Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → LITERATUR

BERICHT/046: Lesegenuß aus dem Nahen Osten (Freiburger Uni-Magazin)


Freiburger Uni-Magazin - 1/Februar 2006

Lesegenuss aus dem Nahen Osten

Freiburger Professoren sind Herausgeber der Buchreihe
"Türkische Bibliothek"


Wer sich für die Türkei interessiert, hat jetzt Gelegenheit, sich intensiv mit deren Kultur und Literatur zu beschäftigen: Mit der "Türkischen Bibliothek" hat die Robert Bosch Stiftung ein Übersetzungsprojekt ins Leben gerufen, das zu einer Lesereise durch das vergangene Jahrhundert der Türkei einlädt. Die Robert Bosch Stiftung fördert damit die Völkerverständigung und die deutsch-türkischen Beziehungen. Die Stiftung konnte Erika Glassen und Jens Peter Laut, beide Professoren am Orientalischen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Frei-burg, als Herausgeber der 20 Bände umfassenden Buchreihe gewinnen. "Es gibt zwar schon viele Übersetzungen aus dem Türkischen, aber die Auswahl der Titel war bislang eher zufällig", so Glassen. Mit der "Türkischen Bibliothek" werde es nun eine repräsentative Auswahl von Werken moderner türkischer Literatur geben, die zwischen 1900 und 2002 in der Türkei erschienen sind und einen "schlüssigen Gesamteindruck" vermitteln. Ob Roman, Autobiografie, Kurzgeschichten, Gedichte, Essays: Die Auswahl der Werke, die alle bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden, stimmten Glassen und Laut mit Literaturwissenschaftlern, Autoren und Türkei-Experten ab. Das Projekt ist nun auf vierzehn Romane und sechs Anthologien angelegt. Die ersten zwei Romane und eine Anthologie sind bereits übersetzt und beim Unionsverlag Zürich erschienen.


Unbekannte Autoren kennen lernen

Die "Türkische Bibliothek" richtet sich an deutschsprachige Leser, die sich für türkische Literatur interessieren und die die bekannten türkischen Autoren kennen. "Wir wollen zeigen, dass es neben den bekannten Protagonisten der türkischen Literatur auch Autorinnen und Autoren gibt, die sehr gute Literatur schreiben aber hier so gut wie unbekannt sind", sagt Laut. Auch die türkischstämmigen Leser, die zweite und dritte Generation türkischer Migranten, will die Reihe zum Lesen auffordern. Diese hätten häufig keinen Bezug mehr zu ihrer eigenen - auf Türkisch geschriebenen - Literatur, da sie oft die Sprache nicht gut genug beherrschten. "Der Zugang fällt ihnen mit Sicherheit leichter über das Deutsche", ist sich Laut sicher. Deshalb sind auch Unterrichtsmaterialien ein wichtiger Bestandteil der "Türkischen Bibliothek": Das literarisch-kulturelle Erbe der Türkei erhalte damit "ein Gesicht und ein Gewicht", was das Selbstbewusstsein der jungen Migranten stärke. "Wir wollen eine Bewusstseinsbildung schaffen", so Laut.


Freiburger Studierende arbeiten mit

Die Übersetzungen aus dem Türkischen stellen sehr hohe Anforderungen an die kulturelle Kompetenz der Übersetzer. "Da kann manches schief gehen", so Glassen. Damit dies nicht geschieht, wenden sich die Übersetzer bei Unklarheiten in der Übersetzung an die beiden Professoren, die dann herausfinden müssen, woher der jeweilige Begriff etymologisch kommt und wie dieser in den Kulturkreis eingebettet ist. Studierende am Orientalischen Seminar sind in die Arbeit eingebunden: Als Hilfskräfte forschen sie für "eines der größten Drittmittelprojekte bei den Geisteswissenschaften der Universität Freiburg". Sogar ein Übersetzer kommt aus den eigenen Reihen. Von der fruchtbaren Zusammenarbeit der Professoren profitieren alle Studierenden des Fachbereichs: Im kommenden Semester wollen die beiden Professoren gemeinsam ein Übersetzungsseminar anbieten. Ein ehemaliger Student des Orientalischen Seminars, Hasan Özdemir, der heute als Professor für Volkskunde und Islamwissenschaft in Ankara lebt und arbeitet, ist als Herausgeber der Anthologie "Traditionelle Stoffe aus der anatolischen, volkstümlichen Literatur" ("Anadolu halk edebiyatindan geleneksel konular") ebenfalls an der Entstehung der "Türkischen Bibliothek" beteiligt. Mit diesem Band soll der Leser einen Eindruck von dem "reichen mythischen Schatz der anatolischen Märchen, Sagen und Volksromanen" erhalten. Wer sich dafür interessiert, muss sich noch etwas gedulden. Die Bände der "Türkischen Bibliothek" erscheinen nicht chronologisch, aber bis 2009 wird auch der letzte Band vorliegen und damit die "Geistesgeschichte der modernen Türkei" vervollständigen.

sc


*


Info:

Bisher sind beim Unionsverlag Zürich folgende Bände
der "Türkischen Bibliothek" erschienen:

Leylâ Erbil: Eine seltsame Frau
(Tuhaf Bir Kadin/1971). Aus dem Türkischen von
Angelika Gillitz-Acar und Angelika Hoch. Nachwort
von Erika Glassen.

Ahmet Ümit: Nacht und Nebel (Sis ve Gece/1996).
Aus dem Türkischen und mit einem Nachwort von
Wolfgang Scharlipp.

Tevfik Turan (Hg.): Von Istanbul nach Hakkari.
Eine Rundreise in Geschichten. Aus dem Türkischen
von verschiedenen Übersetzern und Übersetzerinnen.
Nachwort von Erika Glassen.

Weitere Informationen zu den Büchern und zur
"Türkischen Bibliothek" gibt es im Internet
unter www.tuerkische-bibliothek.de


*


Quelle:
Freiburger Uni Magazin Nr. 1/Februar 2006, Seite 5
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Wolfgang Jäger
Redaktion: Eva Opitz (verantwortlich)
Kommunikation und Presse
Fahnenbergplatz, 79098 Freiburg,
Tel.: 0761/203-4301, Fax: 0761/203-4285
E-Mail: info@pr.uni-freiburg.de

Freiburger Uni-Magazin erscheint sechsmal jährlich.
Jahresabonnement 13,00 Euro.