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INTERVIEW/015: Gebührenboykott - am gleichen Strang ..., Maximilian Bierbaum im Gespräch (SB)


Hamburg:
Bürgerschaft stimmt Mediationsverfahren nicht zu!

Studierende werden weiter Pfändungen ausgesetzt.

E-Mail-Interview mit Maximilian Bierbaum (MB) von der Grünen Jugend vom 11. April 2014



Die Partei DIE LINKE hatte für die zweitägige Sitzung der Hamburger Bürgerschaft am 9. und 10. April einen Antrag auf Mediation und Aussetzungen der Vollstreckungen auf Grund nicht gezahlter Studiengebühren eingereicht. Gemäß des Antrages sollten die Vollstreckungen bis Ende des Jahres ausgesetzt werden, um den Druck von den Studierenden zu nehmen und in einem Mediationsverfahren mit allen Hamburger Asten und Hochschulpräsident_innen gemeinsam zu einer Lösung zu gelangen. Die LINKE bezog sich mit dem Antrag auf einen offenen Brief zur kollektiven Niederschlagung aller Studiengebührennachforderungen, der u.a. von fast allen Hamburger Asten, der GEW und der Grünen Jugend unterstützt wird. [1] Laut Informationen des AStA der HfbK (Hochschule für Bildende Künste) hatte DIE LINKE ursprünglich verlauten lassen, den Antrag am Donnerstag zur Debatte anzumelden. Doch eine Debatte über ein mögliches Mediationsverfahren wurde nicht geführt. Stattdessen wurde der Antrag mehrheitlich mit den Stimmen der SPD, CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der LINKEN abgelehnt.

Im Folgenden ein Interview dazu mit Maximilian Bierbaum (MB) von der Grünen Jugend:

SB: Ihr habt als Jugendorganisation der Grünen den Antrag des HfbK-AStA auf kollektive Niederschlagung aller Studiengebührennachforderungen unterschrieben - warum?

MB: Unserer Meinung nach sind Studiengebühren unsozial und reproduzieren soziale Ungleichheiten. Studieren ist auch ohne Studiengebühren teuer, Studiengebühren verschärfen die Zugangshürden zum Studium aber noch weiter. Dabei ist Bildung keine Ware, sondern ein Menschenrecht - und sollte daher für alle kostenfrei sein. Darüber hinaus muss man sich wirklich die Frage stellen, ob Zwangsvollstreckungen ein adäquates Mittel sind, mit dem Hochschulen gegenüber ihren Studierenden auftreten sollten.

SB: Am Donnerstag hat die Partei DIE LINKE einen Antrag auf ein Mediationsverfahren und auf Aussetzung der Vollstreckungen auf Grund nicht bezahlter Studiengebühren in der Hamburger Bürgerschaft eingereicht. Eine Debatte wurde nicht geführt. Was hätte eurer Meinung nach bei einer Debatte in der Bürgerschaft zu diesem Thema besprochen werden sollen?

MB: Die SPD rühmt sich immer damit, dass sie die Studiengebühren abgeschafft habe. Dann soll sie das Wort jetzt auch halten - und Nachforderungen fallen lassen. Eine Finanzierung der Hochschulen muss über andere Wege laufen.

SB: Das Bündnis 90/Die Grünen haben den Antrag - wie alle anderen Fraktionen, außer der LINKEN - abgelehnt. Welche Reaktionen habt ihr vom Bündnis 90/Die Grünen bezüglich des Antrags der Partei DIE LINKE erwartet? Wie sollte sich das Bündnis 90/Die Grünen eurer Meinung nach in die Debatte einbringen?

MB: Wir hofften auf Zustimmung. Wir haben bereits zu schwarz-grünen Zeiten deutlich gemacht, dass wir vom Konzept der nachgelagerten Studiengebühren nicht überzeugt sind. Im Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl 2011 haben dies die Grünen selbst anerkannt - Zitat: "Das Modell hat aber leider nicht den gewünschten Erfolg gebracht und hat trotz der vereinbarten Verbesserungen negative Auswirkungen".

SB: Die Universitäten klagen immer wieder über fehlende Mittel. Wie sähe eurer Meinung nach eine gelungene Hochschulfinanzierung aus?

MB: Dass Geld fehlt, ist offensichtlich. Es kann nicht sein, dass beispielsweise hamburgweit seit Jahren etliche Masterplätze fehlen oder dass beim Neubau der HafenCity Universität noch beim Bau Mittel gekürzt werden, während nebenan die Kosten der Elbphilharmonie in die Höhe steigen und wie selbstverständlich von der Stadt bezahlt werden.

Die Bundesländer dürfen aber mit der Finanzierung der Hochschulen nicht allein gelassen werden. Von klug ausgebildeten Köpfen profitieren wir überall - und erwarten daher, dass sich auch der Bund an der Finanzierung beteiligt. Dafür muss das unsinnige Kooperationsverbot fallen, das es dem Bund untersagt, mit den Bundesländern zusammenzuarbeiten. Die Große Koalition im Bundestag kann sich aber leider nicht so wirklich entscheiden, was sie da nun eigentlich will.

SB: Gegen den Bologna-Prozess und das Bachelor-Master-System gab es immer wieder Proteste. Welches sind eurer Meinung nach die Hauptkritikpunkte an dem neuen System?

MB: Als GRÜNE JUGEND haben wir den Bolognaprozess kritisch begleitet. Gerade in Deutschland wurde er mit einem starken Fokus auf Wirtschaftlichkeit umgesetzt. Statt den durch Europa angestoßenen Reformprozess zu nutzen, um die angestaubten Hochschulen sinnvoll zu reformieren, wurde das Gegenteil erreicht. Die Regelstudienzeit wurde in vielen Fächern radikal gekürzt, durch die Modularisierung wurde das Studium unflexibler, der Stress für Studierende nimmt zu. Wir streiten daher für eine Reform der Reform. Bologna gibt in der Theorie viel Spielraum, ein demokratisches und flexibles Studium zu ermöglichen. Dazu ist es aber vor allem notwendig, die Studierenden in den Prozess miteinzubeziehen und sie zu fragen, was sie eigentlich wollen.


Fußnote:

[1] www.schattenblick.de/infopool/bildkult/ticker/b2ca0001.html
www.schattenblick.de/infopool/bildkult/ticker/b2ca0002.html


Bisherige Beiträge zum Thema Boykott der Studiengebühren im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → BILDUNG UND KULTUR → TICKER:

CAMPUS/001: Offener Brief - versprochen, gebrochen ... 1 (AStA HfbK, GEW Hamburg, Kanzlei 49)
CAMPUS/002: Offener Brief - versprochen, gebrochen ... 2 (AStA HfbK)

sowie unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → BILDUNG UND KULTUR → REPORT:

BERICHT/032: Gebührenboykott - Strafen und Exempel (SB)
INTERVIEW/013: Gebührenboykott - parteiverdrossen, kampfentschlossen ... Marion Meyer und Martin Klingner im Gespräch (SB)
INTERVIEW/014: Gebührenboykott - Bildungswert hat keine Münzen, Dora Heyenn im Gespräch (SB)

11. April 2014


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