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REZENSION/517: Avi Primor, Christiane von Korff - An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld (SB)


Die Juden gibt es nicht




Der Mann ist ein Diplomat. Nicht nur, daß Avi Primor zwischen 1993 und 1999 als solcher für sein Land Israel in Bonn tätig gewesen ist, in seinem im März bei Piper erschienenen Buch mit dem schmunzelnden Titel "An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld" versucht er, auf eben diese Weise unter Einbezug persönlicher Erfahrungen sowie Einschätzungen und Stellungnahmen zur aktuellen Lage im Nahost-Konflikt im Gespräch mit der Kulturjournalistin Christiane von Korff, zwölf der gängigsten und hartnäckigsten Vorurteile über Juden auszuräumen, Vorurteile, die aus seiner Sicht zwar nicht oder nicht mehr so häufig offen ausgesprochen werden, "gleichwohl aber noch in vielen Köpfen herumspuken". (S. 10)

Juden strebten in verschwörerischer Weise nach der Weltherrschaft, beherrschten und manipulierten die Medien, beeinflußten und steuerten über ihre Lobby die amerikanische Politik, Juden hätten Jesus ermordet und sie seien die Urheber von Bolschewismus und Anarchie. "Die Idee vom Bolschewismus, d.h. die skrupellose Verwilderung und Auflösung jeder Kultur mit dem Zweck der Vernichtung der Völker ist im Gehirn von Juden erdacht. Die bolschewistische Praxis in ihrer schauderhaften, bluttriefenden Grausamkeit ist nur in Händen von Juden vorstellbar. [...] Immer wieder werden wir die Welt auf die jüdische Gefahr hinweisen und ihr zurufen >der Jude ist schuld<: Die Juden sind schuld!"(S. 221), zitiert Primor aus einem Werk des Antisemitismusforschers Wolfgang Benz. Diese Auffassung sei keineswegs mit dem Ende des Nationalsozialismus verschwunden und begründete "die Mär vom jüdischen Tätervolk". (S.241) Juden seien geldgierig und in finanziellen Dingen äußerst geschickt, sie scheuten selbst nicht davor zurück, das eigene Leiden während des Dritten Reiches in Form von Entschädigungsforderungen an den deutschen Staat in bare Münze zu wandeln. Dabei hätten sie - auch das ein Vorurteil - gerade aufgrund ihrer Leidenserfahrungen eine ganz besondere Verantwortung für den Einhalt moralischer Standards, seien in ganz besonderer Weise Menschlichkeit und Gerechtigkeit verpflichtet. "Aber weder vor noch während, noch nach dem Holocaust waren Juden durch das ihnen angetane Leid geläuterte Wesen - und sie sind es bis heute nicht. Schon die Voraussetzung dieses Denkens, dass Leid zu erfahren den Menschen menschlicher, fühlender, besser mache, ist falsch." (S. 159)

"Ausgezeichnet" zu werden, indem man zur moralischen Instanz überhöht wird, sei ebenfalls Ausgrenzung - wenn auch mit anderem Vorzeichen, meint der Autor. Aus der Erfahrung von Vertreibung und Vernichtung hätten die Juden in erster Linie die Konsequenz gezogen, die eigene Sicherheit und das Überleben über Fragen der politischen Moral zu stellen, eine Haltung, die keine spezifisch jüdische sein dürfte, sondern sich vielmehr überall da finden läßt, wo Menschen sind.

Gegen den Vorwurf einer von jüdischen Kreisen gesteuerten US-Politik führt Primor ins Feld, daß die USA vor 1967 eine eher ablehnende Haltung gegenüber Israel eingenommen habe und die heutige Unterstützung in erster Linie amerikanischen und nicht jüdischen Interessen diene. So stecke hinter der israelisch-amerikanischen Beziehung keine jüdische Lobby in den USA, sondern das Bedürfnis nach einem verläßlichen Partner in dieser für die Weltmachtpolitik Amerikas strategisch äußerst bedeutsamen Region. Auch in den Medien sei die jüdische Präsenz weltweit eher gering. Selbst da, wo hinter Medienunternehmen jüdische Familien stünden wie etwa bei der New York Times, die oft in diesem Zusammenhang zitiert werde oder einigen Filmstudios Hollywoods, seien diese doch in erster Linie amerikanische Patrioten und nicht pro-israelisch, wie überhaupt die internationale Presse eher israel-kritisch sei, auch dann, wenn die Korrespondenten Juden sind.

