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AKTION/1238: Urgent Action - Syrien, Verletzter Mann in Haft gefoltert - Lebensgefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-314/2012, AI-Index: MDE 24/084/2012, Datum: 23. Oktober 2012 - ar

Syrien
Verletzter Mann in Haft gefoltert - Lebensgefahr



Herr OSAMA AL-HABALY

Der durch eine Mörsergranate verletzte Osama al-Habaly wurde am 18. August an der syrisch-libanesischen Grenze - vermutlich vom syrischen Militärgeheimdienst - festgenommen. Seitdem wird er ohne Kontakt zur Außenwelt unter Bedingungen in Haft gehalten, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Örtlichen Quellen zufolge wird er gefoltert und anderweitig misshandelt. Seine Verletzungen sind lebensbedrohlich.

Am 18. August wurde Osama al-Habaly im Westen Syriens nahe der Ortschaft Tell Kalakh an einem Grenzübergang zwischen Syrien und dem Libanon festgenommen. Er befand sich auf dem Heimweg aus dem Libanon, wo er sich mehreren Operationen unterzogen hatte. Am 4. April war Osama al-Habaly von einer Mörsergranate getroffen worden und musste daher seine schweren Verletzungen behandeln lassen.

Die syrischen Behörden haben bisher weder Gründe für die Festnahme von Osama al-Habaly angegeben noch seine Familie über seinen Verbleib oder Gesundheitszustand in Kenntnis gesetzt. Unklar ist außerdem, ob gegen Osama al-Habaly offiziell Anklage erhoben wurde. All dies verstößt gegen völkerrechtliche Bestimmungen. Die Familienangehörigen von Osama al-Habaly erfuhren erstmals im August etwas über seinen Verbleib. Ein damals kürzlich entlassener Häftling sagte, dass Osama al-Habaly sich in Homs im Gewahrsam des Militärgeheimdienstes befinde und dort gefoltert und in anderer Weise misshandelt werde. Vergangene Woche teilte eine andere Quelle der Familie mit, Osama al-Habaly sei in eine Abteilung des Militärgeheimdienstes in Damaskus überstellt worden, wo er ebenfalls gefoltert und anderweitig misshandelt werde. Nachdem Osama al-Habaly von einer Mörsergranate getroffen wurde, unterzog er sich bereits vier Operationen, in denen ihm mehrere Metallsplitter aus Kopf und Körper entfernt wurden. Dennoch befinden sich noch weitere Granatsplitter in seinem Körper, so z. B. in seinem Hals nahe der Halsschlagader, von denen die ÄrztInnen glauben, dass sie ein ernstes Gesundheitsrisiko darstellen und entfernt werden sollten. Osama al-Habaly muss sofort in ein Krankenhaus verlegt werden, wo er untersucht und medizinisch versorgt wird.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Familienangehörigen und FreundInnen von Osama al-Habaly zufolge wurde er am 4. April von einer Mörsergranate getroffen, als er sich auf dem Heimweg in den Homser Stadtteil al-Khalidiya befand - hierbei handelt es sich um einen Bezirk, in dem hauptsächlich SunnitInnen leben und der vor allem im Februar dieses Jahres von der syrischen Regierung stark beschossen wurde, um die bewaffnete Opposition zu vertreiben. Osama al-Habaly trug durch die Mörsergranate schwere Verletzungen sowie Lähmungen in der rechten Hand und im Nacken davon, weshalb er sich für medizinische Behandlung in den Libanon begab. Seit Ausbruch der Proteste im Februar 2011 sind tausende mutmaßliche GegnerInnen der syrischen Regierung festgenommen und viele, vermutlich sogar die Mehrzahl, gefoltert und anderweitig misshandelt worden. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 650 Menschen vor, die Berichten zufolge in dieser Zeit in Haft gestorben sind. Die Organisation hat außerdem zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Häftlinge gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Weitere Informationen finden Sie in dem Artikel "Systematische Folter in Syrien"
http://www.amnesty.de/presse/2012/3/14/systematische-folter-syrien

