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REZENSION/231: Von Bülow - Im Namen des Staates (Geheimdienstkritik) (SB)


Andreas von Bülow


Im Namen des Staates

CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste



Zweifelsohne gilt der Anwalt und ehemalige Bundesforschungsminister Andreas von Bülow denjenigen, die hierzulande die Meinungshoheit genießen, als Deutschlands prominentester "Verschwörungstheoretiker". Endgültig in diese sicherlich wenig neidenswerte Position hat sich von Bülow letztes Jahr mit der Veröffentlichung des vom Piper Verlag herausgegebenen Buchs "Die CIA und der 11. September - Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste" gebracht. In dem aus leicht nachvollziehbaren Gründen erfolgreichen Sachbuch hat sich von Bülow kritisch mit den schier unzähligen Ungereimtheiten und Widersprüchen in der offiziellen Version vom Tag, "der die Welt veränderte", auseinandergesetzt und die naheliegenden Gründe präsentiert, die seiner Meinung nach weniger für die Wahnsinnstat 19 fanatisierter Anhänger Osama Bin Ladens sprechen als vielmehr für eine unter anderem mittels ferngesteuerter Flugzeuge und einer professionellen Sprengung der beiden New Yorker Zwillingstürme - sowie übrigens des von keiner Passagiermaschine getroffenen, sechzig Stockwerke zählenden Hochhauses World Trade Center Nr. 7 - durchgeführte, verdeckte Operation der amerikanischen Geheimdienste zwecks nachhaltiger psychologischer Beeinflussung vor allem der eigenen Bevölkerung.

Für diesen krassen und mutwilligen Verstoß gegen die politische Korrektheit mußte sich von Bülow gefallen lassen, beispielsweise seitens der selbsternannten Mehrwisser vom Hamburger Nachrichtenmagazin SPIEGEL in dessen Ausgabe vom 4. August 2003 als "Paranoiker" an den Pranger gestellt zu werden, der den Interpretationsbedarf seines ebenfalls paranoischen, angeblich antiamerikanisch eingestellten Publikums bediene. Bezeichnenderweise verzichteten die Meinungsmacher vom SPIEGEL auf jede inhaltliche Auseinandersetzung mit von Bülows auf stichhaltige Argumente und allerlei Fakten gestütztem Szenario, was sie natürlich gleichzeitig nicht davon abhielt, "Die CIA und der 11. September" mit "alles Unsinn" in Grund und Boden zu verdammen.

Vor dem Hintergrund der maßgeblich vom SPIEGEL, von der Wochenzeitung Die Zeit und dem Westdeutschen Rundfunk betriebenen Diffamierungskampagne gegen von Bülow und andere Gleichgesinnte kann man sein 1999 ebenfalls beim Piper Verlag erschienenes Buch "Im Name des Staates: CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste", das als ungekürzte Taschenbuchausgabe inzwischen in der neunten Auflage vorliegt, zur Lektüre empfehlen. Wer alle 637 Seiten - darunter die unverzichtbaren 111 Seiten Fußnoten - dieser recht umfassenden Analyse der dubiosen Rolle der westlichen Geheimdienste seit dem Zweiten Weltkrieg gelesen hat, wird sofort begreifen, warum von Bülow unter Inkaufnahme einer regelrechten Hetzkampagne gegen seine Person gleich von Anfang an öffentlich Skepsis an der von der Regierung George W. Bush herausgegebenen Version der Flugzeuganschläge von New York und Arlington angemeldet hat. Daß die Schreiber vom SPIEGEL von Bülow die Kritik am offiziellen Tathergang vom 11. September so übelnahmen, obwohl sie einige Jahre zuvor "Im Namen des Staates" als "eingehend dokumentierte, bissige Kritik an den Machenschaften der CIA und anderer West-Dienste" groß gelobt hatten, läßt sich nur mit politischem und wirtschaftlichen Opportunismus erklären.

Der 1937 in Dresden geborene von Bülow war von 1969 bis 1994 für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands Mitglied des Bundestags, wo er unter anderem in der für die deutschen Geheimdienste zuständigen parlamentarischen Kontrollkommission saß. Von 1976 bis 1980 war er Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und zwischen 1980 und 1982 Bundesminister für Forschung und Technologie unter Kanzler Helmut Schmidt. In den neunziger Jahren gehörte der promovierte Jurist jener parlamentarischen Kommission an, die sich mit der sogenannten KoKo-Affäre um die abenteuerlichen Devisenbeschaffungsmaßnahmen des Amtes für Staatssicherheit der untergegangenen Deutschen Demokratischen Republik unter Alexander Schalck-Golodkowski befaßte.

