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BERICHT/006: "Die Untoten" - Roboter - reprojektiver Entwurf menschlichen Scheiterns (SB)


Erkennt die Küchenmaschine ihren Schöpfer?

Peter Asaro beim Vortrag - Foto: © 2011 by Schattenblick

Peter Asaro
Foto: © 2011 by Schattenblick
Im monotheistischen Schöpfungsmythos schwingt sich der Mensch - geschaffen nach dem Bild und Gleichnis Gottes - zur Krone alles Gewordenen auf. Versehen mit dem Auftrag und Freibrief, sich die Erde untertan zu machen, tritt er den Raubzug entufernder Verstoffwechselung an, an deren Spitze er sich kraft einer entfesselten Überlebenssicherung zu Lasten aller, insbesondere jedoch seines Wütens unter der eigenen Art, zu behaupten trachtet. So bemißt sich seine Evolution und Geschichte anhand innovativer Schübe, Unterwerfung, Ausbeutung und Zurichtung im Dienst künftiger Herrschaftssicherung zu perfektionieren. Erfindungsreicher als jegliche anderen Wesen, sein Zerstörungswerk aufzuzwingen und von der Vernichtung zu zehren, verklärt er diesen Prozeß zu einem Höhenflug kultureller Leistungen und technologischer Errungenschaften, der ihn an die Pforten des Paradieses klopfen läßt.

Wo von einem alten Traum der Menschheit die Rede ist, die letzte Schranke zu durchbrechen und seinerseits gottähnlich Leben zu erschaffen, gilt es die überbordenden Phantasmagorien zurückzubrechen auf die Verfassung der menschlichen Gesellschaft und die daraus abzuleitende Stoßrichtung ihrer dominanten Interessenlagen. Daß die Maschine den Menschen befreie, können allenfalls jene für sich in Anspruch nehmen, die aus der Vernutzung menschlicher Arbeitskraft und Substanz im mechanisierten Räderwerk ihren Profit ziehen. Bezeichnenderweise wird im Filmklassiker Metropolis (1927) das Wort "Roboter", das im Jahr 1921 von Karol Capek in seinem Theaterstück "R.U.R." geprägt wurde, als Klassifizierung einer gesonderten Kaste von Arbeitssklaven verwendet. Als der Begriff "cybernetic organism" erstmals in einem Papier von Norbert Wiener und Kollegen (1943) auftauchte, sollte er das theoretische Gerüst für einen Mechanismus abgeben, welcher der Verbesserung der US-amerikanischen Flugabwehr diente.

Das im Kontext des Krieges entstandene Cyborg-Konzept fand in den 1960er Jahren im Umfeld der Raumfahrtforschung in den USA erneut Beachtung. Schreckte man damals noch vor einer Namensgebung zurück, die anders als verträglicher klingende Begriffe wie "bionics" oder "bioengineering" allzu sehr nach einer Ausgeburt jenseits des Menschlichen klang, so schwanden diesbezügliche Hemmungen in den 1970er Jahren. Science Fiction in Literatur und Film, Showgeschäft und Performance, Rundfunk und Fernsehen kreierten und präsentierten Heldenfiguren wie Robocop oder Terminator, bis die Vorstellung einer Mensch-Maschine-Identität schließlich in der posthumanistischen Debatte entuferte. [1]

Nicht von ungefähr brach sich die Kreation des Maschinenmenschen insbesondere dort Bahn, wo es galt, Profite zu maximieren, Kontrolle auszuüben und Krieg zu führen, kurz, die Unterjochung und Vernichtung auszupressender oder zu eliminierender Artgenossen zu perfektionieren. Wer heute die fortgeschrittensten Modelle relativ autonom operierender robotischer Konstruktionen mit Praxisreife sucht, findet sie auf den Schauplätzen sogenannter asymmetrischer Konflikte, wo eine hochgerüstete Übermacht unter Vermeidung eigener Verluste Tod und Verderben sät. Dies entspricht der immanenten Logik einer innovativen Technologie in Händen elitärer Zirkel, die allein über die finanziellen und politischen Ressourcen und Steuerungsinstrumente verfügen, entsprechende Forschungsvorhaben zu fördern und deren Resultate umzusetzen.