Die Situation hat sich inzwischen fast im gesamten Land zu einem internen bewaffneten Konflikt entwickelt. Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den Streitkräften und Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte sollen sich Menschenrechtsverstößen schuldig gemacht haben. So sollen sie u. a. gefangengenommene Angehörige der Armee und der Shabiha und auch vermeintliche RegierungsanhängerInnen und mutmaßliche InformantInnen entführt oder getötet haben. Außerdem sollen sie Zivilpersonen als Geiseln genommen haben, um so einen Gefangenenaustausch herbeiführen zu können. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstöße scharf und hat die Führungsebene sämtlicher in Syrien operierender bewaffneter Oppositionsgruppen dazu aufgerufen, derartige Handlungen in einer öffentlichen Bekanntmachung zu verbieten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit oppositionelle Gruppen keine Menschenrechtsverstöße mehr begehen.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie dringend bitten, den Verbleib von Osama al-Habaly bekannt zu machen und dafür zu sorgen, dass er in ein Krankenhaus verlegt wird, in dem er jede benötigte medizinische Versorgung erhält. Veranlassen Sie bitte, dass er nicht gefoltert und anderweitig misshandelt wird und unverzüglich sowohl zu seiner Familie als auch seinem Rechtsbeistand Kontakt aufnehmen darf.
  • Ich möchte mich zudem nach dem Rechtsstatus von Osama al-Habaly erkundigen und Sie nachdrücklich auffordern, ihn entweder unverzüglich einer international als Straftat anerkannten Handlung anzuklagen und in Übereinstimmung mit den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht zu stellen oder ihn andernfalls umgehend freizulassen.
  • Bitte leiten Sie umgehend eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe ein, Osama al-Habaly sei gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden, und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)

VERTEIDIGUNGSMINISTER
'Imad al-Fraij
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 223 7842 oder
(00 963) 11 666 2460 (Bitte sagen Sie "Fax")
(Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)

AUSSENMINISTER
Walid al-Mu'allim
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6253 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Frau Abir Jarf
Geschäftsträgerin a. i., Gesandte - Botschaftsrätin
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. Dezember 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Syrian authorities to reveal the whereabouts of Osama al-Habaly, and ensure that he is transferred to hospital where he is provided with all necessary medical care, is protected from torture or other ill-treatment, and is given immediate access to his family and lawyer.
  • Asking for clarification of Osama al-Habaly's legal status, and calling on the authorities to release him immediately if he is not to be charged with an internationally recognizable criminal offence, and tried according to international fair trial standards.
  • Calling on the Syrian authorities to promptly set up an independent and impartial investigation into the apparent torture or other ill-treatment of Osama al-Habaly and to bring anyone found responsible for abuses to justice.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Systematische und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mögliche Kriegsverbrechen sind mittlerweile in Syrien an der Tagesordnung, und die Zivilbevölkerung leidet am meisten darunter. Amnesty International hat zahlreiche solcher Fälle dokumentiert. Lesen Sie dazu auch den Artikel: Syrien: wahllose Attacken terrorisieren die Zivilbevölkerung, online unter
http://www.amnesty.de/2012/9/19/syrien-wahllose-attacken-terrorisieren-die-zivilbevoelkerung
oder den englischsprachigen Bericht Syria: Indiscriminate attacks terrorize and displace civilians, online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/078/2012/en

Auch andere Organisationen haben Menschenrechtsverletzungen in Syrien recherchiert und dokumentiert, so beispielsweise die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der UN zur Situation in der Arabischen Republik Syrien.

Amnesty International ruft vor diesem Hintergrund weiterhin dazu auf, die Situation in Syrien der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten; ein internationales Waffenembargo gegen das Land zu verhängen, um so zu verhindern, dass Waffen an die syrische Regierung geliefert werden; und die Vermögenswerte von Präsident al-Assad und seinen engsten Vertrauten einzufrieren. An Staaten, die Waffenlieferungen an die bewaffnete syrische Opposition erwägen, richtet Amnesty International den eindringlichen Appell, mit geeigneten Mechanismen sicherzustellen, dass mit den gelieferten Waffen keine Menschenrechtsverletzungen und/oder Kriegsverbrechen begangen werden. Amnesty International fordert darüber hinaus die syrische Regierung auf, dem internationalen unabhängigen Untersuchungsausschuss sowie internationalen Menschenrechtsorganisationen und humanitären Organisationen ungehinderten Zugang zu allen Teilen des Landes zu gewähren.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-314/2012, AI-Index: MDE 24/084/2012, Datum: 23. Oktober 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2012