Als in den 90er Jahren in die Schlagzeilen geriet, Schweizer und auch deutsche Banken hätten jüdische Vermögen einbehalten, statt sie den Opfern des Holocaust bzw. deren Nachkommen herauszugeben, erwies sich bald, daß diese Praxis keineswegs eine außerisraelische Spezialität war, sondern Gangart auch im Land der Opfer selbst. Die Angelegenheit führte zu einer Jahre andauernden Untersuchung in Israel, die das Buch ausführlich schildert. Der Autor resümiert: "Banken sind Finanzinstitute, deren vorrangiges Ziel es ist, ihr Vermögen zu bewahren und ihre Gewinne zu maximieren. Sie sind alles andere als Wachhunde der Gerechtigkeit. Selbst das magische Wort "Shoah" konnte an dieser Tatsache nichts ändern, nicht einmal im Staat der Juden." (S. 154)

Primor argumentiert in aufklärerischer und auf Verständnis abzielender Absicht, faktenreich und quellengestützt, kritisch, aber gleichermaßen vermittelnd. Sein Tenor: Antworten zu geben auf nach wie vor aktuelle Mißverständnisse, ein freieres Verhältnis zwischen den Völkern, vornehmlich Juden und Deutschen zu befördern, einen differenzierteren Blick auf die Juden selbst zu eröffnen, die Relativierung ihrer von außen oktroyierten wie auch selbst reklamierten Besonderheit, aber auch die Erklärung jüdischer Empfindlichkeiten aus der Geschichte, ohne sie gutheißen zu müssen. Damit reiht er sich, wenngleich in gemäßigter Form, ein in die wachsende Zahl der Juden, die ihr Volk und die Politik seiner Regierung kritisch sehen.

Dafür, daß sich mit Aufklärung allein, d.h. mit der Verbreitung von Fakten und beweisbaren Gegenrealitäten, Vorurteile nicht entkräften lassen, ist deren Funktionalität doch in der Not und Notwendigkeit des Menschen begründet, umzulasten, gibt der Autor selbst gleich zu Anfang des Buches ein deutliches Beispiel: Die "Geheimen Protokolle der Weisen von Zion", einer angeblichen Geheimkonferenz von Rabbinern, die beraten, wie sie die Weltherrschaft an sich reißen können, wurden längst und nachweislich als Konstrukt im Auftrag der russischen Geheimpolizei entlarvt, die gegen eine Bedrohung des zaristischen Regimes von innen eine Bedrohung von außen kreieren und damit die Bevölkerung von ihrer mißlichen Lage ablenken wollte. Nach dieser Legende stecken die Juden sowohl hinter den internationalen Finanzmärkten und den Medien, als auch urheberschaftlich hinter der französischen Revolution, dem Liberalismus, dem Sozialismus und der Anarchie.Eine Satire, die sich ursprünglich gegen den französischen Kaiser Napoleon III. richtete, wurde umgeschrieben und auf eine jüdische Weltverschwörung gemünzt. Obwohl inzwischen mehrfach widerlegt und als Fälschung enttarnt, tut sie bis heute ihren Dienst im schmutzigen Geschäft von Verleumdung und Diffamierung und gilt als die wirkmächtigste Beförderung des Antisemitismus, heute vornehmlich, so Primor, im Dienste eines neu entstandenen islamischen Antisemitismus.

"Wie absurd der Gedanke ist, Juden seien eine verschwörerische, international agierende Gemeinschaft, wird offensichtlich, wenn man weiß, wie Juden leben und was ihre Werte und Kriterien sind. Hier bewahrheitet sich das schöne Sprichwort: >Wenn drei Juden zusammensitzen, gibt es vier verschiedene Meinungen.<"( S.36-37) Selbst frühe Bestrebungen zur Gründung eines eigenen, jüdischen Staates gegen Ende des 19. Jahrhunderts seien keineswegs bei allen Juden auf Gegenliebe gestoßen, und zwar aus vielerlei Gründen, sei es, daß sie sich eher als Bürger des Staates sahen, in dem sie lebten, sei es, daß sie sich einen Judenstaat nur göttlich initiiert vorstellen konnten. Der vereinfachenden Sicht von "den" Juden setzt der Autor auch hier die Darstellung der verschiedenen Strömungen und Auffassungen entgegen.

