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STECKBRIEF/018: Dick Tracy - Der Urahn aller Polizistencomics


Der Urahn aller Polizistencomics


1931, zu einer Zeit, als Amerika immer noch unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise litt und schon von daher Gangstertum und Verbrechen nicht nur im Kino "Thema" waren, entstand die Serie "Dick Tracy", die nicht nur Urahn aller Polizistencomics, sondern zugleich auch die erste extrem realistische Serie war, mit der die Gewalt Einzug in die Welt der Comics hielt.

Dick Tracy, der gleichnamige Held der von Chester Gould geschaffenen Serie, der nicht nur wegen seines ausgeprägten Gerechtigkeitssinns zur Polizei ging, sondern vor allem, weil er auf Rache sann, nachdem Gangster den Vater seiner späteren Frau erschossen hatten, ist von seinen zahlreichen Kollegen, die ihm während seiner Ermittlungen zur Seite stehen, unbestritten der härteste und entschlossenste. Sehr zur Freude seiner Leser führt er neben seiner nervenzehrenden und gefährlichen Arbeit jedoch auch ein intensives Privatleben, das sich zuweilen mit seinem Beruf überschneidet, wenn zum Beispiel sowohl Adoptivsohn Junior als auch Gattin Tess Trueheart und Tochter Bonnie Braids von Zeit zu Zeit entführt werden.

Ab 1934 traten Dick Tracys Nachahmer in seine Fußstapfen: "Secret Agent X-9" nach Texten des Krimi-Autors Dashiell Hammett, "Red Barry" und "Radio Patrol", um nur einige Namen der ersten Stunde zu nennen. Nach dem 2. Weltkrieg kamen Serien wie "Inspector Wade" oder Will Eisners "Spirit" hinzu, gefolgt von zahllosen weiteren Cops und Privatdetektiven.

Gould galt als Meister der Spannung und des kinoartigen Szenenwechsels und wurde ob seines expressionistisch geprägten Stils auch als "George Grosz der Comics" bezeichnet. Überaus zahlreich waren die physiognomischen Variationen seiner "Schurken", aber auch seine Dick-Tracy-Darstellungen entbehrten nicht einer großen Vielfalt.

So ganz und gar nicht in diese so sehr auf dem Boden der Tatsachen stehende Serie paßte der Fakt, daß Junior 1964 ein Mädchen vom Mond namens "Moon Maid" heiratete, das über geheimnisvolle Fähigkeiten verfügte. Über die Gründe des Autors für diese Unstimmigkeit kann man nur spekulieren. Manche vermuten, da Gould es bei seiner Popularität nicht nötig hatte, Zugeständnisse an die just in Mode gekommene utopische Literatur zu machen, dahinter eine Art versteckte Resignation, da sich das Alltagsleben der kriminellen Szene zunehmend weniger in actionreichen Schießereien und mehr in verwickelten und hintergründigen Verbrechen abspielte, die nur schwer in handlungsträchtige Bilder umzusetzen waren.

Der Kinofilm "Dick Tracy" aus dem Jahr 1990 mit Warren Beatty in der Titelrolle (von dem es übrigens wiederum eine Comic-Version gab) war beileibe nicht die erste Realverfilmung dieses Stoffs. In den Jahren von 1937 bis 1947 wurden bereits sechs Kino-Filme abgedreht (alle mit Ralph Boyd als Dick Tracy), es gab eine Radio- und eine Fernsehserie. Auch eine sehr erfolgreiche Parodie lief jahrelang parallel zu Dick Tracy: "Ferless Fosdick", 1948 von Al Capp geschaffen. Der ungeschickte und vom Pech verfolgte Fosdick, die Karikatur eines gesetzestreuen Beamten, diente allen Kollegen als willkommene Zielscheibe.

Bis heute wird die Serie in über 100 US-Zeitungen veröffentlicht.


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Chester Gould wurde am 20.11.1900 in Pawnee/Oklahoma geboren. Sein Vater war Herausgeber einer der örtlichen Tageszeitungen, was ihm jedoch auf seinem Weg zum Comiczeichner nicht weiterhalf, denn er sollte eigentlich Rechtsanwalt werden. Noch während seines Studiums zeichnete er jedoch Sportcartoons für den "Oklahoma City Daily" und nach dem Abschluß kreierte er mit "American Fillum Fables" (für den "Chicago" von Hearst) eine amüsante Parodie auf das Hollywood-Kino. Nachdem er seinen "Dick Tracy" erfunden hatte, war er, bis er ihn 1977 seinem Assistenten, dem Texter Max Collins und dem Zeichner Dick Fletcher überließ, mit dieser Serie voll ausgelastet. Chester Gould starb am 11.5.1985.

7. Februar 2007