Dem widerspricht keineswegs die Entwicklung und Vervollkommnung robotischer Einheiten zu zivilen und zumindest auf den ersten Blick untadeligen Zwecken. In ihrer für sich reklamierten Kreativität und spielerischen Erprobung aus fiktiven Zukunftsszenarien rückgekoppelten technologischen Innovationen müssen sich ihre Sachwalter die Frage gefallen lassen, ob sie in ihrem hoffnungsgetragenen Forscherdrang womöglich einem Bienenvolk ohne Sinn für den Imker, der den mühselig gesammelten Honig abschöpft, gleichen. Sich in die Ausflucht des Wissenschaftlers zu retten, er habe sich einem seiner Natur nach unbeschränkbaren Erkenntnisgewinn verschrieben, über dessen Verwertung andere zu entscheiden hätten, leugnet die berufsständische Positionierung im Feld gesellschaftlicher Widersprüche.


Projektion zeigt Roboter - ©  2011 by Schattenblick

Androiden schauen dich an ...
Foto: © 2011 by Schattenblick

Auf dem Kongreß "Die Untoten" befaßte sich Peter Asaro mit der Frage, in welchem Ausmaß mechanische Schöpfungen des Menschen Eigenschaften annehmen könnten, die man mit biologischen Lebensformen assoziiert. Dr. Peter Asaro unterrichtet Film- und Medienwissenschaften an der New School University in New York City. Er beschäftigt sich mit der Schnittstelle von Technologie, Wissenschaft und Medien und insbesondere mit der sozialen Komponente der Robotik. Zur Zeit arbeitet er an dem Film "War Machine", der sich mit sozialen Dimensionen der Militär-Roboterwissenschaften befaßt. In seinem Dokumentarfilm "Love Machine" (2001) thematisierte er das Phantasma der Entwicklung von Robotern, die menschliche Beziehungen eingehen, Liebe und Fürsorge empfinden, Freundschaften knüpfen und Sexualpartner sind. Bislang galt für mechanische Kreaturen und Automaten, daß sie zwar lebendig erscheinen, jedoch nicht über die Fähigkeit verfügen, sich selbst und ihre Art fortzupflanzen. Dieses Charakteristikum biologischer Lebensformen stellen Spekulationen in Frage, wonach Maschinen in absehbarer Zeit zu einer sich selbst reproduzierenden Existenz imstande sein könnten und daher nach obigem Kriterium "lebendig" wären. Der Robotik-Forscher Hans Moravec vertritt sogar die Auffassung, daß diese Roboter als unsere wahren "Geisteskinder" die nächste Stufe der Evolution darstellen.

Peter Asaro zeigte unter dem Thema "Mind Children & Love Machines" Ausschnitte aus seinem in Auseinandersetzung mit diesen Thesen entstandenen Film "Love Machine". Die unabhängig produzierte Dokumentation enthält Interviews mit Rodney Brooks, Hans Moravec, Ken Goldberg, Hubert Dreyfus, Daniel Dennett, Manuel Delanda und anderen. Zum Einstieg in das weite Feld technologischer Herausforderungen, philosophischer Fragen und künstlerischer Auseinandersetzungen mit dem postulierten Übergang vom Menschen zur belebten Maschine, das sich von klassische Mythen über Pulp Fiction bis hin zu Labors der Roboterentwicklung erstreckt, kommt in einem Filmausschnitt Prof. Hans Moravec zu Wort. Von seinem Vater an die Konstruktion solcher Maschinen herangeführt, war er von Kindesbeinen an mit dem Unterfangen vertraut, Roboter zu animieren. Ihm wurde diese Forschung zur Obsession, und seine Beschäftigung mit dem Thema fand ihren Niederschlag in einer Reihe von Büchern, darunter auch "Mind Children", in denen es um die Zukunft der Menschheit geht. Moravec ist davon überzeugt, daß in absehbarer Zeit Roboter konstruiert werden können, welche die nächste evolutionäre Stufe der Menschheit darstellen.