Die von von Bülow in jenem Untersuchungsausschuß gemachte Erfahrung, nämlich daß alle Fragen nach der Beteiligung westlicher Geheimdienste am ewigen Spiel um Drogen, Geldwäsche und Waffen gnadenlos abgeblockt wurden, brachte ihn nach der Niederlegung seines Bundestagsmandats dazu, auf eigene Faust zu recherchieren. Das Ergebnis dieser Forschungsarbeit war das Buch "Im Namen des Staates", das der Autor selbst als "ein erschreckendes Gemälde der systematischen, operativen Verschränkung geheimdienstlicher, also staatlicher Operationen mit der organisierten Kriminalität, dem Drogenhandel und dem Terrorismus" bezeichnete. Ohne Untertreibung läßt sich sagen, daß von Bülow mit "Im Namen des Staates" die vielleicht wichtigste Abhandlung zum Thema illegale nachrichtendienstliche Umtriebe verfaßt hat, die in Deutschland nach der Wiedervereinigung erschienen ist. Zwar greift von Bülow in nicht geringem Ausmaß auf die Arbeiten der amerikanischen Fachzeitschrift Covert Action Quarterly sowie namhafter, englischsprachiger Geheimdienstexperten und -renegaten wie Philip Agee, Ari Ben-Menashe, David Corn, Seymour Hersh, Alfred McCoy, Victor Ostrovsky, Peter Dale Scott, Gordon Thomas und David Yallop zurück, gleichwohl hält "Im Namen des Staates" jeden Vergleich mit deren Büchern stand, was vor allem auf die besonderen Erfahrungen des Autors aus seiner Zeit als Minister und Geheimnisträger im Deutschen Bundestag zurückzuführen ist.

Die dem Leser hier präsentierte, akribische Auseinandersetzung mit zum Beispiel den Iran-Contra- und BCCI-Skandalen der Ära Ronald Reagans, zu deren Hauptakteuren George Bush sen., Bill Casey, Casper Weinberger, Zia-ul-Haq, Adnan Khashoggi, Manucher Ghorbanifar, Michael Ledeen, Manuel Noriega, Richard Armitage und Oberst Oliver North gehörten, sowie mit der jahrelangen Instrumentalisierung moslemischer Söldner durch die Geheimdienste Saudi-Arabiens, Pakistans und der USA zwecks Niederringung der damaligen Sowjetunion sowie des ehemaligen Jugoslawiens läßt erhebliche Zweifel an der seit drei Jahren hauptsächlich von George Bush jun. und dem britischen Premierminister Tony Blair entworfenen Vision vom großen Entscheidungskampf zwischen der westlichen "Zivilisation" auf der einen Seite und dem islamistischen "Terrorismus" auf der anderen aufkommen.

Von Bülow verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß sich bei den meisten Terroranschlägen die Erkenntnisse der Behörden später als viel umfangreicher herausgestellt haben, als man das im ersten Moment für möglich gehalten hätte. Besonders aufschlußreich sind von Bülows Ausführungen hinsichtlich des sogenannten "deutschen Herbstes" sowie der "bleiernen Jahre" in Italien. In beiden Fällen erkennt er in erster Linie eine vom Geheimdienst und Militär initiierte "Strategie der Spannung" zwecks "Konditionierung der öffentlichen Meinung" und "psychologischer Steuerung der Gesellschaft". Von Bülow bezeichnet den modernen "Terrorismus" zurecht als ein "transnationales Marionettenspiel", bei dem die Selbstbestimmung der Täter wie zum Beispiel der Mitglieder der Roten Armee Fraktion in Deutschland oder der Gruppe um den berüchtigten Palästinenser Abu Nidal großenteils auf "Einbildung" und "Selbstbetrug" beruht.

Er erinnert an die Vorbereitung des ersten Anschlags auf das World Trade Center im Frühjahr 1993, an der ein Agent provocateur des FBI, der ägyptische Oberst a. D. Emad Eli Salem, beteiligt war. Hinzu kommen die vielen Warnungen der ATF-Informantin Carol Howe im Vorfeld des Oklahoma-Anschlags im April 1995 sowie die ungeklärte Rolle, welche der ehemalige Bundeswehroffizier und mutmaßliche V-Mann des Militärischen Abschirmdienstes, Andreas Strassmeir, in diesem Zusammenhag gespielt hat. Des weiteren präsentiert von Bülow bislang wenig beachtete Erkenntnisse, wonach die geringe Sprengkraft der Lastwagenbombe niemals die alleinige Ursache für die enormen Schäden am mehrstöckigen Murrah-Gebäude in Oklahoma-City gewesen sein könnte, folglich Timothy McVeigh und Terry Nichols unmöglich die alleinigen Täter waren.

