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REZENSION/308: DUDEN Basiswissen Schule - Musik (Lexikon) (SB)


Prof. Dr. Peter Wicke (Hr.)


DUDEN

Basiswissen Schule

Musik



Jugendliche zwischen 12 und 20 für Musik zu begeistern, ist nicht schwer, eine größere Herausforderung schon, sie für das Wissen um und über die Musik zu interessieren.

Der Duden "MUSIK - Basiswissen Schule" richtet sich an Schüler von der 7. Klasse bis zum Abitur. Das Buch beansprucht, "alle wichtigen Unterrichtsinhalte - kurz und knapp" wiederzugeben. In der Art seiner Gestaltung orientiert es sich am neuesten didaktischen und methodischen Stand, so daß der Buchausgabe dieses Musik-Dudens die Software nicht fehlt, mit der die Schüler ihnen vertraute Arbeitswege am PC beschreiten können.

Buch und CD-Rom sind ähnlich gegliedert, allerdings bietet das Computerprogramm mit seinen naturgemäß um ein Vielfaches größeren Kapazitäten zudem die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Suchbegriffen weiter "in die Tiefe" vorzuarbeiten und auf ausführliche Texte (beispielsweise Biographien von Komponisten), aktuelle Artikel, Hör- und Notenbeispiele zur Verdeutlichung zurückzugreifen. Zur Gestaltung einer Ausarbeitung kann der Schüler alle Texte und Bilder der CD-Rom in ein anderes Textprogramm kopieren oder einfügen.

Entsprechend der CD-Rom ist auch die Buchausgabe ein nicht alphabethisch geordnetes Nachschlagewerk, sondern vermittelt die Inhalte nach verschiedenen Themenbereichen. In kurzen Texten, zahlreichen Abbildungen, Grafiken, Übersichtstabellen, Schemata, Notenbeispielen, Randbemerkungen und durch farbig unterlegte Begriffe, Definitionen oder andere besonders wichtige Merksätze wird eine Fülle von Informationen vermittelt. Dabei ermöglicht die durchaus attraktive grafische Gestaltung allerdings nicht oder nicht in genügendem Maße, den Inhalt schnell erfassen und wiedergeben zu können. Die aufgelockerte Buchseitengestaltung lädt zwar einerseits zum Stöbern ein und mag bei so manchem Schüler eine Neugier über das Muß des zu Erarbeitenden hinaus wecken, birgt aber gleichermaßen die Gefahr, daß der Lernende die Orientierung bzw. den Überblick verliert.

Der Duden MUSIK ist in Koordination von Bibliographischem Institut & F.A. Brockhaus AG 2005 und dem DUDEN PAETEC Verlag erschienen. Schlägt man zum Vergleich einzelne Begriffe in dem bei Schott's Söhne und dem Brockhaus Verlag herausgekommenen "Brockhaus Musik" nach, läßt sich die Zusammenarbeit beider Verlage unschwer erkennen. Dabei ist der "Brockhaus Musik" jedoch durch seinen lexikalischen Charakter bestimmt.

Der neue Duden umfaßt sieben Kapitel mit zahlreichen Unterpunkten. Neben Grundsätzlichem über Musik in "Musik als Kunst, Bildung und Wissenschaft" werden die Bereiche "Musik in Theorie und Praxis", "Musik in der Gesellschaft" und "Musikgeschichte" behandelt. Weiter geht es um "Gattungen der Musik", "Populäre Musik" und - dem Zeitalter der Globalisierung Rechnung tragend - um "Weltmusik - Musiken in der Welt". Die einzelnen Kapitel erscheinen auf den ersten Blick systematisch aufgebaut, bei genauerer Betrachtung erweckt die Fülle von Informationen jedoch oft den Eindruck einer eher willkürlichen Zusammenstellung ohne Struktur.

Im Kapitel "Musik in Theorie und Praxis" geht es beispielsweise im Bereich 'Instrumente, Instrumentation und Ensembles' um einzelne Musikinstrumente und ihre Verwendung in verschiedenen Orchestern und Ensembles. Unverständlich dabei ist, warum unter 'Entwicklung der Musikinstrumente' zwar Streich-, Blas-, und Schlaginstrumente abgehandelt werden, nicht aber die Tasteninstrumente, die in einem gesonderten Punkt dargestellt sind. Allgemeines zu verschiedensten Musikinstrumenten findet sich dann zusätzlich unter `Orchester'. Und statt hier dann auch das heute gängige 'virtuelle Orchester' zu behandeln oder auch 'Bigband, Blas- und Streichorchester', bilden diese beiden wieder einen eigenen Unterpunkt. Das Saxophon und das Drumset werden nicht, wie zu erwarten, entweder den Beschreibungen der Musikinstrumente oder wenigstens denen der Bigband zugeordnet. Jazzcombo und Rockband stehen für sich getrennt von den Beschreibungen anderer Ensembles.

