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REZENSION/393: Olaf Kirschnik - Pflegetechniken von A-Z (SB)


Olaf Kirschnik


PFLEGETECHNIKEN von A-Z



Nach zahlreichen Ausbildungen im medizinischen Bereich hat Olaf Kirschnik seine Erfahrungen als praktizierender Pflegender und langjährige Lehrkraft in "Pflegetechniken von A-Z" festgehalten.

Neben dem Beruf des Krankenpflegers hat der Autor eine Zusatzausbildung in Anästhesie- und Intensivmedizin und eine Ausbildung zum Rettungssanitäter und Rettungsassistenten gemacht, sich zum Lehrer für Pflegeberufe und Entbindungspflege und zum Lehrrettungsassistenten weitergebildet. Seit 1979 leitet er die Berufsfachschule für Pflegeberufe am Kreiskrankenhaus in Tauberbischofsheim.

"Pflegetechniken von A-Z" erschien erstmals 2001 im Georg Thieme Verlag. In dieser nunmehr dritten Auflage wurde es neu bearbeitet und auf Wunsch zahlreicher Pflegender um Themen aus der Alten- und Kinderpflege erweitert. Es soll als Hilfe dienen, die Praxis zu bewältigen bzw. Pflegeabläufe zu erlernen. Da es ausschließlich um die praktische Arbeit des Gesundheits- und Krankenpflegers geht, kann es ein ausführliches Lehrbuch nicht ersetzen und das soll es auch nicht. Dem Buch liegt eine DVD mit 72 Filmen bei, so daß Schüler und Ausbilder die Möglichkeit haben, die Unterweisungen praxisbezogener zu erleben.

Der Autor hat alle grundlegenden Techniken aus dem Berufsleben Pflegender herausgegriffen. Neben "Schlafanzugwechsel bei Patienten mit laufender Infusion", "Bettenmachen", "Medikamente richten", "Ganzkörperwaschung" oder "Haarwäsche im Bett" finden sich "Blasenkatheterismus", "Intubation", "Magen - Ernährungssonde" und vieles mehr.

Um ein schnelles Nachschlagen zu ermöglichen, wurde alphabetisch vorgegangen und die einzelnen Techniken nach einem immer gleichbleibenden Schema erläutert, das die Reihenfolge der einzelnen, dem Pflegenden wohlvertrauten, Arbeitsschritte widerspiegelt, denn in dem ausgesprochen verantwortungsvollen Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege muß in der Praxis wohldurchdacht und geordnet vorgegangen werden. Diese Schritte zu beachten gewährleistet eine bestmögliche, komplikationsarme Versorgung des Patienten.

Jede Technik wird also defininiert (Definition), ihr Sinn und Zweck erläutert, d.h. das Ziel bestimmt (Ziele); darüber hinaus geht es darum, in welchem Falle die entsprechende Maßnahme durchgeführt werden sollte (Indikation). Besonders wichtig für den reibungslosen Verlauf der Pflegemaßnahme ist die "Vorbereitung der (benötigten) Materialien". Anschließend geht es um die "Durchführung", was unter anderem hygienisches Arbeiten, Informieren und Vorbereiten des Patienten beinhaltet. Zur Pflege gehört allerdings auch die "Nachbereitung", d.h. Umsichtigkeit vor dem Verlassen des Patienten: Ist dieser ausreichend versorgt, ist alles sorgfältig entsorgt, wurde alles dokumentiert und für die nächste Pflegeperson übersichtlich hinterlassen? Das verantwortungsvolle Arbeiten schließt den "Blick zurück" ein, mit dem sich der Pflegende abschließend eines korrekten Pflegeverlaufs versichert. Zahlreiche Fotos inmitten der Erläuterungen verdeutlichen Pflegemaßnahmen bzw. Pflegeabläufe.

Mit "M" für "Merke" wird Wissenswertes hervorgehoben, "P" steht für "Praxistips", das Bild einer Kamera zeigt an, ob die Technik sich als Film auf der beigefügten DVD befindet. Des weiteren gibt es Verweise auf Begriffe, die im Glossar nachgeschlagen werden können, wie beispielsweise "Portkanüle", "Prävention", "Wehenhemmung", "Sepsis", "Zyanose" u.a. Die zusätzlichen Erläuterungen im Glossar ermöglichen es, im Hauptteil konzentriert vorzugehen, d.h. das Augenmerk bleibt auf die Pflegetechniken gerichtet.

Pflegetechniken und Glossar sind deutlich anhand eines blauen bzw. orangenen Farbstreifens am oberen Blattrand zu erkennen, wobei die äußere Ecke - ebenfalls zur besseren Übersicht - mit den Buchstaben des Alphabets versehen wurde. Das Inhaltsverzeichnis gibt alphabetisch die einzelnen Pflegetechniken wieder und nicht zuletzt läßt sich im Sachverzeichnis am Ende des Buches möglicherweise Gesuchtes finden. Alle Techniken, die unter einem Buchstaben zusammengefaßt sind, haben ein eigenes Deckblatt. Auch diesem ist zu entnehmen, welche Techniken behandelt wurden, also beispielsweise unter "T": Temperatur messen, Thromboseprophylaxe, Tracheostoma (Umgang) und Transfusion (Umgang).

