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BUCHBESPRECHUNG/077: "Ich suchte das Glück und fand die Zufriedenheit" von Hans-Otto Thomashoff (Klaus Ludwig Helf)


Hans-Otto Thomashoff: "Ich suchte das Glück und fand die Zufriedenheit. Eine spannende Reise in die Welt von Gehirn und Psyche."

von Klaus Ludwig Helf, Mai 2015


Glück gilt gemeinhin als Erfüllung allen menschlichen Wünschens und Strebens; das Streben nach Glück (pusiut of happiness) ist sogar als originäres individuelles Freiheitsrecht in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten verankert. Die Förderung dieses Glücksstrebens ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Forschungen und Beratungen unter psychologischen, psychotherapeutischen, medizinischen, neurobiologischen, soziologischen, philosophischen und esoterischen Gesichtspunkten. Auch die populärwissenschaftlichen Publikationen zum Thema Glück haben einen immensen Umfang sowohl bei den Print- als auch bei den Digital-Medien.

Ganz anders sieht es beim Thema Zufriedenheit aus - wie der Wiener Psychiater und Psychotherapeut Hans-Otto Thomashoff mit Recht feststellt; er hat dazu das vorliegende Buch geschrieben. Nach einer orientierenden Einleitung stellt er in sieben Kapiteln die Bausteine für ein zufriedenes Lebenskonzept vor, um dann im letzten Kapitel Tipps zu praktischen Konsequenzen zu geben; ein ausführliches Literaturverzeichnis ermöglicht eine vertiefende Beschäftigung mit dem Thema.

Hans-Otto Thomashoff verknüpft die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse von Psychologie, Psychoanalyse und Neurobiologie und erklärt verständlich und unterhaltsam die Funktionsweise unseres Gehirns und der von ihm erschaffenen Psyche. Fallgeschichten und Anekdoten sowie konkrete Handlungsempfehlungen für ein zufriedenes Leben ergänzen das Buch. Gerade die aktuellen Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften haben wichtige Einsichten in die biologischen Grundlagen von Glücks- und Zufriedenheitsgefühlen erbracht, wobei nachweislich Endorphine, Oxytocin sowie die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin eine große Wirkung auf unser Gefühlsleben ausüben. Aber keine voreiligen Befürchtungen! Chemie ist nicht alles! Chemische Substanzen können zwar unseren Gefühlshaushalt kurzfristig verändern und damit unser Verhalten mitbestimmen, aber - wie der Autor eindrücklich nachweist - nur in einem vielgestaltigen Wirkungsgefüge; das Gehirn wird auch durch soziale Erfahrungen geformt und es verändert sich unter dem Einfluss zwischenmenschlicher Beziehungserfahrungen fortwährend selbst.

Der Autor des Bandes, Hans-Otto Thomashoff, ist selbständiger Psychiater und Psychoanalytiker und promovierter Kunsthistoriker, Präsident der Sektion für Kunst und Psychiatrie im Weltverband der Psychiatrie und lebt in Wien. Thomashoff stellt in seinem Buch die These auf, dass Menschen, die nur glücklich sein wollen, einem grundlegenden Irrtum aufsäßen: "Nicht Glück macht glücklich, sondern Zufriedenheit. Zufriedenheit ist das eigentliche Glück" (S.9). Zufriedenheit sei für ein gelingendes Leben viel bedeutsamer als das Glück. Denn das bestätigten Alltagserfahrungen ebenso wie die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung: Glück ist flüchtig, Zufriedenheit hingegen beständig. Dabei sei das Glück, oder die Suche danach, in aller Munde - ganz im Gegensatz zur Zufriedenheit, der etwas Unspektakuläres, ja Langweiliges anhafte, da ihr scheinbar der Kick fehle.

