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FILMKRITIK/015: Planet der Affen - Revolution (SB)


Planet der Affen - Revolution


Vom Befreiungskampf gegen die Menschen über die Bildung einer Jäger- und Sammlergesellschaft auf dem Weg zur imperialen Größe




Affen sind auch nur Menschen. Wäre es anders, bestünde die ernsthafte Gefahr, daß Menschen auf die Idee verfielen, die eigenen Motive, Absichten und Handlungen in Frage zu stellen. Da sei die Klischeeschmiede Hollywood vor! In dem Film "Planet der Affen - Revolution" (Originaltitel: Dawn of the Planet of the Apes, 2014) wurde jede Gelegenheit, ein auch nur geringfügig abweichendes Bild vom Affen als das eines Menschen - nur mit Vollfellverkleidung - zu zeichnen, erfolgreich vermieden.

Der aufwendig gemachte Film, bei dem per Computer eine Affenschablone auf die real aufgenommene Bewegung und Mimik der Schauspieler gelegt wird, setzt die Geschichte von "Planet der Affen - Prevolution" (2011) mit einem Zeitsprung von zehn Jahren fort. Fast die gesamte Menschheit ist von einem labortechnisch generierten Affenvirus ausgelöscht worden, und die von dem Schimpansen Caesar (Andy Serkis) aus Forschungslaboren und Zoos befreiten Affen haben sich an einem heimeligen Ort bei einem Wasserfall in den Wäldern Kaliforniens eine Siedlung aufgebaut, wo sie harmonisch im Einklang mit sich und der Natur leben. Soll heißen, sie töten nicht ihre Artgenossen, sondern andere Tiere, und haben Pferde domestiziert, damit sie auf ihnen einen von blindwütigem Haß getriebenen Terrorangriff gegen eine menschliche Siedlung starten können ....

Das war zwar jetzt ein kräftiger Handlungssprung, aber was dazwischen passiert ist, läßt sich schnell und schlaglichtartig wiedergeben, da von Szenen und Dialogen, mithin dem gesamten Plot aus zahllosen anderen Filmen sattsam bekannt: Eine Gruppe von Menschen aus San Francisco, die ein Wasserkraftwerk in Betrieb nehmen will, dringt unwissentlich in das Affengebiet ein. Zu der Gruppe gehört die typische cineastische Dumpfbacke, die beim Erstkontakt zwischen den mit Schußwaffen ausgerüsteten und den mit Speeren bewehrten Primatenarten einen Schimpansen über den Haufen schießt. Die Menschen, in dieser Situation eigentlich der herbeigeeilten Affenschar hoffnungslos unterlegen, dürfen ungeschoren abziehen. Sollen aber nicht wiederkommen. Tun sie aber. Denn sie brauchen ja den elektrischen Strom. Affenanführer Caesar gestattet ihnen, das Kraftwerk in Betrieb zu setzen.

Unterdessen schleicht sich der von finsteren Absichten getriebene Bonobo Koba (Toby Kebbell) zu den Menschen in die Stadt, entdeckt ein riesiges Waffenlager, mäht mit einer MP zwei Menschen um, kehrt zurück, schießt in einer US-typischen False-Flag-Operation seinen Anführer Caesar nieder und schiebt die Tat den Menschen unter. Durch diesen fiesen Trick schwingt sich Koba zum Anführer auf und greift mitsamt der wilden Affenhorde den Zufluchtsort der Menschen an - frontal, rücksichtslos gegenüber sich und den anderen, also wie eh und je die bösen Hollywood-Indianer Wagentrecks der ach so arglosen weißen Siedler zu attackieren pflegen.

Wie gesagt, in der Affengesellschaft, die einst aus dem Aufbegehren gegenüber der Herrschaft des Menschen und der Befreiung von Tieren entstanden ist, setzt sich das vom Nutzungsinteresse bestimmte Mensch-Tier-Verhältnis dadurch fort, daß einige angreifende Affen auf Pferden reiten. Die Menschen verteidigen sich heldenhaft, drohen aber zu verlieren.