Das Kapitel über die Auseinandersetzungen um Entschädigungszahlungen an die Opfer des Holocaust ist mit über 40 Seiten das längste im Buch. Primor zeigt auf, daß es die überwiegende Mehrheit der Betroffenen ganz und gar nicht im Sinn gehabt hätte, in Deutschland um Entschädigung anzustehen, ja daß es mit dem jüdischen Selbstverständnis unvereinbar gewesen wäre, sogenanntes 'Blutgeld' anzunehmen. Erst die wirtschaftliche Zwangslage, hervorgerufen durch den politischen und wirtschaftlichen Boykott des Auslands als Reaktion auf die Staatsgründung, hätte die israelische Regierung veranlaßt, das Thema anzugehen, zunächst aber nicht auf direktem Wege an die deutsche Adresse, sondern über die Alliierten. Erst viel später habe man sich dazu entschlossen, ermutigt u.a. durch den offenen Umgang eines Kanzlers Adenauer mit der deutschen Vergangenheit, direkte Verhandlungen mit der Bundesrepublik aufzunehmen, auch dies zunächst und um die israelische Öffentlichkeit nicht zu brüskieren, hinter verschlossenen Türen. Die sehr dezidierte Darstellung Primors der Jahrzehnte andauernden Verhandlungen gerät zu einem Lehrstück über den "kleinkrämerisch-juristischen Charakter" (S. 106) staatlicher Bürokratie im Umgang mit berechtigten Entschädigungsforderungen und dem Versuch, sich ihrer zu entledigen. So blieb von den ursprünglich geforderten 6 Milliarden Dollar (S.97) am Ende nur ein Bruchteil übrig. Aber auch hier schlägt Primor versöhnliche Töne an:

Obwohl die Entschädigung der Shoah-Überlebenden weit davon entfernt ist, ideal zu sein, darf die Bundesrepublik ein in der Geschichte einzigartiges Recht für sich verbuchen: Sie hat die Verantwortung für das vergangene Verbrechen der Deutschen auf beispiellose Weise akzeptiert und sich bemüht, ihre Opfer zumindest minimal zu entschädigen. [...] Die Bundesrepublik entschädigt nicht nur Privatpersonen, sie hat sogar einen Staat entschädigt, der während des Krieges überhaupt nicht existierte, gegen den sie also keinen Krieg führen konnte. Die deutsche Wiedergutmachung gilt nun für die Welt als juristischer Präzedenzfall. Vor allem aber haben die Bundesrepublik und ihre Bürger den quälenden Prozess einer Gewissenserforschung auf sich genommen und sollten somit als Vorbild dienen.
(S. 133)

Bei aller Bemühung um einen ausgewogenen Blick ist die Parteinahme des Autors für sein Volk nicht zu übersehen. Und sie ist legitim, sofern ihr Ansinnen nicht die Verteidigung und Rechtfertigung völker- und strafrechtlicher Mißgriffe ist. Die Gründung des Staates Israel stand aus der Sicht Avi Primors von Anfang an unter dem Primat und der Notwendigkeit, sich gegen Angriffe und Vernichtungsabsichten von außen zur Wehr setzen zu müssen. Was andere als Aggression bezeichneten, sei aus der Sicht und im Empfinden der Juden Israels bloße Verteidigung, verbunden mit einem tiefen, aus Scham gespeisten Willen, sich nie wieder als Opfer zur Schlachtbank führen zu lassen. Es gibt inzwischen auch andere, weitaus kritischere Stimmen jüdischer Publizisten, Historiker und Philosophen zum Vorgehen Israels. Verwiesen sei, um nur einige zu nennen, auf Veröffentlichungen von Simcha Flapan, der die 'Gründungsmythen' Israels zu widerlegen sucht, den kontrovers diskutierten Ilan Pappe, der von einer ethnischen Säuberung Palästinas bereits im Vorfeld der Staatsgründung spricht, Tom Segev, für den die Staatsgründung Israels bereits 1917 mit der Balfour-Deklaration zu Lasten der palästinensischen Bevölkerung beginnt, Shlomo Sand, der das jüdische wie andere Völker eine mythisch generierte Konstruktion und nicht das Ergebnis historischer Tatsachen nennt oder Moshe Zuckermann, der sich gegen eine ideologische Instrumentalisierung des Antisemitismus-Begriffs ausspricht. Wer immer aber auf Verständigung abzielt, muß zur Bewältigung dieser fast unlösbar scheinenden Herausforderung sicherlich subjektive Realitäten und Bewußtseinslagen mit ins Visier nehmen. Man hätte sich auch für die Seite der Palästinenser eine differenziertere und entsprechende Befindlichkeiten konzidierende Darstellung gewünscht statt einer verkürzenden Feststellung, durch die Ablehnung früher Vorschläge für eine Zweistaatenlösung die reale Chance auf einen eigenen palästinensischen Staat selbst vertan zu haben.