Die Richtigkeit des von Bülow gefällten Urteils über den formell antidemokratischen, kriegstreiberischen und verbrecherischen Charakter der allermeisten "im Namen des Staates" durchgeführten, verdeckten Operationen der Geheimdienste belegen kürzlich gemachte Äußerungen der ehemaligen FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds. Die 33jährige Türkisch-Amerikanerin versucht vergeblich seit zwei Jahren unter anderem vor Gericht, Mißstände beim FBI aus der Zeit vor den Flugzeuganschlägen publik zu machen, ohne daß ihr hierfür besondere Unterstützung seitens der großen Medien oder des Kongresses in Washington zuteil wird. Obwohl Edmonds von Bushs Justizminister John Ashcroft ein Maulkorb auferlegt wurde, hat sie bei verschiedenen Interviews gewisse, explosive Andeutungen gemacht.

Am 22. Juli dieses Jahres anläßlich der Veröffentlichung des Abschlußberichts der 911-Kommission hat im angesehenen Londoner Guardian Michael Meacher, der langjährige Labour-Abgeordnete im britischen Unterhaus und ehemalige Umweltminister Tony Blairs, einen eigenen kritischen Artikel über die Hintergründe der Flugzeuganschläge veröffentlicht und dabei Sibel Edmonds mit folgenden Worten zitiert:

Bei meinen Übersetzungen der abgefangenen 911-Telefongespräche ging es um [terroristische] Geldwäsche, detaillierte und datumsspezifische Informationen ... Würde man ernsthafte Ermittlungen durchführen, würden wir in diesem Land [den USA] strafrechtliche Ermittlungen gegen mehrere hochrangige Personen erleben ... und glauben Sie mir, sie werden alles tun, um diese Geschichte unter den Teppich zu kehren.

Wer "Im Namen des Staates" liest, wird ohne weiteres - Stichwort Barschel-Affäre - erahnen, was Edmonds hier anklingen läßt, jedoch nicht aussprechen darf.

So aufschlußreich und aufklärerisch das vorliegende Buch ist, gibt es dennoch einige Punkte, welche seiner Seriosität etwas abträglich sind und wo von Bülow seinen Kritikern unnötigerweise Angriffsfläche bietet. Es geht hier in erster Linie um die Vollständigkeit und damit um die Überprüfbarkeit der vom Autor gemachten Angaben. Ohne deren Korrektheit auch für einen Moment anzuzweifeln, muß leider festgestellt werden, daß im Haupttext vielfach zeitliche Angaben - wann genau dieses oder jenes Ereignis stattgefunden hat, wann ein Politiker etwas erklärt hat, wann ein Buch oder Artikel erschienen ist usw. - fehlen. Auch die Angaben über die handelnden Personen lassen beim interessierten Leser Wünsche offen. So erwähnt von Bülow beispielsweise mindestens zweimal die führende Rolle, welche ein ehemaliger US-Verteidigungsminister bei der BCCI-Affäre gespielt hat, ohne diesen namentlich zu nennen.

Tatsächlich handelt es sich hier um niemand geringeren als Clark Clifford, dessen Karriere eng mit der Entstehung des "Nationalen Sicherheitsstaates" in den USA verknüpft ist. Vom Beruf her Rechtsanwalt, hat Clifford als Sonderberater im Weißen Haus unter vier US-Präsidenten, den Demokraten Harry Truman, John F. Kennedy, Lyndon Johnson und Jimmy Carter, gedient. Im Auftrag Trumans hat er persönlich das berühmt-berüchtigte National Security Act verfaßt, mit dem 1947 die Central Intelligence Agency gegründet wurde. Von Januar bis Dezember 1968 hat er als Nachfolger des wegen des sich ausweitenden Vietnamkrieges zurückgetretenen Robert McNamara den Posten als US-Verteidigungsminister übernommen. Als Vorstandsvorsitzender der First American Bank hat Clifford in den achtziger Jahren maßgeblich sowie illegalerweise geholfen, der saudisch-pakistanischen BCCI, die nach ihrer Konkursanmeldung den unglücklichen Spitzname "Bank of Crooks and Criminals International" erhalten soll, eine Bankenlizenz für die USA zu verschaffen und mußte sich später deshalb vor Gericht verantworten.

29. Oktober 2004


Andreas von Bülow
Im Namen des Staates
CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste
Piper Verlag, München, 9. Auflage, November 2003
637 Seiten, Euro 12,90
ISBN 3-492-23050-4