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INTERNATIONAL/013: Argentinien - Digitale Revolution erreicht Schulen, Laptops erobern Klassenräume (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. November 2011

Argentinien: Digitale Revolution erreicht die Schulen - Laptops erobern Klassenräume

von Marcela Valente


Buenos Aires, 11. November (IPS) - Die Hälfte der weiterführenden staatlichen Schulen Argentiniens kann inzwischen allen Schülern und Lehrern Laptops mit Internetverbindung zur Verfügung stellen. Selbst die Dörfer in den abgelegenen Regionen des südamerikanischen Landes sind mit der digitalen Welt verbunden.

Das 2009 vom Bildungsministerium und weiteren Behörden eingeführte 'Programa Conectar Igualdad' (Programm Verbindung zur Gleichheit) hat bislang fast 1,8 Millionen Schüler und Lehrer erreicht. Nun soll dafür gesorgt werden, dass im kommenden Jahr 3,7 Millionen Laptops bereitstehen.

"Wir dachten, dass wir auf Widerstand stoßen würden. Die Zusammenarbeit ist jedoch sehr gut", sagte die Koordinatorin des Programms im Bildungsministerium, Cynthia Zapata. "Die Kurse sind voll, und wir bieten ständig neue an."

Zuerst werden die Schulleiter im Umgang mit den Computern unterwiesen. Für die Lehrer werden andere Kurse angeboten, von denen einige Fernlehrgänge sind. Wie Zapata erklärte, ist ein Teil der Fortbildung auf bestimmte Unterrichtsfächer zugeschnitten.

Für die rund 220.000 Direktoren, Lehrer und anderen Schulbediensteten wurden bislang 470.000 Kurse abgehalten. Außerdem bietet die Organisation Iberoamerikanischer Staaten für Bildung, Wissenschaft und Kultur Online-Training auf verschiedenen Ebenen an.

Im Gegensatz zu den herkömmlichen Computerkursen von ein bis zwei Wochenstunden, die in den Technikräumen der Schulen stattfinden, sieht das Programa Conectar Igualdad vor, dass jeder Schüler ein Laptop mit nach Hause nehmen kann.


Integrierte Diebstahlsicherung

Die Projektverantwortlichen haben sich allerdings gegen Missbrauch abgesichert. Wenn sich ein Kind länger nicht mehr in der Schule blicken lässt, kann es den Computer nicht mehr allein hochfahren. Auch nach einem Diebstahl funktioniert der Rechner erst wieder, wenn er durch den Server in der Schule reaktiviert wird.

Das Programm ist Teil des Projekts 'Ein Laptop für jedes Kind', das von einer gleichnamigen nichtstaatlichen Organisation im US-Bundesstaat Florida durchgeführt wird. Ziel ist, die Jugend im globalen Süden für das digitale Zeitalter fit zu machen. Das Projekt wird mittlerweile in Ländern auf allen Kontinenten umgesetzt.

Im vergangenen Jahr schaffte es Uruguay als erstes Land der Welt, jedem Grundschüler ein leuchtend grünes XO-Laptop zur Verfügung zu stellen. Insgesamt erhielten rund 370.000 Kinder durch den 'Plan Ceibal' Anschluss an die digitale Technik. Im gleichen Jahr wurden blaue XO-1,5-Laptops an Jugendliche an höheren Schulen verteilt.

Argentinien setzte das Programm zunächst in den Lehrerfortbildungsstätten um. Ein weiterer Fokus lag auf den weiterführenden Schulen und auf Bildungseinrichtungen für Kinder mit Behinderungen. Das Bundesministerium für Planung ist für die Technik verantwortlich, stellt Server bereit und sorgt für funktionierende Internetverbindungen. In jeder Schule gibt es einen IT-Experten, der bei technischen Problemen vor Ort hilft.

Die Schüler nutzen die XO-Netbooks leihweise und können sie behalten, wenn sie ihren Abschluss schaffen. An manchen Universitäten sieht man schon einige Studenten, die solche Laptops bei sich haben. Viele Schulleiter sind davon überzeugt, dass die Computer den Schülern einen zusätzlichen Anreiz zum Lernen bieten.

Das Laptop-Programm hat innerhalb der Familien und in den Schulen bereits eine Revolution bewirkt. In vielen Fällen ist das XO-Netbook der erste Computer, der in den Familien Einzug hält. In sozial schwachen Regionen ist er manchmal sogar der einzige Rechner im ganzen Viertel.


Digitale Kompetenz für die ganze Familie

"Im Idealfall wird damit auch den Familien digitale Kompetenz vermittelt", meinte Graciela Sommerfeld, die eine Schule in Garupá in der nordostargentinischen Provinz Misiones leitet. "Oft tun sich die Kinder aber schwer damit, ihre Laptops mit anderen zu teilen", räumte sie im Gespräch mit IPS ein. "Daran müssen wir noch arbeiten.

Seit einem Jahr werden auch an Sommerfelds Schule Computer verteilt. Etwa drei Viertel der insgesamt 350 Schüler stammen aus armen Verhältnissen. "Erst war das Laptop für sie ein Spielzeug, inzwischen ist es ein Arbeitsinstrument", sagte die Direktorin.

Viele Eltern in dem rund 1.000 Kilometer von der Hauptstadt Buenos Aires entfernten Distrikt wollen ihre Kinder nun an dieser Schule anmelden. Internetanschlüsse gibt es dort zwar noch nicht, doch die Computer enthalten bereits vielfältige Informationen und Materialien.

"Die Lehrer berichten uns, dass sich die Kinder tatsächlich verändert haben", erklärte Sommerfeld. "Sie haben jetzt sogar Spaß an der Mathematik." An der Schule findet auch ein Multimedia-Workshop statt, wo den Teilnehmern das Filmen, Editieren und Produzieren kurzer Videos beigebracht wird. Dazu nutzen sie die in die Computer integrierte Webcam.


Von der Steinzeit ins Computerzeitalter

Eine landesweite Verteilung von Computern bleibt in dem 2,8 Millionen Quadratkilometer großen Land mit rund 40 Millionen Einwohnern allerdings eine große Herausforderung. Auf der Insel Apipé, die 800 Kilometer von Buenos Aires entfernt in der östlichen Provinz Corrientes liegt, gibt es erst seit sechs Jahren Strom. Dabei befindet sich direkt in der Nähe das riesige Yacyretá-Wasserkraftwerk, das von Argentinien und Paraguay gemeinsam betrieben wird.

Inzwischen nutzen die etwa 2.500 Inselbewohner nicht nur Elektrizität, sondern auch Internetverbindungen. 400 Schüler haben dort außerdem über das Programa Conectar Igualdad Computer erhalten. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://one.laptop.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105774

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2011