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FILMKRITIK/011: Black Swan (SB)


'Dort, dahinten sieh' genau hin: Der Tanz trägt ein neues Gewand'




Glasklar ist die Impression, die einen erwartet, wenn die ersten Bilder - des Vorspanns - über die Leinwand streichen. Black Swan, von diesem Film wird gesprochen, durchaus kontrovers. Bekannt sind die zahlreichen Oscarnominierungen sowie Lobhymnen auf das Werk, sein Tiefgang, seine Einzigartigkeit, die Leistung Portmans in der Hauptrolle.
Es gibt jedoch auch Gegenstimmen, aus den - man könnte sagen - eigenen Reihen. 'Klischees würden hier neu aufgekocht', so tönt es aus Tänzerkreisen. Besonders in den Anfangsminuten, die mit Blicken und Beschimpfung den klassischen Ehrgeiz und Neid beschreiben, für welchen die Kunst des Balletts bekannt ist.
Sicherlich gibt es hier und dort Momente, die als makaberer Kitsch angesehen werden könnten. So zeichnet der rote Lippenstift, der benutzt wird, um die gerade gewählte Solistin Nina am Toilettenspiegel als 'Schlampe' zu beschimpfen, ein altbekanntes fast schon angegrautes Bild des Genres nach.
Doch nicht nur die Handlung lässt schnell klar werden, dass sich das Interesse und der inhaltliche Spielraum schon weit über den Fragen der Klischeeverarbeitung bewegen:
Nina (Natalie Portman) ist Ende zwanzig und langjähriges Mitglied des Ensembles des New York Ballet. Jetzt scheint das Mädchen, welches noch immer bei ihrer Mutter lebt und - so wirkt es - aus selbstgewähltem Ehrgeiz noch nicht viel mehr gesehen hat als das Tanzstudio und ihr blumig helles Kinderzimmer, die Chance ihres Lebens zu erhalten: Für die Schwanenkönigin wird eine neue Besetzung gewählt und sie hat es geschafft.
Doch zeitgleich mit dem Traum wächst der Alptraum. Die ohnehin schon kleine Welt der Ballerina zieht sich noch enger zusammen und der Druck der Rolle lastet schwer, wird zur Angst, Panik. Zum Wahn. Bilder beginnen sich zu bewegen, dunkle Gestalten tauchen auf. Dinge, die sie erlebt, scheinen nie geschehen zu sein. Und doch passt das Puzzle. Wo ist die sichere Wirklichkeit geblieben? Auch der Zuschauer verlässt den sicheren Pfad, findet sich in einem Nebel aus Angst, Gefühlen und realer Bedrohung wieder - und am Ende ist es nicht mehr die Frage nach 'dem Verbleib der Realität', sondern die nach 'ihrer Wichtigkeit', welche übrig bleibt.

Es sind die Zwischentöne - Farben, Kameraführung und Musik -, welche die Sprache des Filmes sprechen. Sie erzählen davon, dass Klischees eine Verständigungsbasis schaffen und hier auch nicht viel mehr, aber auch nicht weniger sind als die Grundlage für das Psychogramm eines Menschen der sich in einer Welt bewegt, die ausgepolstert ist mit den Stoffen der Illusion, der Einbildung. Diese Polster machen nicht nur die Realität des New York City Ballet erträglicher, sondern könnten womöglich eine Welt widerspiegeln, welche uns sehr vertraut vorkommt. Denn der Druck wächst. Leistungssportler sind auf einmal nur noch ein Symbol dessen, was uns insgeheim schon längst alle beschleicht. Eindrücke, die ein unvermitteltes Gefühl der Verwandtschaft mit dem Schicksal der jungen Nina vermitteln, welches natürlich ausschließlich die anderen, aber niemals einen selbst betrifft.
Alles in allem erwartet einen ein düster-brillantes Kunstwerk, das von viel mehr erzählt als 'nur' dem Tanz, aber sich dessen vielschichtiger Sprache und Subtilität auf bisher ungesehene Weise bedient.
Nicht nur Natalie Portman, Winona Rider sowie Mila Kunis glänzen in einem Film, der dem Bereich des großen Kinotanzfilms, in dem sich bis jetzt Filme wie 'Honey', 'Save The Last Dance' oder 'Center Stage' tummeln, endlich einen lange vermissten, aber wohl verdienten, Tiefgang hinzufügt.

Britta Barthel

23. Februar 2011

Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick BLACK SWAN

Originaltitel: Black Swan, USA
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 2010
Länge: 103 Minuten
FSK 16
BMUKK 16
Regie: Darren Aronofsky
Drehbuch: Andres Heinz, Mark Heyman
Musik: Clint Mansell
Kamera: Matthew Libatique
Produktion: Scott Franklin, Mike Medavoy, Arnold Messer, Brian Oliver
Mit: Natalie Portman, Vincent Cassel, Mila Kunis, Barbara Hershey, Winona Ryder, Toby Hemingway