Das Streben des Menschen nach Kräften, die den Göttern vorbehalten sind, findet man bereits in der griechischer Mythologie. Prometheus, der das Feuer raubt, und Pandora, die in ihrer Büchse alle Übel dieser Welt versammelt; Ikarus, der versucht zu fliegen, und Phaethon, Sohn des Helios, der die Sonne vom Himmel rauben wollte, zeugen vom Griff nach Potentialen, die der Mensch nicht beherrschen kann. Thematisiert werden Kreativität und Schöpfung, aber auch Hybris, Wahnsinn und nicht zuletzt Strafe, wenn Phaethon lehrt, daß wir nicht danach streben dürften, gottähnlich zu sein. Pygmalion schnitzt sich eine Göttin aus Elfenbein und versucht die Statue zum Leben zu erwecken, indem er ihr einen Ring über den Finger streift und sie küßt. Es sind jedoch allein die Götter, die Leben möglich machen.

Dieser Mythos wird im 18. und 19. Jahrhundert aufgegriffen und immer wieder erzählt, um menschlichen Hochmut mit moralischen Lektionen zu maßregeln. Im 20. Jahrhundert befaßt sich unter anderem George Bernard Shaw mit Pygmalion in seinem gleichnamigen Drama, auch das Musical "My Fair Lady" beruht auf dieser Geschichte. Moderne Filme wie "Pretty Woman" oder "Galatea 2.2" von Richard Powers thematisieren das Erschaffen einer aus männlichen Sicht idealen Frau.

Projektion Pygmalion - Foto: © 2011 by Schattenblick

Fleischgewordene Aspirationen patriarchalischen Schöpfergeistes
Foto: © 2011 by Schattenblick

Der Versuch, aus Lehm einen Menschen zu schaffen, ist in Gestalt des Golems Bestandteil der jüdischen Mythologie. Mary Shelleys Roman "Frankenstein" und dessen spätere Verfilmung mit Boris Karloff sind Klassiker eines szientistischen Schöpfungmythos, der den Funken der Elektrizität als gottgleiche Produktivkraft verherrlicht. Die kleine Holzfigur Pinocchio ist nur animiert und sucht deshalb eine Fee, um wirklich leben zu können, was wiederum als Grundlage für Stanley Kubricks Film "Artificial Intelligence" gelten darf. Mehr und mehr Roboter, die zum Leben erweckt werden, halten Einzug in Literatur und Film, wobei die Geschichte meistens tragisch endet. "Metropolis" zeigt eine eigene Art robotischer Arbeitssklaven. Kopien des Menschen zu schaffen und künstliche Formen des Lebens hervorzubringen, ist heute eine cineastische Selbstverständlichkeit.

Die Filme der "Transformer"-Serie unterstreichen in der exzessiven Zerstörungsgewalt einander bekriegender und sich reproduzierender Kampfmaschinen die Stoßrichtung fiktional vorgedachter und zugleich dem Dunstkreis potentiell realisierbarer Anwendung zuzuordnender bellizistischer Entwürfe auf dem Gebiet autonomer Robotik. Was den Konsumenten des Blockbusters in seinen Bann schlagen soll, ist "Action" in Reinkultur, mithin die vollständige Ausblendung jeglicher humanen Widerspruchslagen, die als störend definiert und eliminiert werden.

Wenngleich Computer den Menschen an Rechnerleistung um ein Vielfaches übertreffen und in vernetzter Form auf hohem Niveau kommunizieren, ist damit der Sprung zu einer neuen Lebensform oder höheren Stufe der Evolution keineswegs vollzogen. Auf der Suche nach einem Übertrag der zweifellos fehlenden Aspekte wie Emotionen und insbesondere Autonomie der künstlich geschaffenen Wesen bemühen sich die Experten seit Jahrzehnten, die Lücke zwischen Mensch und Maschine zu schließen wie auch den Umgang mit diesen Kreationen in seinen verschiedenen Aspekten zu erörtern. Zugang verspricht sich die Forschung nicht zuletzt durch Übertrag der kindlichen Entwicklung und Interaktion auf Roboter, denen man Schritt für Schritt beizubringen hofft, was ihnen zum akzeptablen Abbild des Menschen fehlt.

