Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1099: Urgent Action - Belarus - Journalisten droht fünfjährige Gefängnisstrafe


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-181/2012, AI-Index: EUR 49/007/2012, Datum: 26. Juni 2012 - gs

Belarus
Journalisten droht fünfjährige Gefängnisstrafe



Herr ANDRZEJ POCZOBUT

Der Journalist Andrzej Poczobut, der wegen Kritik am belarussischen Staatspräsidenten festgenommen worden ist, muss mit einer fünfjährigen Freiheitsstrafe rechnen. Es handelt sich bei ihm um einen gewaltlosen politischen Gefangenen. Die Verhaftung des Journalisten liegt allein darin begründet, dass er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat.

Andrzej Poczobut ist Korrespondent der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza und ein bekannter Aktivist der polnischen Minderheit in Belarus. Er wurde am 21. Juni in seiner Wohnung in Grodno im Westen von Belarus unter der Anschuldigung der "Verleumdung des Staatspräsidenten" festgenommen, ein Tatbestand, der nach Paragraph 367 (2) des belarussischen Strafgesetzbuchs strafbar ist. Die Anschuldigung stützt sich auf von Andrzej Poczobut verfasste Artikel, die in unabhängigen Presseorganen des Landes erschienen waren. Offiziell ist bislang noch keine Anklage gegen den Journalisten erhoben worden. Sollte sich Andrzej Poczobut einem Strafverfahren stellen müssen, droht ihm bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug. In seinen Artikeln hatte Andrzej Poczobut Strafverfahren und Urteil gegen Uladzislau Kavalyou und Dzmitry Kanavalau kritisiert, die im März 2012 im Zusammenhang mit einer Serie von Sprengstoffanschlägen in Belarus hingerichtet worden waren. Der Journalist hatte ferner die Haltung von Präsident Lukashenko gegenüber der Europäischen Union und die Reaktion der belarussischen Behörden auf die Welle "schweigender Proteste" im Land beanstandet. Am 21. Juni wurde die Wohnung von Andrzej Poczobut durchsucht, wobei Unterlagen und sein Computer beschlagnahmt wurden.

Im März 2011 erging gegen Andrzej Poczobut im Zusammenhang mit Beiträgen, die er für die Gazeta Wyborcza verfasst hatte, Anklage wegen "Beleidigung des Staatspräsidenten" und "Verleumdung des Staatspräsidenten". Am 5. Juli 2011 wurde der Journalist zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Amnesty International geht davon aus, dass die Festnahme von Andrzej Poczobut Teil eines seit langem zu beobachtenden Musters staatlicher Repression gegenüber zivilgesellschaftlich engagierten BürgerInnen und JournalistInnen darstellt. Nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2010 hat sich die Menschenrechtssituation im Land drastisch verschlechtert. Führende Oppositionelle wurden verhaftet, misshandelt und in unfairen Gerichtsverfahren abgeurteilt. Bis heute sehen sich regierungskritische NGOs, zivilgesellschaftlich engagierte AktivistInnen und JournalistInnen anhaltenden Schikanen ausgesetzt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 33 der Verfassung von Belarus wie auch in internationalen Abkommen, die das Land ratifiziert hat, garantiert. Die Einhaltung dieses Rechts ist somit gesetzlich vorgeschrieben. Einschränkungen bei der legitimen Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung unter Berufung auf das Strafgesetzbuch verstoßen nach Überzeugung von Amnesty International gegen die internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen von Belarus, insbesondere gegen Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Amnesty International ist es durchaus bewusst, dass nach Artikel 19 die Ausübung der verbrieften Rechte bestimmten Einschränkungen unterworfen werden kann, die für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer oder für den Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich sind. Andererseits schützt der genannte Artikel das Recht auch auf harte Kritik an VertreterInnen der Regierung und anderer staatlicher Institutionen. Die Strafvorschriften eines Landes dürfen daher nicht herangezogen werden, um kritische Äußerungen über VertreterInnen der Staatsmacht, anderer staatlicher FunktionsträgerInnen oder über die von ihnen getroffenen Entscheidungen zu unterbinden. Ebenso wenig dürfen Strafgesetze zur Einschüchterung von Menschen missbraucht werden, die staatliches Handeln auf legitime Weise beanstanden. Die Behörden in Belarus greifen aber zu eben diesem Zweck auf eine Reihe von innerstaatlichen Strafvorschriften zurück. Verleumdungsklagen können auf der Grundlage der Paragraphen 188 (Beleidigung), 189 (Beschimpfung), 367 (Verleumdung des Staatsoberhaupts), 368 (Beleidigung des Staatsoberhaupts) und 369 (Beleidigung eines Regierungsvertreters) erhoben werden. Im Falle ihrer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu zweijährige Freiheitsstrafen, Paragraph 367 sieht sogar bis zu fünf Jahre Haft vor.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte nachdrücklich um die sofortige und bedingungslose Freilassung von Andrzej Poczobut.
  • Ich darf Sie an Ihre Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen wie etwa Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte erinnern, in denen das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert ist.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Alyaksandr Lukashenka
Administratsia Prezidenta Respubliki Belarus
ul. Karla Marksa, 38
220016 Minsk
BELARUS
(korrekte Anrede: Dear President Lukashenka)
Fax: (00 375) 17 226 06 10 oder (00375) 17 222 38 72
E-Mail: contact@president.gov.by

GENERALSTAATSANWALT
Alyaksandr Koniuk
Internatsionalnaya str. 22
220050 Minsk
BELARUS
(korrekte Anrede: Dear General Prosecutor)
Fax: (00 375) 17 226 42 52
E-Mail: info@prokuratura.gov.by


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK BELARUS
S. E. Herrn Andrei Giro
Am Treptower Park 32
12435 Berlin
Fax: 030-5363 5923
E-Mail: germany@mfa.gov.by


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Belarussisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the authorities to release Andrzej Pozcobut immediately and unconditionally.
  • Urging them to guarantee the right to freedom of expression in line with their international human rights obligations, including Article 19 of the International Covenant of Civil and Political Rights.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-181/2012, AI-Index: EUR 49/007/2012, Datum: 26. Juni 2012 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2012