Was sind nach Meinung des Autors die wesentlichen Bausteine für eine grundierte Zufriedenheit? Zunächst ausgeprägt gute Beziehungen (Partnerschaften, Freundschaften, selbst zu Haustieren), dann die uns angeborene Neugier und schließlich ein ausbalancierter, gesunder Stresshaushalt:

Beziehung, Bewirken und Stressbegrenzung als Basis für eine zufriedene Lebensführung stellen ... auch die drei Säulen der Positiven Psychologie dar ... Die 'Happy People' ... setzen sich ... Ziele, die sie erreichen können, gestalten demzufolge aktiv und gewollt ihr Leben. Sie haben gelernt, ihre Lage angemessen einzuschätzen, und sie haben ein Grundvertrauen darin, Anforderungen bewältigen zu können. Dadurch vermeiden sie übermäßigen Stress und wissen mit den überschaubaren Belastungen ihres Lebens umzugehen. [S.181/182]

Wer sich dazu entscheidet, Zufriedenheit zu seinem bewussten Lebensziel machen, der könne seine Lebensqualität erheblich verbessern - eine "echte Alternative zum Dauerfrust in der Hektik des vorbeirauschenden Alltags" entfalten, die nicht in einem Burn-Out oder in einer esoterischen Weltflucht ende. Das habe auch gesellschaftliche Folgen: "Denn würden mehr von uns zufrieden leben, so wäre das ansteckend für die anderen. Stichwort: Spiegelzellen" (S. 12/23). Ob auf diese Weise langfristig psychischen und psychosomatischen Krankheiten, Aggression, Gewalt und Kriminalität wirkungsvoll vorgebeugt werden könne - wie der Autor meint - ist wissenschaftlich noch nicht belegt. Nicht nur die Psyche als der subjektiv erlebte Aspekt unseres Daseins, sondern auch das Gehirn brauche gute zwischenmenschliche Beziehungen; daher seien gute Beziehungserfahrungen bereits vom ersten Lebenstag an die Voraussetzung für eine positive Entwicklung des kindlichen Gehirns. Es sei recht einfach, ein zufriedenes Leben zu führen; die Qualität unseres Beziehungslebens erweise sich als die zentrale Quelle von Zufriedenheit oder von ihrem Gegenteil:

Wir Menschen sind in unsere Beziehungen eingebettet und werden erst durch sie zu denjenigen, die wir sind. Sind unsere allerersten Bindungserfahrungen gut, ergibt sich der Rest in unserem Leben beinahe wie von selbst. Der aktuelle Stand unserer Beziehungen prägt und färbt die Sicht auf unser gesamtes Leben. [S.277]

Wie kann man dem Lernen auf die Sprünge helfen? Das Gehirn arbeite sich zeitlebens an der Umwelt und an ihren Einflüssen ab, lerne dabei ständig und bleibe flexibel:

Lernen ist und bleibt permanent möglich. Schmiermittel fürs Lernen sind dabei unsre Emotionen, allen voran die Begeisterung, die und Dopamin ... und auch Oxytocin verschaffen. Genau dieser Effekt der Lernunterstützung durch gute Gefühle lässt sich gezielt nutzen. Lust steigert die Lernleistung, stimuliert und verändert nachweislich Hirnstrukturen. [S.199]

Der Autor nimmt uns mit auf eine spannende Reise in die Welt von Gehirn und Psyche - er hält damit sein Versprechen aus dem Untertitel seines Buchs. Er versteht es, in verständlicher und spannender Weise die neuesten Forschungsergebnisse und Erkenntnisse der modernen Neurobiologie und Psychologie zu vermitteln und mit alltagspraktischen Erfahrungen und Empfehlungen anzureichern. Thomashoff gibt zum Schluss seines Bandes den Rat, die Zeit zu nutzen, denn sie ist vergänglich, und den Blick zu schärfen für die kleinen Freuden des Lebens, und zu guter Letzt der Rat des Autors: "Lieben Sie so oft, so gut, so intensiv es geht. Dann leben Sie gesund, lange und zufrieden. Bis zuletzt. Mehr noch: Erst dann leben Sie!" (S.279).

Hans-Otto Thomashoff
Ich suchte das Glück und fand die Zufriedenheit.
Eine spannende Reise in die Welt von Gehirn und Psyche.
Ariston Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München 2014
gebunden
Hardcover mit Schutzumschlag
288 Seiten
Euro 19,99

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Quelle:
© 2015 by Klaus Ludwig Helf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2015

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