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AKTION/1271: Urgent Action - Brasilien, Quilombo-Gemeinschaft in Gefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-328/2012, AI-Index: AMR 19/018/2012, Datum: 9. November 2012 - we

Brasilien
Quilombo-Gemeinschaft in Gefahr



33 FAMILIEN DER GEMEINSCHAFT DER QUILOMBOS IN SANTA MARIA DOS MOREIRAS

Die Quilombo-Gemeinschaft in Santa Maria dos Moreiras, im brasilianischen Bundesstaat Maranhão, wird bedroht. Bewaffnete Männer haben Schüsse nahe der Siedlung der Quilombolas abgefeuert. Die Drohungen sind Teil von systematischen Einschüchterungsversuchen, zu denen auch die Vernichtung von Ernteerträgen gehört, durch die die Lebensgrundlage der Gemeinschaft gefährdet ist.

Am 3. November näherten sich bewaffnete Männer mit zwei Motorrädern und einem Auto der Quilombo-Gemeinschaft in Santa Maria dos Moreiras, im Stadtbezirk Codó. Sie feuerten Schüsse in Richtung der 33 Familien der Gemeinschaft, bei denen es sich um die Nachfahren geflohener SklavInnen handelt. Der Angriff folgt einer Serie von Drohungen gegen die Gemeinschaft, die einem Lokalpolitiker zugeschrieben werden, der Land in diesem Gebiet besitzt.

Bewaffnete Männer hatten am 6. April die Palmenplantagen der Quilombolas in Santa Maria dos Moreiras verwüstet. Am 5. Mai beschwerte sich die Gemeinschaft bei der örtlichen Polizei darüber, dass ein Traktor bewaldete Flächen zerstöre. Am darauffolgenden Tag besuchte der Polizeichef die Gemeinschaft und erklärte, dass der Traktor in Begleitung von bewaffneten PolizeibeamtInnen den Wald weiter roden würde. Derselbe Polizeichef rief die örtliche NGO Comissão Pastoral da Terra an und bedrohte sie, nachdem diese Klage beim brasilianischen Ombudsmann für Landwirtschaft (Ouvidoria Agrária Nacional) eingereicht hatte.

Die Drohungen stehen in Zusammenhang mit Bestrebungen der Gemeinschaft, offiziell als Quilombo-Gemeinschaft anerkannt zu werden, was zur Enteignung von privatem Grundbesitz führen würde. Es gibt mehr als 400 Quilombo-Gemeinschaften in Maranhão, von denen bisher jedoch weniger als 30 offiziell anerkannt wurden. Viele dieser Gemeinschaften wurden in der Vergangenheit wegen ihres Kampfes um Landrechte bedroht und angegriffen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Quilombo-Gemeinden sind afro-brasilianische Siedlungen, die Ende des 16. Jahrhunderts in abgelegenen ländlichen Gebieten Brasiliens entstanden, als sich flüchtende und freigelassene SklavInnen (Quilombolas) der Sklaverei widersetzten. Die brasilianische Verfassung von 1988 (Artikel 215 und 216) und Artikel 68 der Übergangsbestimmungen erkennen das Recht der Nachfahren auf das Land an, das schon seit langem von den Quilombolas besiedelt ist. Artikel 68 legt fest, dass der endgültige Eigentumsanspruch der verbleibenden Angehörigen der Quilombo-Gemeinschaften anerkannt wird und der Staat ihnen die Landtitel zu übertragen hat ("Aos remanescentes das comunidades dos quilombos que estejam ocupando suas terras é reconhecida a propriedade definitiva, devendo o Estado emitir-lhes os títulos respectivos."). Auf einzelstaatlicher und Bundesebene wurde eine Reihe von Gesetzen erlassen, um festzulegen, wie die Demarkierung von Quilombo-Land und die Vergabe der Landrechte an die verbleibenden Gemeinden erfolgen sollen.

