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STECKBRIEF/024: Gaston - Redaktionsbote und Lebenskünstler (SB)


Von der namenlosen Randfigur zum liebenswürdigen Schussel


Gaston, einer der beliebtesten Comic-Helden des Zeichners André Franquin, fing ganz klein an. Eigentlich sollte er so eine Art Lückenbüßer werden, eine Figur, die in keiner der laufenden Serien mitspielte, im Gegensatz zu den bekannten Schemata keine besonderen Eigenschaften aufwies, außer, daß es sich um einen Dummkopf handelte, und der noch dazu arbeitslos und weder schön noch stark war. André Franquin (der zu dieser Zeit sehr erfolgreich "Spirou und Fantasio" zeichnete) hatte die Idee und Chefredakteur Yvan Delporte war begeistert. Am 28. Februar 1957 hatte die zu jener Zeit noch namenlose Figur ihren ersten Auftritt.

Zu Beginn wußte Franquin selbst noch nicht, was aus der Figur einmal werden sollte. So sah denn auch der Anfang von Gastons Karriere bei Spirou aus. Wochenlang kam er einfach nur in die Redaktion - und machte alle wahnsinnig neugierig. Die Zeichnungen waren stets von blauen Fußabdrücken umgeben, die binnen kurzem sein Markenzeichen wurden. Erst dreizehn Wochen nach seinem ersten Erscheinen erhielt er (übrigens in Anlehnung an einen Freund Delportes, dem auch immer recht viele Mißgeschicke passierten), seinen Namen und begann kurz darauf zu sprechen:

Wer bist du?
Gaston.
Was machst du hier?
Ich warte.
Worauf wartest du?
Ich weiß nicht, ich warte eben ...
Wer hat dich denn geschickt?
Man hat mir gesagt, ich soll hierherkommen.
Wer denn?
Weiß ich nicht mehr...
Und wozu?
Zum Arbeiten ...
Als was denn?
Weiß ich nicht ... ich bin eingestellt worden ...
Und du bist ganz sicher, daß du hierherkommen solltest?
Tja ...

Etwa zehn Monate nach der Einführung der Figur hatten Franquin und Delporte den Eindruck, daß nunmehr alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren, die Gaston als Randfigur zur Belebung des Magazins bot. Da der sympathische Lebenskünstler den Lesern mittlerweile ans Herz gewachsen war, entschlossen sie sich dazu, ihn - entgegen der ursprünglichen Idee - doch in den Mittelpunkt einer eigenen Serie zu stellen. Franquin maß der Figur jedoch nach wie vor nicht allzuviel Bedeutung bei. Man begann bescheiden mit zwei Strips, die sich unten im Heft gegenüberstanden, eine Form, die etwa zwei Jahre lang beibehalten wurde, ehe 1959 eine halbe und ab 1966 wöchentlich eine ganze Seite erschien. Später bekam der verkannte Erfinder, der mit seiner liebenswürdigen Schusseligkeit die Leser mehr und mehr begeisterte, auch eine eigene Albenreihe.

Die Redaktionsräume in den Strips sind übrigens nicht, wie man wahrscheinlich vermuten würde, der echten Spirou-Redaktion nachempfunden, sondern reine Fiktion. Franquin, der zu jener Zeit selten in der Redaktion war, zeichnete alles bei sich zuhause aus dem Gefühl heraus. Auch die Angestellten sind, bis auf eine winzige Ausnahme, frei erfunden. Lediglich Demels Bart ähnelt dem eines Mitarbeiters aus der flämischen Redaktion von Spirou.

18. Juli 2007