Olaf Kirschniks Buch ist zweifellos sehr übersichtlich gestaltet. Dennoch fragt man sich nach dem Sinn eines derart speziell auf Pflegetechniken bezogenen Werkes, da es heute im Bereich der Pflege zahlreiche Lehrbücher und Nachschlagewerke gibt, die zugleich den für Pflegekräfte ebenso wichtigen medizinischen Hintergrund vermitteln. Der Autor selbst erklärt dazu: "Als Schüler wollen Sie wissen wie "es" gemacht wird, als Praxisanleiter wollen Sie zeigen, worauf es ankommt, im Beratungsgespräch wollen Sie anschauliches Bild- und Filmmaterial zeigen".

Dem läßt sich im Prinzip nicht widersprechen. Dennoch muß man den Erfolg eines solchen Buches wohl maßgeblich auf die veränderten Strukturen unseres Gesundheitssystems zurückführen. Die Reformen der letzten zwanzig, dreißig Jahre haben sich auf die Situation alter, kranker und behinderter Menschen verheerend ausgewirkt und auch die Situation der Pflegenden verändert. Es mangelt nicht nur an Pflegekräften (u.a. durch Streichung von Arbeitsplätzen im Zuge der Privatisierung von Krankenhäusern), es mangelt den Pflegenden zugleich an Zeit aufgrund neu zu bewältigender, verwaltungstechnischer Aufgaben (Pflicht zur ausführlichen Dokumentation vorrangig aus Abrechnungsgründen). Im Zuge dessen ist es zu einer katastrophalen Vernachlässigung unter anderem auch in der Grundpflege der Patienten gekommen, da seit der Einführung der Pflegeversicherung in den neunziger Jahren die von den Kassen zu erstattenden Leistungen ausschließlich nach ökonomischen Gesichtpunkten festgelegt werden - hier klaffen angeblicher und realer Bedarf weit auseinander. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1993 wurde zudem aus Kostengründen festgelegt, daß der ambulanten Versorgung vor der stationären Pflege Vorrang einzuräumen ist. Diese Regelung, die Leistungsausgrenzungen der Krankenkassen und die hohen Kosten für Pflegeheime haben dazu geführt, daß Pflege heute zunehmend von Angehörigen im häuslichen Bereich praktiziert wird oder durch die bereits in den achtziger Jahren entstandenen ambulanten Pflegedienste. Mit den neuen Strukturen haben sich die Aufgabenbereiche von Pflegenden geändert. Den heutigen Gesundheits- und Krankenpflegern obliegt nun nicht nur die Pflege Kranker, sie sind mittlerweile auch für Gesundheitsfürsorge und Prävention zuständig und müssen informieren und anleiten.

Es ist also ein neuer Bedarf bezüglich der Unterweisung Pflegender entstanden. Neben der Information durch die ambulant Pflegenden bieten die Pflegekassen Kurse speziell für Angehörige an, in denen sie in Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden und auch Kirchen Beratung jedweder Art bieten sowie Pflegetechniken vermitteln. Hier bildet das Buch "Pflegetechniken von A-Z" eine gute Unterrichtsgrundlage.

Olaf Kirschnik geht bei der Vermittlung der Pflegetechniken ausgesprochen gewissenhaft vor. Er versäumt es beispielsweise nicht, unter "Medikamente richten" darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, sich bei dieser Arbeit nicht ablenken zu lassen und mehrfach zu kontrollieren, was man tut, um hier eventuell lebensbedrohliche Fehler zu vermeiden. Er gibt schulbuchmäßig und unter ethischen Gesichtspunkten wieder, wie Pflege aussehen sollte: Immer sind die Bedürfnisse und das Wohlergehen des Patienten zu berücksichtigen. Beispielsweise rät er

So intensiv wie Sie während der GKW [Ganzkörperwaschung, Anm. d. Schattenblickredakt.] Zeit mit dem Patienten verbringen, tun Sie dies meist den Rest des Tages nicht mehr. Hier ist die beste Gelegenheit zur intensiven Hautbeobachtung und zur ungestörten Kommunikation [verbal, nonverbal]...
(S. 126)

Doch welcher Pflegende kann sich, wo Pflege nur noch unter ökonomischen Gesichtspunkten geleistet werden darf, an diesen Rat halten? Die Pflicht zur Dokumentation hat den praktischen und materiellen Aufwand in der Pflege der Kontrolle unterworfen und auf ein unmenschliches Maß heruntergebrochen.

Es läßt sich nur mutmaßen, warum Olaf Kirschnik sich in keiner Weise zu den in der Pflegepraxis herrschenden Mißständen äußert. Während seiner jahrzehntelangen beruflichen Laufbahn in unterschiedlichsten medizinischen Bereichen können Wandel und Auswirkungen der Gesundheitspolitik von ihm kaum unbemerkt geblieben sein.

Als Lehrkraft in der Gesundheits- und Krankenpflege und zudem als Buchautor trägt er eine hohe Verantwortung. Diese wahrzunehmen hieße, als Praxisanleiter sein Gegenüber ernstzunehmen, indem er die zahlreichen Widersprüche, Diskrepanzen und Probleme, auf die der Pflegende treffen wird, anspricht. Darauf aufmerksam zu machen, daß Anspruch und Wirklichkeit in der Pflege heute weiter auseinanderklaffen denn je, gäbe allen Schülern und sonstigen in der Pflege tätigen Personen die Chance, einen kritischeren Blick zu entwickeln und sich über das erforderliche hohe Engagement und eine starke Durchsetzungsfähigkeit nichts vorzumachen.

27.06.2007


Olaf Kirschnik
PFLEGETECHNIKEN von A - Z
Georg Thieme Verlag, Stuttgart
3. Auflage 2006
506 Seiten, 24,95 Euro
ISBN 3-13-127273-2
ISBN 978-3-13-127273-7