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PORTRAIT/008: Dik Browne, der Schöpfer von "Hägar dem Schrecklichen" (SB)


Dik Browne


Es ist kein Geheimnis: Für den 1973 geschaffenen Hägar hat sein Erfinder in weiten Zügen selbst Modell gestanden, was sich jedoch nicht nur auf die äußere Erscheinung (wie etwa Leibesumfang und Bart) beschränkte. Auch von seiner ganzen Lebenseinstellung her hat Hägar, der stets versucht, seinem Beinamen alle Ehre zu machen, in Wirklichkeit aber ebenso gutmütig wie häuslich ist, einen guten Teil seines Ziehvaters mit auf den Weg bekommen.

Dik Browne wurde am 11. August 1917 in New York unter dem Namen Richard Arthur Allan Browne geboren. Schon der Direktor seiner ersten Schule sagte zu dem Knaben: "Richard, wenn du nicht endlich aufhörst, diese albernen Bilder zu malen und anfängst, ordentlich zu arbeiten, wirst du an einem heißen Ort landen!" Damals schrieb man das Jahr 1926. Glücklicherweise hielt sich der kleine Richard nicht an den Ratschlag. Im Alter von 15 Jahren, als er die Cooper Union School besuchte, nahm sich der dortige Zeichenlehrer des Jungen an und förderte sein Talent. Bei ihm, der der Autor eines Buches mit dem Titel "Natürliches Zeichnen" war, übte Richard zu skizzieren, ohne auf das Blatt zu sehen. Außerdem wurde besonderes Gewicht auf die Gestik, weniger auf die Einzelheiten gelegt. Diese beiden für ihn sehr wichtigen Prinzipien, so Dik Browne, habe er auch späterhin immer beherzigt.

1936 begann Richard Browne seine erste berufliche Tätigkeit. Zunächst arbeitete er als Laufjunge beim New York Journal. Ihn beeindruckte die Atmosphäre in der Redaktion dieser großen Zeitung. "Man stand bis zu den Knien in Zeitungen, in denen weggeworfene Zigarettenstummel kleine Vulkane bildeten. Gleich neben dem Schreibtisch des Chefredakteurs gab es einen Würstchenstand. Ein Liliputaner schimpfte über die Bedienung. Und ein Redakteur haute einem betrunkenen Umschreiber ein Telefonbuch um die Ohren. Die Szene hätte aus Dantes Inferno stammen können - ich war begeistert!"

Damals war der Traum des jungen Richard Browne, Pressereporter zu werden. Doch es stellte sich schnell heraus, daß er dafür nicht geeignet war. Der 19jährige war zu schüchtern, um unangenehme Fragen zu stellen, er war nervös und noch dazu verlief er sich des öfteren in den Straßenschluchten von New York. Doch seine Karikaturen erregten die Aufmerksamkeit des Chefredakteurs und so sorgte dieser dafür, daß der junge Mann Zugang zu den Gerichtssälen bekam, die Reportern und Fotografen verschlossen blieben. Richard zeichnete bei verschiedenen Verfahren, unter anderem dem berühmten Lucky Luciano-Prozeß, Gerichtsskizzen, die in der Zeitung veröffentlicht wurden.

Als eine Art "Beförderung" wurde Richard Browne in die Grafik-Abteilung versetzt, wo er Landkarten zu zeichnen hatte. Er begann, seine Zeichnungen mit "Dik Browne" zu signieren, da er Bezeichnungen wie "Dickie" oder "Brownie" allmählich nicht mehr leiden konnte. Aus dieser Zeit ist eine drollige Anekdote überliefert: Als eines Tages der Art Director eine dieser Karten ansah, soll er gebrüllt haben: "Was zum Teufel ist Dik Browne, ein Ozean?" - woraufhin die Zeichner die Auflage bekamen, ihren Namen nicht größer als zu schreiben als den Namen eines Kontinents.

Aus jener Zeit stammt auch Dik Brownes erster Comic Strip, den er zusammen mit einem anderen Laufjungen entwickelte. Allerdings kam "Muttle die Gonif" niemals an das Licht der Öffentlichkeit. 1942 bewarb Browne sich als Kartenzeichner und Kriegsillustrator bei Newsweek. Ihm ging es - wie vielen anderen Amerikanern, die die Wirtschaftskrise mit Ach und Krach überstanden hatten - finanziell sehr schlecht. Doch dann traf er Joan, seine zukünftige Frau, die er am 10. Mai 1942 heiratete. Sie baute ihn auf und gab ihm das nötige Selbstvertrauen. Schon bald hatte er auch beruflich die ersten Erfolge zu verzeichnen.

