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REZENSION/101: In unseren Himmeln kreuzt der fremde Gott (Jugoslawien) (SB)


Alexander Dorin


In unseren Himmeln kreuzt der fremde Gott

Verheimlichte Fakten der Kriege in Ex-Jugoslawien
Kroatien, Bosnien und Kosovo



Der Krieg gegen Jugoslawien ist erst dann vorbei, wenn dem Land nicht nur die neoliberale Wirtschaftsordnung aufgezwungen und es in jeder Beziehung der EU-Hegemonie unterworfen wurde, sondern wenn die Erinnerung an seine Zerschlagung in die propagierte Wahrheit seines Zerfalls umgemünzt wurde. Der zu diesem Zwecke vor allem Geltung verschafften Theorie zufolge war Jugoslawien als von vorneherein widernatürlich den Strom des Blutes bastardisierender Vielvölkerstaat geradezu dazu prädestiniert, am Beharren der Ethnien auf ihrer Eigenständigkeit zugrundezugehen. Auslöser dieser Entwicklung sei das serbische Volk gewesen, das seine Nachbarn seit jeher dominiert und als größte Republik im Jugoslawien Titos daran festgehalten habe, die anderen Mitglieder der jugoslawischen Föderation zu unterdrücken. Als sich die in ihrer Machtentfaltung bedrohten Serben schließlich dem Ansinnen der Kroaten und Slowenen, der ethnobiologischen Ordnung der Völker durch Loslösung vom Staat der Südslawen gerecht zu werden, widersetzten, nahm die Katastrophe, die nur durch beherztes, allerdings viel zu spätes Eingreifen der NATO eingedämmt werden konnte, ihren Lauf.

Diese nicht nur unter nationalistischen Volkstumstheoretikern, sondern auch vielen ehemaligen Linken, die den Einsatz für folkloristische Minderheitenpolitik als der eigenen Karriere im wieder angriffslustigen Deutschland zuträgliches Betätigungsfeld entdeckt haben, beliebte Theorie macht in dem ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic das personifizierte Übel großserbischen Chauvinismusses aus. Nur so läßt sich davon ablenken, daß es sich bei den während seiner Regierungszeit ausgebrochenen Kriegen um die Folgen eines maßgeblich von Deutschland und den USA angefachten Separatismus handelt, der sich gegen die staatliche Integrität des damaligen Jugoslawiens richtete.

Gleichzeitig jedoch gilt Milosevic als letzter kommunistischer Diktator Europas, der halsstarrig an einem längst überkommenen politischen System festhielt und seiner Bevölkerung die Gleichmacherei und Entbehrungen sozialistischer Doktrin aufzwang. Der offensichtliche Widerspruch zwischen unterstelltem rechtsnationalistischem Expansionismus und antiglobalistischem Sozialismus fiel den Aggressoren der NATO-Staaten nicht etwa auf die Füße, sondern wurde von ihnen zur Generalabrechnung mit Serbien wie Jugoslawien qualifiziert, die mit der Verhaftung Milosevics in ihre Endphase tritt. Das ihm von den USA und der EU vorgeworfene Verbrechen besteht darin, mit dem neuen Jugoslawien das Vermächtnis des alten, von Tito begründeten Staates insofern verteidigt zu haben, als daß man sich weder der Machtkonstellation der Anfang der neunziger Jahre ausgerufenen Neuen Weltordnung noch ihrem ökonomischen Diktat völliger Preisgabe aller nationalen Ressourcen und Schutzfunktionen unterwerfen wollte.

In Milosevic bündelt sich daher die Geschichte Serbiens wie Jugoslawiens, und das völlig unabhängig davon, wie gut oder schlecht er die Interessen der Bevölkerung vertreten hat. An seiner Person soll die Wahrheit der Sieger exekutiert werden, das macht ihn zum Dreh- und Angelpunkt einer Geschichtsschreibung, die die Ereignisse der letzten zehn Jahre in Südosteuropa als exemplarisches Beispiel für die Probleme, die der sogenannten europäischen Einigung im Wege stehen, und der Verwerflichkeit all jener, die nicht an ihr teilhaben wollen, nutzt.