Caesar war jedoch nur schwer verletzt worden und wird von den Menschen geheilt. Es kommt zum klassischen Showdown in der Spitze eines im Bau befindlichen Turms. Caesar versus Koba. Ersterer gewinnt - nicht etwa dank seiner körperlichen Überlegenheit, denn er ist noch sehr geschwächt -, sondern weil er Amerikaner ist oder, äquivalent dazu, weil er davon beseelt ist, für das Gute zu kämpfen, und das siegt in dieser Art von Filmen ausnahmslos immer. So geschieht es, daß am Ende des Kampfs der Gute den Bösen an nur noch einer Hand in schwindelerregender Höhe über dem Abgrund hält. Jetzt auf einmal, nur um sein niederträchtiges Leben zu retten, fällt dem Finsterling der ethische Leitsatz der Affengesellschaft ein, an den er sich selbst zuvor nicht gehalten hat, und wirft sein letztes Pfund in die Waage, indem er fleht: "Affen töten keine Affen."

Aber Caesar, ganz der Herrscher, der er bis dahin noch nicht war, erwidert: "Du bist kein Affe!" Die Hand löst sich. Seines Status' als Affe (sprich: seiner Menschlichkeit) qua höherer Instanz legitimierter Gewalt entledigt, schlägt Koba irgendwo im Schutt und Dreck am Boden auf. Nicht eines Kamerablicks würdig. Vernichtet ist der Feind aller Guten. Vielleicht hat es die Zeit nie gegeben, in der ein Täter, zumal in Anbetracht seiner leidvollen Vergangenheit, die Chance auf Rehabilitation erhält, und bekanntlich enden Filmschurken meist auf diese Weise. Aber daß "Planet der Affen - Revolution" hier keinen anderen Weg einschlägt, macht den Film ... gewöhnlich.

Schlußszene: Innerlich gereift durch die Größe seiner Aufgabe - ein Anführer muß auch schwierige Entscheidungen treffen können (subtextual: seine Leute für das "höhere" Ziel opfern) -, schreitet der siegreiche Caesar durch die Reihen seiner Untertanen, die sich vor ihm niederwerfen und ihre Häupter lange Zeit gesenkt halten. Allerletzte Schlußszene: Einer der guten Menschen, Malcom (Jason Clarke) warnt den Affenanführer, es seien Kampfjets im Anflug, er müsse verschwinden. Doch Caesar bleibt, der Krieg hat begonnen. Verkaufsschlau hat die Filmgesellschaft 20th Century Fox bereits für 2016 den letzten Teil der Trilogie angekündigt. Worum es dabei wohl geht?

Der Film, gespickt mit offener und versteckter Symbolik, kann als einzige Metapher auf die menschliche Zivilisationsgeschichte, die von den Affen in Zeitraffer nachvollzogen wird, verstanden werden. Angefangen vom Dasein als Jäger und Sammler, über die Fertigkeit, Feuer zu machen, zu lesen und zu schreiben, menschliche Sprache zu benutzen, bis hin, sich Pferde zu unterwerfen sowie Waffen und andere Technik zu bedienen. Parallel dazu, und das ist noch die entscheidendere Entwicklung, wandelt sich die Form des Zusammenlebens vom Stamm bzw. Volk, in dem noch keine Hierarchien zu erkennen sind - ungeachtet dessen, daß bei Entscheidungen von weitreichender, das gesamte Volk betreffender Fragen Caesar zu Rate gezogen wird -, zur imperialen Gesellschaft mit einem überirdisch anmutenden, da von den Toten auferstandenen "Heiland" oder Führer, vor dem andere das Haupt neigen. So wird eine ursprünglich kurze Geste unter den Affen, bei der nach der Beilegung eines Streitfalls der Unterlegene den Kopf senkt und die offene Hand nach oben streckt, woraufhin diese von dem Überlegenen kurz berührt wird, zu einem Dauerunterwerfungsverhalten.