Geschichtliche Entwicklungszusammenhänge sind im Duden MUSIK des PAETEC Schulbuchverlages kaum zu erkennen, Tabellen und Schaubilder vermitteln die Inhalte häufig zu knapp. Dabei ließen sich hier ein Interesse und Verständnis für Musik wecken, das über die bereits vorhandene Musikbegeisterung Jugendlicher hinausgehen könnte.

In Kapitel 5 "Gattungen der Musik" wird unter 'Musikalisches Theater' der große Bereich der Oper behandelt. Eine Übersichtstabelle listet, chronologisch geordnet, die im Laufe der Zeit entstandenen verschiedensten Operntypen auf und versieht diese jeweils mit einer kurzen Anmerkung zur Spezifizierung.

...
17.Jh. ...
- 'Opera seria' (Weiterentwicklung v.a. der venezianischen Oper ab 1637, in der neapolitianischen Schule nach etwa 1720 mit Ausschaltung aller komischen Elemente)
...

18.Jh. - 'Intermezzo und Opera buffa' (Verselbständigung des Heiteren, Realistischen aus der Opera seria;
ab etwa 1720)

- 'Comédie en vaudevilles/Vaudeville ab 1640 und 'opéra comique' ab etwa 1750 (französische, vor- wiegend heitere Oper, mit gesprochenen Dialogen wie beim Singspieltypus)

- 'Ballad opera' (englische Ausprägung des Sing- spieltypus, oft satirisch; seit etwa 1730)

- 'Singspiel' (deutsch, vor allem nach englischem Vorbild, ab etwa 1740)
...

Tabelle Seite 239 und 240 im Kapitel "Gattungen der Musik" 'Musikalisches Theater' (PAETEC Schulbuchverlag)

Der Brockhaus Musik sagt hierzu unter dem Stichwort 'Oper':

... Man unterscheidet 'ernste Oper' als musikalische Tragödie (ital. Opera seria, frz. Grand opéra) und 'komische Oper' (ital. Opera buffa, frz. Opéra comique), von der das Singspiel eine volkstümlichere Stufe ist...

und läßt einen knappen geschichtlichen Abriß folgen, dem die Entwicklung einzelner Operntypen besser zu entnehmen ist:

... Aus den komischen Intermezzi entwickelte sich die Opera buffa; ... Als Reaktion gegen das Pathos der Opera seria entwickelte sich in England die parodistische --> O.-Typ Lullys und seiner Nachfolger (M.-A. CHARPENTIER, ...) weiterentwickelt, daneben entstand, angeregt u.a. durch die Pariser Vorstadtkomödie, die Opéra-comique E.R. DUNI ...)
...

Auch sind die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die zu allen Zeiten einzelne Musikrichtungen beeinflußt und geprägt haben, nur an einigen Stellen und leider nicht durchgängig berücksichtigt. Unter "Musik in der Gesellschaft" `Musik als Beruf' findet sich ein Beispiel, wie man es sich ähnlich für das ganze Buch gewünscht hätte.

Hier wird der Wandel der gesellschaftlichen Stellung der Spielleute vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit (gemeint sind Pfeifer, Trompeter, Posaunenbläser, Schalmei-, Drehleier- und Dudelsackspieler, Fiedler, Trommelschläger und Sänger) dargestellt:

Der 'Sachsenspiegel'- eines der verbreitesten Rechts- bücher des Mittelalters, ... - erklärte die Spielleute zusammen mit Dieben, Straßenräubern und Ehebrechern für rechtlos. Sie waren vom allgemeinen Landfrieden ausge- schlossen; ihnen stand weder Sühne zu, noch konnten sie als Zeugen aussagen; sie besaßen weder Glaubwürdigkeit noch Eidesfähigkeit.
(Seite 110)

[...]