Aus diesem Grunde könnte die überarbeitete und erweiterte Neuauflage des Buches "In unseren Himmeln kreuzt der fremde Gott - Verheimlichte Fakten der Kriege in Ex-Jugoslawien (Kroatien, Bosnien und Kosovo)" vom Ahriman-Verlag nicht besser terminiert worden sein. Da es die jugoslawischen Sezessionskriege seit 1991 abdeckt und durch eine Dokumentation des NATO-Überfalls von 1999 ergänzt wurde, bietet es eine Fülle an Material, mit der man sich nicht nur der anstehenden Kodifizierung der Geschichte der Sieger erwehren, sondern diese durch Sachargumente angreifen kann. In dem Buch, dessen Verfasser es aus Sicherheitsgründen vorzog, hinter dem Pseudonym Alexander Dorin unerkannt zu bleiben, werden all diejenigen Geschehnisse aufgearbeitet, die mit betont serbophobem Tenor schon vor Jahren die Grundlagen für den NATO- Krieg gegen Jugoslawien legten.

Wer sich nicht schon früher um Hintergrundinformationen zur Schlacht um Vukovar, zur Belagerung Sarajewos, zur Vertreibung der Krajina-Serben und zur Eroberung Srebrenicas durch Truppen der bosnischen Serben bemüht hat, dem dürften bei der Lektüre des Buches die Augen übergehen ob der Diskrepanz zwischen der immer gleichen Rollenverteilung, mit der westliche Medien den blutrünstigen Serben, den kroatischen Unabhängigkeitskämpfer und den aufopferungswilligen bosnischen Muslim besetzten, und dem Geschehen, wie es Alexander Dorin unter Zurhilfenahme einer Vielzahl von Quellen, Zeugenaussagen und Illustrationen schildert.

Wer sich bereits ausführlicher aus kritischer Sicht mit der Zerschlagung Jugoslawiens befaßt hat, dem kann "In unseren Himmeln kreuzt der fremde Gott" zumindest als wertvolle Faktensammlung dienen, die nicht nur nach wie vor virulente Lügen widerlegt, sondern durch Textbeiträge anderer Autoren sowie Literaturhinweise die Bandbreite des Widerspruchs selbst dokumentiert. Dabei treten allerdings signifikante Unterschiede in der Bewertung des Verhältnisses zwischen Serbien und Jugoslawien zutage. Während der Verfasser Alexander Dorin eine eher antijugoslawische Position vertritt, die die Benachteiligung der Serben durch den Kroaten Tito als eine der Ursachen für die Tragödie seine Volkes ausmacht, vertritt Sara Flounders in ihrem dem Buch "Nato in the Balkans" entnommenen Beitrag die internationalistische Sicht, derzufolge die Zerschlagung Jugoslawiens eine Folge der Neuordnung der Welt nach dem Ende der Blockkonfrontation darstellt.

Sie hält die aberwitzige Karriere der Serben zu Hitlers fünfter Kolonne auf dem Balkan für eine Folge ihres Eintretens für den Erhalt des jugoslawischen Staatenbundes und geht ausführlich auf die völlige Verfälschung der Geschichte im Rahmen der westlichen Einmischung ein, was ihren Beitrag als interessantesten, da die Rolle Jugoslawiens als Störfaktor der kapitalistischen Reorganisation am konsequentesten beleuchtenden Teil des Buches auszeichnet. Gerade das Beispiel der westlichen Aggression gegen ein Land, das auf seiner traditionellen Blockfreiheit bestanden und versucht hat, dem Ansturm der Globalisierung durch staatlich stark regulierte, sozial verträgliche marktwirtschaftliche Reformen ein alternatives Konzept weniger räuberischen Charakters entgegenzustellen, belegt, daß die vermeintlich inneren Ursachen des Niedergangs Jugoslawiens nicht von äußeren Faktoren zu trennen sind. Die über nationalistische Ressentiments vermittelten Spaltungstendenzen wurden nicht umsonst durch eine Strategie ökonomischer Not und geheimdienstlicher Subversion zur Explosion gebracht. Noch so gut gemeinte Arrangements mit den Agenturen der Globalisierung erweisen sich daher fast zwangsläufig als Einfallstore für ihren Raubzug, während entschlossener Widerstand durch Abschottung und Subsistenzwirtschaft im Extremfall zu Problemen wie denen Nordkoreas führt, wenn er sich überhaupt gegen die militärische Potenz der USA behaupten kann.