In einem Filmclip steht eine Wissenschaftlerin Rede und Antwort zum Umgang mit ihrem Roboter "Kismet", der mit Menschen kommunizieren und interagieren soll. Ausgestattet mit überdimensionierten Augen und Ohren sowie einem riesigen Mund erweckt die Apparatur durchaus den Eindruck, sie höre zu, reagiere und habe sogar Empfindungen. So empfänglich man für mimische Signale auch sein mag, besteht jedoch kein Zweifel, daß es sich weder um einen Menschen, noch um ein menschliches Modell handelt. Das versichert auch die Forscherin, die bereits seit 1977 an und mit "Kismet" arbeitet, zu dem sie fast zwangsläufig eine Beziehung aufgebaut hat.

Gewisse Zeichen als Gesichter und Emotionen zu interpretieren und dies auf entsprechende Merkmale eines Roboters zu übertragen, ist ein vergleichsweise simpler Vorgang. Sieht man jedoch vom Unterhaltungswert der Resultate ab, der sich nicht wesentlich von dem einer beliebigen anderen optischen Animation unterscheidet, schrumpft die angestrebte Menschenähnlichkeit auf ein Minimum zusammen. Wenn Peter Asaro an dieser Stelle konstatiert, wir näherten uns der nächsten Phase menschlicher Evolution und bauten an den Repliken oder Kopien des Menschen, ist dies nicht nur ein nicht nachzuvollziehender Sprung. Er läßt insbesondere die unverzichtbare Klärung der Voraussetzungen außer acht, wenn er nicht ausdrücklich auf die Problematik des zugrundeliegenden Menschenbildes eingeht. Was einen Menschen ausmacht, stellt sich um so kontroverser und widersprüchlicher dar, je intensiver man sich damit auseinandersetzt. Rasch stößt man dabei auf Charaktermerkmale, Einstellungen und Positionen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten und ausschließlich in ihrer Verschiedenheit eine lebendige Vielfalt menschlichen Lebens und Wesens repräsentieren.

Das spontane Gefühl, im Roboter eine erzwungene Reduzierung auf Stereotypien monotoner Bewegungsabläufe und mithin gerade das Gegenteil eines Menschen vor sich zu haben, erweist sich als durchaus brauchbare Spur im Vorfeld kritischer Bewertung. Asaro bleibt in seinem Vortrag auffallend vage, wo er kursiv wesentliche Aspekte sozialer Bezüge und Interaktionen streift, um unverzüglich zu postulieren, die Menschen könnten womöglich eines Tages aufhören, sich zu reproduzieren, und ihrem technologischen Entwurf die Aufgabe des Erhalts der eigenen Art übertragen.

Filmplakat 'Love Machine' - Foto: © 2011 by Schattenblick

Wa(h)re Liebe
Foto: © 2011 by Schattenblick

Geschlechtlichkeit auf einen biologisch bedingten Akt, auf bloßes Inventar motorischer und sensorischer Reiz-Reaktions-Muster zu reduzieren, sagt alles über das restriktive Menschenbild theoretischer wie praktischer Ansätze auf diesem Gebiet aus. Wieder bedarf es eines nicht nachvollziehbaren Sprungs, um aus einer unreflektierten sexuellen Betätigung auf krudestem Niveau die Behauptung abzuleiten, Maschinen könnten sich ihrerseits auf diese Weise reproduzieren. In einem weiteren Filmclip wird die Frage erörtert, ob "echter" Sex durch künstlichen ersetzt werden könne. So wird dem "Cybersex" eine grundlegende Verschiebung attestiert, weil er nicht länger die physische Interaktion zweier Menschen impliziert. Wenn es heißt, daß soziale und ökonomische Faktoren Menschen dazu zwängen, ein Leben im Stress zu führen, läge nichts näher, als gegen die daraus resultierende Isolation zu Felde zu ziehen. Hier ist jedoch das Gegenteil der Fall: Ein "Outsourcing" der Sexualität dergestalt, daß wenige agierten und viele beim Zuschauen Vergnügen empfänden, wird nahezu als Lösungsweg apostrophiert.