In den seit dem 13. Jh. aufstrebenden Städten bot sich sesshaft gewordenen Musikern die Möglichkeit, als Turmbläser, später Stadtpfeifer, Ratsspielmann oder Stadttrompeter in den Dienst zu kommen ...
... In der Spielleuteordnung für Wismar von 1343 war z.B. festgelegt, dass die Bürger zu ihren Festen nur Spielleute heranziehen sollten, die in der Stadt ansässig sind. Die Musiker hatten dafür die Pflicht, an Sonn- und Festtagen den Bürgern abends aufzuspielen. Bezahlt werden sollten sie von den Bürgern, die sie brauchten.
(Seite 111 "Musik in der Gesellschaft" 'Musik als Beruf', Hofmusiker, Turmbläser, Stadtmusiker)

Und für das 16. Jahrhundert galt:

In der Reichspolizeyordnung von 1548 hieß es in Art. 37: "Setzen, ordnen, und wollen demnach, daß die Leinweber... Pfeiffer, Trumetter...und die, deren Eltern, davon sie geboren sind... keineswegs ausgeschlossen, sondern wie andere redliche Handwercker aufgenommen, und darzu gezogen werden sollen."
(Seite 112 "Musik in der Gesellschaft" 'Musik als Beruf',
Musikantenverbindungen des Mittelalters)

Den Schüler dürften in der Regel allerdings insbesondere all jene Bereiche interessieren, in denen es um die Anwendung moderner Technik in Bezug auf Musik geht, um die kommerzielle Nutzbarmachung, um Rechte in der Musikindustrie, aber auch alle moderneren Musikgattungen, die unter dem Kapitel 'Populäre Musik' Eingang in das Werk gefunden haben.

Auch das Musical, das gerade heutzutage mit gemeinsamen, oft klassenübergreifenden Proben und Aufführungen zum Inhalt des Musikunterrichts an vielen Schulen geworden ist, darf in Kapitel 5 unter 'Unterhaltendes Theater' selbstverständlich nicht fehlen. Nur kommt hier die musikalische und inhaltliche Vielfalt dieses Genres leider viel zu kurz.

Bisweilen werden Begriffe wie 'Naturton' bzw. 'Naturtonreihe' oder auch die Sinfonie (im Zusammenhang mit dem Orchester) erwähnt, aber entweder nicht, nur unzureichend oder derart kompliziert erläutert, daß der Schüler sie ohne Voraussetzungen kaum verstehen dürfte.

Einzelne Merksätze hätten für den Schüler treffender und einprägsamer formuliert werden können. Die Definition des Schlagers lautet im Duden MUSIK:

... ein typisches Produkt der Industriegesellschaft - wurde im deutschsprachigen Raum zu einer eigenständigen Gattung. Er ist populäres Unterhaltungs-, Stimmungs- und Tanzlied. (Seite 219 unter "Gattungen der Musik" 'Vokalmusik')

Das ist inhaltlich zwar korrekt, besser auf den Punkt gebracht aber sagt es der Musik Brockhaus so:

populäres Unterhaltungs-, Stimmungs- und Tanzlied... Bezeichnung für zündende ('einschlagende') und eingängige Gesangsstücke, die sich schnell verbreiten ....

Das Niveau der einzelnen Kapitel ist wenig homogen, möglicherweise ein Hinweis auf die Machart des Werkes, für das verschiedene Autoren offenbar Teile aus bereits vorhandenen Quellen neu zusammengesetzt haben. Insgesamt hätte man sich innerhalb der Themenbereiche mehr Stringenz und rote Fäden gewünscht und eine abschließende sorgfältigere Überarbeitung hätte dem Buch - gerade auch in sprachlicher Hinsicht - sicherlich gut getan.

Obwohl der Duden MUSIK, dem Geist der Zeit Rechnung tragend, durch eine attraktive, den Blick fesselnde Aufmachung und die zahlreichen für sich stehenden Informationen die Abhängigkeit von Reizen und die Flüchtigkeit der Gedanken eher fördert, bildet er bei aller Kritik in seiner Kombination von Buch und CD-Rom (und der Berücksichtigung moderner Musiktechnologie) eine hilfreiche Grundlage für den Unterricht. Mehr denn je wird es aber auch hier die Aufgabe des Lehrers bleiben, im Unterricht zu vermitteln, wozu heute auch Bücher oft nicht mehr in der Lage sind: Zusammenhänge herzustellen und einen Weg zu schlüssigem, eigenständigen Denken zu ebnen.


Herausgeber Prof. Dr. Peter Wicke
DUDEN
Basiswissen Schule
Musik
(c) 2005 Bibliografisches Institut & F.A. Brockhaus AG
Mannheim und DUDEN PAETEC GmbH, Berlin 352 Seiten
CD-ROM mit Lehrprogramm für Windows-, Linux- und Macintosh-Computer
ISBN 3-89818-735-7 (DUDEN PAETEC-Schulbuchverlag)
ISBN 3-411-71981-8 (Dudenverlag)

8. März 2006