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BERICHT/065: Poesie und Praxis - Lesung mit Raoul Schrott (Uni-Journal Jena)


Uni-Journal Jena - Nr. 01 - Sommersemester 2008

Poesie und Praxis: Lesung mit Raoul Schrott
Ein Globetrotter der Literatur


Raoul Schrott (Jahrgang 1964) besuchte Jena. Der Schriftsteller und Übersetzer hat am 14. Februar Gedichte aus seinem "Weissbuch" gelesen und über das Heilige in der alltäglichen poetischen Praxis gesprochen. Der öffentliche Vortrag im Campus beschloss den ersten Zyklus der Reihe "Poesie und Praxis", die das Collegium Europaeum Jenense (CEJ) zum Wintersemester 2007/08 begonnen hat und die auch von "Jena - Stadt der Wissenschaft 2008" gefördert wird.

"Raoul Schrott ist der Globetrotter der deutschsprachigen Literatur-Szene", würdigte Dr. Jan Volker Röhnert, Lyriker und Literaturwissenschaftler der Jenaer Universität den Gast vorab. Schrotts Vortrag knüpfte an die internationalen Poetik-Vorlesungen an, zu denen von 1993 bis 2001 namhafte Literaten auf Einladung Prof. Dr. Edwin Kratschmers in Jena lasen. Röhnert nennt Raoul Schrott einen Weltenbummler, vergleichbar mit Autoren wie Bruce Chatwin oder Jorge Luis Borges.

Aktuell wird der in Irland lebende Schriftsteller und Lyriker im Feuilleton verhandelt, weil er vorgibt, das "Rätsel Homer" gelöst zu haben - die FAZ räumte ihm dafür im Dezember gar vier Druckseiten ein. Im Zuge seiner Neuübersetzung der "Ilias" kommt Schrott zu der Erkenntnis, Homer habe in Kilikien gelebt, in der heutigen Türkei. Sein Buch "Homers Heimat. Der Kampf um Troia und seine realen Hintergründe" ist im März erschienen. Seine neu übersetzte "Ilias" ist für den Herbst 2008 angekündigt.


Neuauflage mit Praxisbezug

Vor Raoul Schrott haben bei "Poesie und Praxis" bereits Paula Böhmer und Jürgen Becker gelesen. "Die Resonanz war gut, Jena erinnerte sich der Poetik-Vorlesungen", so Röhnert. Dabei bietet die neue Reihe eine Besonderheit: Im Anschluss an ihre öffentlichen Vorträge stellen sich die Autoren dem Gespräch mit Studenten. "In einem Seminar können die Autoren zu Leben und Werk befragt werden", sagt Röhnert. Natürlich stehe das literarische Schaffen im Vordergrund - die Mehrzahl der Teilnehmer schreibt selbst.

Auch im laufenden Sommersemester wird die Reihe "Poesie und Praxis" - nun in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek - fortgesetzt.

Den Auftakt machte am 8. Mai Michael Krüger, ein Schriftsteller, der zugleich als Verleger tätig ist. Krüger, Jahrgang 1943, stammt aus Wittgendorf bei Zeitz. Er veröffentlichte u. a. den Roman "Himmelfarb" (1997) und das Hörbuch "Wettervorhersage" mit Gedichten (2001). Er arbeitet als geschäftsführender Gesellschafter im Carl Hanser Verlag. Zuletzt erschien sein Gedichtband "Unter freiem Himmel" (2007).

Am 12. Juni wird sich der Blick nach Westen richten. Der niederländische Erzähler Willem van Toorn, ein Freund Cees Nootebooms, kommt nach Jena. Toorn, Jahrgang 1935, beschreibt in "De rivier" (deutsch "Als würde ich vor Glück ersticken" 2005) eine Kindheit im von den Deutschen besetzten Amsterdam während des Zweiten Weltkriegs. Außerdem hat sich der Niederländer als Kinderbuchautor einen Namen gemacht, 2002 erschien sein Buch "Karotte, Maulwurf und die erste Liebe" auf Deutsch.


Brücken nach Osteuropa

So wie das CEJ bewusst Brücken nach Ost- und Südosteuropa schlägt, so wendet sich auch die Reihe "Poesie und Praxis" am 3. Juli einem osteuropäischen Autor zu. Zu Gast wird Antanas Jonynas sein. "Er kann sicher vieles über Lyrik im repressiven Staat erzählen", spekuliert Röhnert. Der 1953 in Vilnius geborene Jonynas arbeitet als Lyriker und Übersetzer; u.a. erhielt er den litauischen Staatspreis für seine Faust-Übersetzung. (sl)


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Quelle:
Uni-Journal Jena Nr. 01, Sommersemester 2008, S. 49
Herausgeber: Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Das Uni-Journal Jena erscheint zweimal pro Semester.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2008