Natürlich kann man nicht umhin, Aspekte wie Zärtlichkeit, Wärme oder Liebe zu erwähnen, die dabei auf der Strecke bleiben. Doch schon im nächsten Schwenk erlaubt das reduktionistische Bild eines auf Funktionsabläufe verkürzten Menschen das Postulat, daß Androiden als Ersatzpartner theoretisch möglich seien. Ein Roboter, der einen anschaut, 37 Grad Körpertemperatur hat und eine gefühlsechte Oberfläche besitzt, könne durchaus als zärtlich empfunden werden. Zwar ließen sich tiefe Gefühle nicht kopieren, doch sei die Annäherung an "lebensechte" Körpermaschinen in erster Linie eine Kostenfrage. Bewegungen zu simulieren, wird dabei als größte technische Herausforderung ausgewiesen.

Wer sich mit der Problematik befaßt, zweibeinige Roboter zum Laufen zu bringen, stößt mit der Nase darauf, daß die Bewegungsweise des Menschen für die Wissenschaft ein Buch mit sieben Siegeln ist. Wenn Peter Asaro zwischenbilanziert, man habe seit 2001 einige Fortschritte bei der Übertragung auf Maschinen gemacht, komme aber nicht so schnell voran wie erwartet, ist dies die euphemistische Verschleierung eines nahezu unerschlossenen Terrains. Die Einschätzung, daß menschliche Interaktion eben weitaus schwerer auf Roboter übertragen werden könne als beispielsweise ein Schachprogramm, mündet in die lapidare Auskunft, man arbeite noch daran.

In welchem Ausmaß es sich gemessen am vorgehalten Anspruch um ein Rückzugsgefecht handelt, unterstreicht die Ausflucht, menschliches Verhalten sei durchaus auf Maschinen übertragbar, sofern man von "symbolischer Intelligenz" Abstand nimmt und sich auf "körperliches Know how" beschränkt. Auch Hunde oder Delphine verfügten über eine gewisse Intelligenz, weshalb Roboter insofern "Teil dieses Raumes" sein könnten, als es gewiß Analogien gebe. Gelänge es, die Maschine zu erschrecken oder sie in Angst zu versetzen, habe man einen Sinn vor sich, der sich zwar nicht artikuliere, aber dennoch präsent sei. Darüber könne man eine Beziehung zum Roboter aufbauen. Davon abgesehen, daß man bezeichnenderweise auf die Verletzlichkeit des Gegenübers als Einfallstor für den Aufbau einer Beziehung verfällt, zeugen die ins Bild gebrachten Experimente von der unreflektierten Denkfalle dieser Vorgehensweise. Man hat den Roboter so programmiert, daß er Schreckreaktionen wie das Schließen der Augen oder Abwenden des Kopfes ausführt, sobald man ihm eine grelle Leuchtstoffröhre unvermittelt dicht vor die Optik hält. Daraus abzuleiten, die Maschine verfüge somit über erste Elemente eigenen Wesens, vernebelt den Umstand, daß sie nur das ausführt, was man zuvor einprogrammiert hat.

Daß diese offensichtliche Lücke in der Argumentation nicht die Ausnahme bleibt, sondern im Gegenteil charakteristisch für die assoziative Vermengung zusammenhangsloser Versatzstücke aus Fiktion, Wunschdenken und unverhohlenen Verfügungsgelüsten ist, dokumentiert die These, daß es möglich sei "biologische Maschinen" zu bauen. Wenn in einigen Bereichen Maschinen gebaut werden, können sie auch in anderen gebaut werden, so die These: "Wir sind es ja, die sie bauen. Das ist zumindest das, was die Kybernetik sagt."

