumungen im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards durchgeführt werden. Dazu gehört auch die ergebnisorientierte Konsultation der betroffenen Personen, um mögliche Alternativen zu Räumungen zu erörtern, die rechtzeitige Bekanntmachung und eine angemessene Entschädigung.
  • Ich fordere Sie auf, eine vollständige, unabhängige und unparteiische Untersuchung der unnötigen Gewaltanwendung durch PolizeibeamtInnen und einen Regierungsbeamten am Morgen des 3. Februar 2013 durchzuführen und die Verantwortlichen zu ermitteln und vor Gericht zu stellen.
  • Sorgen Sie dafür, dass die Verletzten sowie diejenigen, deren Eigentum zu Schaden gekommen ist, angemessen entschädigt werden und dass die bereits Vertriebenen Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln erhalten.
  • Erkennen Sie die individuellen und gemeinschaftlichen Ansprüche an forstwirtschaftlichem Land gemäß des Forest Rights Act an.
  • Stellen Sie zudem sicher, dass die Behörden in Absprache mit den Gemeinschaften eine umfassende Beurteilung der Einflüsse des POSCO-Projektes auf die Menschenrechte und die Umwelt durchführen.
  • Setzen Sie bitte den "Baustopp" wieder in Kraft, der 2011 aufgehoben wurde, um so sicherzustellen, dass das Projekt nicht weitergeführt wird bis die oben genannten Schritte durchgeführt worden sind und das Projekt gültige Umweltgenehmigungen erhalten hat.

APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT VON ODISHA
Mr. Naveen Patnaik
Naveen Nivas, Aerodrome Road
Bhubaneswar 751001, INDIEN
(Anrede: Dear Chief Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 91) 674 253 5100
E-Mail: cmo@ori.nic.in

MINISTERIN FÜR UMWELT UND FORSTWIRTSCHAFT
Mrs. Jayanthi Natarajan
Paryavaran Bhavan, CGO Complex
Lodhi Road, New Delhi 110 003, INDIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Frau Ministerin)
Fax: (00 91) 112 436 2222 oder (00 91) 112 436 2016
E-Mail: mosefgoi@nic.in


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDIEN
I. E. Frau Sujatha Singh
Tiergartenstr. 17
10785 Berlin
Fax: 030-2579 5102
E-Mail: dcm@indianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hindi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. März 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Stop all forced evictions in Jagatsinghpur district and ensure any evictions are carried out in accordance with international human rights standards, including genuine consultation with affected persons to identify alternatives to evictions, adequate notice and provision of adequate compensation.
  • Order a thorough, independent and impartial investigation into the unnecessary use of force by police and a government official on the morning of 3 February 2013 and hold those with command responsibility to account.
  • Ensure compensation to those injured and provide adequate compensation for the property damaged and effective remedies for those already forcibly evicted.
  • Recognize the individual and community claims to forest lands as stated in the Forest Rights Act;
  • Ensure the authorities carry out a comprehensive human rights and environmental impact assessment of the POSCO project, in consultation with local communities.
  • Reinstate the "stop work" order lifted in 2011 to ensure that no work begins on the project until these steps are taken, and the project receives valid environmental and forest clearances.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Das Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft erklärte zudem, dass jegliche Nutzung von forstwirtschaftlichem Land für nicht-forstwirtschaftliche Zwecke von den örtlichen Institutionen bewilligt werden muss. AktivistInnen haben erklärt, dass sich die örtlichen Einrichtungen geweigert haben, zu einer Nutzung der Grundstücke für den Bau des Stahlwerks zu geben.

Im März 2012 entzog das indische National Green Tribunal, ein auf umweltrechtliche Fragen spezialisiertes Gericht, POSCO die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die das südkoreanische Unternehmen für das geplante Stahlwerk erhalten hatte. Das Gericht erklärte, dass das Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft bei der Beurteilung der Einflüsse des Projektes auf die Umwelt schwerwiegende Fehler gemacht und "zurückbleibende und drohende ökologische Zweifel unbeantwortet gelassen" habe.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-033/2013, AI-Index: ASA 20/005/2013, Datum: 8. Februar 2013 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2013