Als kurze Nebenhandlung, aber von der Aussage her von nicht zu unterschätzender Bedeutung, wird die sterbende Frau Caesars von der ausgebildeten Ärztin Elli (Keri Russell) mit Hilfe überlegener menschlicher Medizin geheilt. Was soll uns das in unserer Welt, in der Jahr für Jahr mehr als 100 Millionen Wirbeltiere und eine noch höhere Zahl an Wirbellosen unter anderem für medizinische Zwecke getötet werden, sagen? Ihr Tod war nicht umsonst, denn dadurch wurde die Affenfrau, die Caesar soeben den zweiten Sohn (und weiteren potentiellen Thronfolger - nur für den Fall, daß der erste umkommt?) geschenkt hat, geheilt. Indirekt wird damit auch dem von mehreren langen Folternarben aus seiner Zeit als gefangenes Versuchstier gezeichneten Koba die Legitimation für sein kompromißloses Vorgehen gegen die Menschen abgesprochen.

Weitere Nebenhandlung: Vater-Sohn-Konflikt. Mal wieder. Sohnemann Blue Eyes (Nick Thurston) befindet sich in einem Alter, in dem sich die Persönlichkeit nicht zuletzt durch den Widerstand gegenüber dem Vater entwickelt. Bei der Jagd wird Blue Eyes von einem Bären verletzt, weil er nicht auf seinen Dad gehört hat. In dieser Phase der Selbstfindung ist so ein Junge besonders anfällig für Einflüsterungen und folgt dem Bärentöter Koba. Aber am Ende siegt die gute Erziehung, das solide Erbgut oder was auch immer. Jedenfalls schlägt sich der Sohn auf die Seite der Menschen, die seinen Vater geheilt haben und ist damit als dessen Nachfolger prädestiniert.

Seitdem die von den USA dominierte westliche Filmindustrie inzwischen so gut wie alle einigermaßen identifikationsgeeigneten Tiere und Sachen für ihre Zwecke verwertet, wissen wir, daß nicht nur Rehe (Bambi) und Fische (Nemo) menschliche Träume, Wünsche und Hoffnungen haben, sondern auch Außerirdische (E.T.) und Müllabfuhrwagen (Wall.e). Selbstverständlich auch Affen. Bereits das Filmmonster King Kong (erstmals 1933) suchte nur Nähe und Verständnis, was ihm jedoch von den Menschen verwehrt wurde.

Die Filmemacher von "Planet der Affen - Revolution" haben nichts riskiert, was den kommerziellen Erfolg ihres Produkts gefährden könnte. Damit bewegt sich die Filmindustrie technologisch weiter auf die umsatzstarke Computer- und Videospielindustrie zu; die Einstellung aus der Sicht Kobas bei der Erstürmung des menschlichen Refugiums hätte auch einem Ego-Shooter-Spiel entnommen sein können. Gut und Böse sind in diesem Streifen zweifelsfrei festgelegt. Filme wie dieser gehören zum Leim, der die gesellschaftliche Ordnung, der Basis der Tierverwertung in Forschungslaboren, zusammenhalten soll. Manche Menschen strömen ins Kino, um zu sehen, was sie immer sehen wollen, und verlassen es mit der Gewißheit, daß die Welt so ist, wie sie sie sich vorgestellt haben. Diesem Wunsch wird entsprochen.

Filmographie

Deutscher Titel: Planet der Affen - Revolution
Originaltitel: Dawn of the Planet of the Apes
Produktionsland: USA
Erscheinungsjahr: 2014
Länge: 130 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12

Regie: Matt Reeves
Drehbuch: Rick Jaffa, Amanda Silver, Mark Bomback
Produktion: Peter Chernin, Dylan Clark, Rick Jaffa, Amanda Silver
Musik: Michael Giacchino
Kamera: Michael Seresin
Schnitt: William Hoy, Stan Salfas

Besetzung
Menschen:
Jason Clarke: Malcolm
Gary Oldman: Dreyfus
Keri Russell: Ellie
Kodi Smit-McPhee: Alexander
Kirk Acevedo: Carver
Enrique Murciano: Kemp

Affen:
Andy Serkis: Caesar
Toby Kebbell: Koba
Nick Thurston: Blue Eyes
Terry Notary: Rocket
Karin Konoval: Maurice
Judy Greer: Cornelia
Doc Shaw: Ash


17. November 2014


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