Am 30. Oktober 2010 wurde Flaviano Pinto Neto, ein Sprecher der im Bundesstaat Maranhão gelegenen Quilombo-Gemeinde Charco, mit sieben Schüssen in den Kopf getötet (siehe UA-244/2010 vom 24. November 2010). Auch GemeindesprecherInnen der Salgado Quilombo in Pirapemas sind bedroht worden (UA-369/2011).

Zusätzlich zu brasilianischen Rechtsvorschriften ergeben sich für Brasilien auch Verpflichtungen aus dem Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation, der Amerikanischen Menschenrechtskonvention und dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung. Brasilien ist Vertragsstaat dieser Übereinkommen, durch die die Ansprüche afrikanischstämmiger Gruppen auf kulturelle Rechte und Landrechte sowie auf Nichtdiskriminierung und Gleichheit vor dem Gesetz gewährleistet werden.

Es gibt über 3.000 Quilombo-Gemeinden in Brasilien. Hunderte Verwaltungsverfahren wurden vor dem Nationalen Institut für Landerschließung und Agrarreform (INCRA) eingeleitet, aber bis heute haben weniger als zehn Prozent der Gemeinden ihre Landtitel erhalten. SCHREIBEN SIE BITTE


LUFTPOSTBRIEFE UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
  • Ich fordere Sie auf, die Sicherheit der Quilombo-Gemeinschaft in Santa Maria dos Moreiras zu gewährleisten. Sorgen Sie bitte dafür, dass sämtliche Vorwürfe über Drohungen und die Zerstörung von Ernteerträgen untersucht werden.
  • Ich bitte Sie eindringlich das Verfahren zur Anerkennung der Landrechte der Quilombolas abzuschließen, um die Gefahren zu minimieren, denen die Gemeinschaft derzeit ausgesetzt ist.
  • Achten Sie die Rechte aller Quilombo-Gemeinschaften, um wirksam und langfristig deren Sicherheit zu gewährleisten.

APPELLE AN

MINISTERIN FÜR MENSCHENRECHTE
Exma. Secretaria Especial
Maria do Rosário Nunes
SCS Bloco B, Quadra 9, Lote C
Ed. Parque Cidade Corporate,
Torre "A", 10º Andar CEP,
70308-200 - Brasília/DF
BRASILIEN
(Anrede: Exmo. Sra. Ministra / Dear Secretary / Sehr geehrte Frau Ministerin)
Fax: (00 55) 61 2025 9414

GOUVERNEURIN VON MARANHÃO
Exma. Sra Governadora, Roseana Sarney
Palácio dos Leões - Av. Dom Pedro II, s/nº Centro
65.010-904 - São Luís/MA
BRASILIEN
(Anrede: Exma. Sra Governadora / Dear Governor / Sehr geehrte Frau Gouverneurin)
Fax: (00 55) 98 2108 9252 (Bitte sagen Sie: "Sinal de fax por favor")


KOPIEN AN

KIRCHLICHE MENSCHENRECHTSORGANISATION
FÜR LANDRECHTE
Comissão Pastoral da Terra - Maranhão
Rua do Sol, nº 457
Centro
CEP 65020-590, São Luís - MA
BRASILIEN

BOTSCHAFT DER FÖDERATIVEN REPUBLIK BRASILIEN
S.E. Herrn Everton Vieira Vargas
Wallstraße 57
10179 Berlin
Fax: 030-7262 83-20
oder 030-7262 83-21
E-Mail: brasil@brasemberlim.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Portugiesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 21. Dezember 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities to guarantee the safety of the Santa Maria dos Moreiras quilombola community and thoroughly investigate all allegations of threats and the destruction of crops.
  • Urging them to complete the process of land recognition so as to minimise the risks the community currently faces.
  • Calling on them to uphold the rights of all quilombola communities so as to promote their effective and long-term security.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-328/2012, AI-Index: AMR 19/018/2012, Datum: 9. November 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. November 2012