Wenn mit der Shoah ein Sonderstatus des jüdischen Volkes begründet wird, darf nicht übersehen werden, daß auch andere Völker, obwohl nicht mit vergleichbar industrialisierter und bürokratisierter Brutalität und Zynik, so doch nicht weniger grausam einem Genozid zum Opfer fielen - man denke beispielsweise an die endlich geführte Diskussion um den Völkermord an den Armeniern, dessen Anerkennung bzw. Nichtanerkennung zwischen der Türkei und den USA zu erheblichen Spannungen führte oder an die Massaker an Tausenden von Kurden, die bis heute nicht als Völkermord ins öffentliche Bewußtsein gelangt sind. Vergleichbarer noch mit dem Schicksal der Juden ist die Geschichte der Roma und Sinti, die, über Jahrhunderte durch Flucht und Vertreibung über die ganze Welt verstreut, ebenfalls und bis heute ein 'Volk ohne Land' sind und unter dem Nationalsozialismus deportiert und umgebracht wurden. Ihre Geschichte ist viel später und in bislang weit weniger umfangreichen Maße aufgearbeitet worden. Noch 1956 urteilte der Bundesgerichtshof, ihre Deportation in die Konzentrationslager sei keine rassistische, sondern eine präventive Maßnahme zur Verbrechensbekämpfung gewesen, und bis heute sind die Sinti und Roma weder vollständig rehabilitiert noch entschädigt.

Daß die Sonderrolle der Juden nicht nur einer Außensicht, sondern auch einem Selbstbild entspricht, wurzele, so Avi Primor, tief in jüdischer Tradition und Gesellschaft. Dabei meine das Prädikat des "Auserwähltseins", das oft genug die Vorlage zur Begründung rassistischer Ressentiments abgab, im jüdischen Selbstverständnis nicht, daß die Juden bessere Menschen seien, sondern bestenfalls einen Auftrag, sich in ganz besonderer Weise nach den Gesetzen Gottes zu richten und anderen damit ein Beispiel zu geben. "Die jüdische Religion hatte nie den Ehrgeiz, die Welt zum Judentum zu bekehren wie zum Beispiel das Christentum oder der Islam. Noch weniger hatte sie die Absicht, andere zu beherrschen. Juden haben ihre Religion immer als die Religion einer kleinen Minderheit verstanden, der man sich freiwillig anschließen kann, die aber dennoch die Religion einer Minderheit bleiben würde. Und auch das ist mehr als eine jüdische Tradition, das ist ein klarer göttlicher Befehl in der Bibel." (S. 192) Auch andere Völker würden dieses Selbstverständnis einer überlegenen Sonderheit kennen, so der Autor, die Deutschen, schon vor dem Nationalsozialismus, Japaner, Chinesen, Griechen oder Polen und Amerikaner, die sich weltweit zu Agenten für Freiheit und Demokratie machten. Der Kolonialismus sei die kriegerische und auf Eroberung ausgerichtete Variante solchen Denkens. Allerdings werde allein den Juden solche Haltung zum Vorwurf gemacht.