Projektion Golem - Foto: © 2011 by Schattenblick

Zum Dienen geschaffen, fürs Aufbegehren gestraft
Foto: © 2011 by Schattenblick

Wo Skepsis vorgehalten wird, bleibt sie affirmativ. Man müsse den Wunsch ausleuchten, diese golemähnlichen Figuren zu schaffen, und die daraus resultierende Technologie kontrollieren und beherrschen, heißt es beispielsweise. Auch darf ein Geistlicher seinen Einwand vortragen, daß diese künstlichen Wesen niemals menschlich werden könnten, da der Ursprung des Menschen in Gott liege und die Aspekte des Männlichen und Weiblichen normalerweise in einer Paarbeziehung festgeschrieben seien. Dem halten andere Stimmen entgegen, daß es keinen Unterschied zwischen wahrer und programmierter Liebe gebe, da beide mit Reproduktionswünschen zu tun hätten: "Wenn ein Roboter so programmiert ist, dann kann er ganz echt jemanden lieben."

Nicht von ungefähr werden im letzten gezeigten Filmausschnitt Japaner ins Bild gesetzt, die das Repertoire eines offenbar zum Verkauf angebotenen Roboters in einer Art Kundengespräch erörtern. Hausroboter aller Art stoßen bekanntlich in Japan auf enorme Resonanz, was Anlaß zu einer soziologischen, kulturanthropologischen oder gesellschaftspolitischen Debatte geben könnte. Diese wird jedoch von Peter Asaro an dieser Stelle nicht einmal angedeutet, geschweige denn als unverzichtbar ausgewiesen. Statt dessen wird die Möglichkeit erwogen, daß jemand nicht mit einem menschlichen Partner zusammenleben will, mit einem Roboter aber schon. Romantische Liebe schwinde schnell, worauf die 50 langen Jahre in der ewig gleichen Beziehung folgten. Natürlich sei da noch der Wunsch, Elternschaft zu erleben und Kinder aufwachsen zu sehen. Das sei ein Drang oder Trieb und habe etwas mit Evolution zu tun. Gibt es eine "organische Kraft", über die Menschen im Unterschied zu Maschinen verfügen? "Ich denke, es gibt diese organische Kraft nicht. Es ist nicht der Organismus, es ist die Technologie", lautet das von Peter Asaro gewählte Schlußwort, weshalb man die Aussage wohl als programmatisch auffassen kann.

Wenn man Menschen aller gesellschaftlichen Widerspruchslagen und der daraus resultierenden sozialen Fragen entkleidet, um ihren Wesenskern auf eine nicht näher ausgewiesene triebhafte "organische Kraft" zu reduzieren, kann man in der Tat auf die Idee verfallen, daß man der Lösung ihrer Probleme mit Hilfe der Robotik einen guten Schritt näherkommen könne. Das in der Überantwortung des Menschen an die Maschine aufscheinende Selbstverständnis ist ausschließlich reprojektiver Art, siedelt es doch die Überwindung als mangelhaft empfundener biologischer Ausstattung in einem Homunkulus an, der als Produkt akkumulationsgetriebener Rationalisierungs- und Effizienzträume jegliche Unberechenbarkeit und Unbemeßbarkeit kreatürlichen Lebens aufgegeben hat. Die Fortschreibung humaner Existenz in den Datenspeichern und Bewegungsmodulen eines in industrieller Paßförmigkeit erstarrten Erledigungsimperativs ... ein Todesprogramm, das selbst den untoten Rest möglichen Aufbegehrens eliminiert.

Fußnoten:

(1) Orland, Barbara (Hg.), Artifizielle Körper - Lebendige Technik, Zürich 2005, S.17/18

Zu "Die Untoten" bisher erschienen:

BERICHT/003: "Die Untoten" - Pressegespräch zu Kongress & Inszenierung vom 12.-14.5.2011 auf Kampnagel (SB)
BERICHT/004: "Die Untoten" - Im Stahlbad der transhumanistischen Optimierungsdoktrin (SB)

Eingangstüren Kampnagel - Foto: © 2011 by Schattenblick


Foto: © 2011 by Schattenblick

20. Mai 2011