Heute befindet sich mit Vojislav Kostunica in Jugoslawien ein Präsident an der Regierung, der Milosevic für seine Zustimmung zum Vertrag von Dayton, der Bosnien-Herzegowina in ein Protektorat des Westens verwandelte, ebenso verurteilt hat wie für sein Abkommen mit dem US-Emissär Richard Holbrooke, das die Internationalisierung des Bürgerkriegs im Kosovo einleitete und damit eine Voraussetzung für den Angriffskrieg der NATO schaffte. Dennoch ist es der ehemalige jugoslawische Präsident, an dem das Exempel serbischer Kriegsschuld statuiert werden soll. Während Kostunica versucht, durch vergebliche Opposition gegen die Kräfte, denen er seine steile Karriere zu verdanken hat, nicht gänzlich zur Marionette in den Händen serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic zu werden, verliert sein "moderater Nationalismus" gerade das, was ihn zuallererst auszeichnen soll, die Bewahrung serbischer Eigenständigkeit.

Es bleibt daher offen, ob ein Verzicht Milosevics auf das Taktieren im bosnischen Bürgerkrieg und sein Zerwürfnis mit Radovan Karadzic sowie der serbisch-orthodoxen Kirche verhindert hätte, daß Jugoslawien von der NATO sturmreif geschossen wurde. Die Geschichte seines Niedergangs belegt, daß die Belagerungs- und Aushungerungsstrategie der NATO ein Ausmaß an inneren Spannungen erzeugt hat, dem offensichtlich nur mit äußerster Repression hätte begegnet werden können, hätte man den Sturz seiner Regierung partout verhindern wollen. Wenn sich heute eine junge Generation daran macht, die Forderungen der Sieger zu erfüllen und die mutig verteidigte Souveränität des Landes zu liquidieren, indem sie sich der Befriedung durch die Konsumverheißungen der Wertegemeinschaft EU unterwirft, dann erfüllt sich damit ein langangelegter und umfassender Plan, dem jeglicher Eigensinn, ob patriotischer oder sozialistischer Art, Herausforderung zu seiner Beseitigung ist.

Als Werk, das den Mythos angeblich spezifisch serbischer Charakterzüge der Grausamkeit und Rückständigkeit angreift und damit den maßgeblichen Rassismus der Menschenrechtskrieger bloßlegt, ist "In unseren Himmeln kreuzt der fremde Gott" vorbehaltlos zu empfehlen. Angesichts der hochgradigen Inanspruchnahme des angeblichen Mords an 8000 bosnischen Muslimen in Srebrenica durch die Armee der bosnischen Serben sowie der Milosevic unterstellten Absicht, die serbische Provinz Kosovo "albanerfrei" zu machen, durch die zahlreichen humanitären Interventionisten in Kabinett und Ministerialbürokratie, in bedrohte Völker, Minderheiten und Frauen befreienden NGOs, in den Redaktionen der Mehrheitsmedien und den Stiftungen der Wirtschaft kann das Buch gar nicht genug Verbreitung erhalten.

Zu einer Aufarbeitung der jugoslawischen Geschichte aus antiimperialistischer Sicht, die angesichts des Beutezugs der neuen Weltverweser mehr denn je not tut, trägt das Buch jedoch nur insofern bei, als daß es die Lügen der Propaganda aufdeckt und einige Strategien schildert, mit denen der Widerstand integrationsunwilliger Länder unterminiert wird. Da der Verfasser jedoch nicht den Anspruch erhebt, hier eine bündige Theorie vorzulegen, und die von anderen Autoren stammenden Beiträge des Bandes verschiedene Deutungen der westlichen Motivlage anbieten, mindert das den Nutzen des Buches nur unwesentlich.


Alexander Dorin
In unseren Himmeln kreuzt der fremde Gott
Verheimlichte Fakten der Kriege in Ex-Jugoslawien
Kroatien, Bosnien und Kosovo
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