Es sind ihre Jahrtausende alten Erfahrungen, besonders die des Holocaust, die Israelis auf jegliche geäußerte Kritik leicht mit dem Anwurf des Antisemitismus antworten lassen. "Wem das übertrieben vorkommt," so Primor, "der muß berücksichtigen, dass Juden angesichts ihrer langen, bitteren Geschichte so anfällig und verletzlich sind - auch aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen im Nahen Osten. Seit Gründung ihres Staates im Jahr 1948 leben sie im Kriegszustand, unter teilweiser Belagerung und oft unter Terror. Auf diese Weise versteht man die Leichtfertigkeit, mit der man jeden Kritiker des Antisemitismus beschuldigt, besser. Man kann die Sicht, auch hinter berechtigter Kritik Antisemitismus zu vermuten, nachvollziehen, rechtfertigen kann man sie jedoch nicht." (S. 178-179) Ein wiedererstarkender Antisemitismus ließe sich mit Verweis auf zahlreiche Studien - auch deren Ergebnisse im Buch ausführlich geschildert - zumindest für Deutschland und Europa nicht feststellen, eher eine gestiegene Sensibilität für Diskriminierung und Vorurteile gegen Juden. Primor warnt allerdings vor einem neuen Antisemitismus islamischer Prägung, bei dem sich antijüdische Traditionen mit einer antiisraelischen Haltung im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt mischten.

Zum 62. Jahrestag der Gründung Israels schrieb der Schriftsteller und Friedensaktivist Uri Avnery unlängst, ein Frieden zwischen Palästinensern und Israelis scheitere daran, daß keine Seite ihn für machbar hielte. Dieser Mangel an Glauben sei das Ergebnis von 120 Jahren Konflikt, eine endlose Kette von Gewalt, Kriegen und Krisen, für die jede Seite die andere verantwortlich mache. Und er sei sehr bequem. Ohne Chancen bestünde keine Notwendigkeit, etwas zu tun. (1)

Avi Primor hält einen Frieden in Nahost für möglich, so auch der gleichlautende Titel seiner im April bei der Körber Stiftung erschienenen Nachfolgeschrift (2), die Mehrheit der Israelis befürworte ausdrücklich eine Zwei-Staaten-Lösung. Über den Weg zu einem solchen Frieden spricht er am Ende des Buches mit Christiane von Korff. Dazu gehört für ihn, was zwischen Menschen scheinbar am nächsten liegt und oft doch so unmöglich erscheint: Begegnung. Wie eine unterdessen wachsende Zahl von Einzelpersonen und Initiativen auf beiden Seiten des Konflikts liefert auch Avi Primor in schwierigen Zeiten einen praktischen Beitrag. Zusammen mit dem palästinensischen Philosophieprofessor und Politiker Sari Nusseibeh hat er ein Universitätsprojekt in Kooperation mit Hochschulen in Herzliya, Ost-Jerusalem und Amman ins Leben gerufen, das palästinensische wie israelische Studenten in einem gemeinsamen Studiengang zusammenführt. Was wegen der Gefährdung vorerst nur als Videokonferenz zwischen den drei Orten begann, soll nun an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, deren Hochschulratsmitglied Primor seit 2007 ist, auf neutralem Boden und in direkter Begegnung seine Fortsetzung finden. "Frieden können nur die Regierungen beider Seiten herstellen. Wir versuchen mit unserem Projekt zur Verständigung zwischen zwei Völkern beizutragen. Nur durch persönliche Verbindungen, durch das Kennenlernen kann man Angst und Hass abbauen. Ohne das Beseitigen von Misstrauen wird jeder politische Frieden nur vorübergehend sein." (S. 287)


Anmerkungen:
(1) Uri Avnery, "Ein Geburtstagsgeschenk", veröffentlicht zum 20. April 2010 im
Schattenblick -> INFOPOOL -> POLITIK -> MEINUNGEN, STANDPUNKT/014
(2) Avi Primor, Frieden in Nahost ist möglich, Deutschland muß Obama stärken, edition Körber Stiftung, Hamburg 2010

27. April 2010


Avi Primor, Christiane Korff
An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld
Deutsch-Jüdische Missverständnisse
Piper Verlag, München 2010
gebunden, 307 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-492-04698-5