Seine Zeit als Soldat verbrachte Dik Browne in Florida, wo er stationiert war. Zwar waren seine kriegerischen Leistungen auf Wachdienste beschränkt, für die man ihm zwar einen Schlagstock sowie Patronen, aber keine Pistole aushändigte (Dik Browne dazu: "Wahrscheinlich erwarteten sie von mir, daß ich den Nazis die Kugeln mit dem Knüppel in den Kopf schlagen würde."), doch er leistete eben auf andere Weise seinen Beitrag: Er zeichnete eine Comic-Broschüre über Geschlechtskrankheiten, deren Hauptdarsteller "Willie Gettit" ("Wille kriegt's") hieß - und der vermutlich aufgrund ihrer humorvollen Aufmachung weitaus größere Beachtung geschenkt wurde als sämtlichen Broschüren herkömmlicher Machart zuvor. Auch ein Comic Strip namens "Rembrandt" kursierte mit großem Erfolg in verschiedenen Lager-Zeitungen.

Ab 1946 arbeitete Browne für die berühmte Werbeagentur Johnstone and Cushing. Hier konnte er seine enorme Produktivität und seinen Ideenreichtum unter Beweis stellen, er "erfand" unter anderem die "Chiquita Banane" und erarbeitete ein neues Image für die Campbell-Suppen, Comic Strips von ihm warben für Camel-Zigaretten oder Mounds-Riegel - um nur einige von zahllosen Aufträgen zu nennen, die er in seiner Zeit als Werbe-Illustrator übernahm.

Seine Karriere als hauptberuflicher Comic-Zeichner begann buchstäblich in letzter Minute. Mort Walker, der Erfinder von "Beetle Bailey" und Sylvan Byck, der Comic-Redakteur von King Features Syndicate, die seinerzeit auf der Suche nach einem Zeichner für Walkers neuen Comic waren, der über King Feature verbreitet werden sollte, fielen unabhängig voneinander verschiedene Werbeanzeigen von Dik Browne auf. Beide schrieben seinen Namen in letzter Minute auf ihre eigentlich schon vollständige Kandidatenliste. Damit war die Entscheidung für Dik Browne gefallen. "Hi and Lois", der neue Familiencomic, hatte 1954 Premiere. Nach kleineren Anfangsschwierigkeiten steigerten sich Beliebtheit und Verbreitung des Strips kontinuierlich, bis sie in mehr als 1000 Zeitungen vertreten waren. Hi und Lois sind ein typisches amerikanische Ehepaar - er ein gutmütiger Büroangestellter, sie eine leidenschaftliche Hausfrau - mit ihren vier Kindern. Die eigentliche Hauptfigur der Serie ist das Baby Trixie. Sie kann zwar noch nicht sprechen, ist jedoch in der Lage, sich differenzierte Gedanken über die verschiedensten Dinge zu machen, mit denen sie konfrontiert wird, unter anderem über Emanzipation oder die elterliche Autorität.

Ein Glücksfall für Zeichner und Autor war der Umstand, daß beide sich hervorragend verstanden und aus ihrer Zusammenarbeit eine über 30jährige, enge Freundschaft und Partnerschaft entstand. Für seine Arbeit an Hi and Lois erhielt Dik Browne etliche Auszeichnungen, so zum Beispiel 1963 den "Reuben" der National Cartoonists Society als bester Cartoonzeichner des Jahres.

Kurz nach dem Start von Hi and Lois zog die Familie, die vor nicht allzu langer Zeit von New York nach New Jersey gezogen war, in einen Vorort von Connecticut um. Die Brownes hatten mittlerweile drei Kinder: Robert David, 1948 geboren, Christopher Kelly, Jahrgang 1952, und Tsui Mang Wong, 1956 in Hongkong geboren, und 1961 als Sally-Ann von den Brownes adoptiert.

Hier entstand 1973 Hägar. Damals war Dik Browne schon 56 Jahre alt und machte sich Sorgen um die finanzielle Sicherheit, vor allem für seine Familie, die ihm stets das wichtigste war. Bisher hatte sein Einkommen zwar ausgereicht, doch für einen eventuell eintretenden Notfall war kein Polster vorhanden. So entschloß er sich, eine eigene Figur zu erfinden. Einige alte nordische Legenden, die ihm eine schwedische Tante als Kind erzählt hatte, waren der Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Daraus entstand ein Wikinger mit gehörntem Helm, wildem Bart, der unvermeidlichen Funny-Knollennase und einem zünftigen Bärenfell als Bekleidung. Nun fehlte nur noch der Name. "Hägar der Schreckliche" sollte er heißen, denn jahrelang war Dik Browne, wenn seine Kinder mittags laut lärmend aus der Schule heimkamen, in gespieltem Zorn aus seinem Zimmer gestürmt, wo er zu dieser Zeit ein Mittagsschläfchen zu halten pflegte - worauf sein Sohn Chris in ebenso gespieltem Entsetzen rief: "Schnell weg, hier kommt Hägar der Schreckliche!"

Auch bei der weiteren Ausgestaltung seiner Idee entlehnte er viele Details aus seinem eigenen Lebensumfeld. Hägar sollte, wie er selbst, einen Clan bekommen. Innerhalb einer Woche standen ihm zur Seite Helga, seine willensstarke Frau, Hamlet, der (zu Wikingerzeiten völlig unpassend) verträumte, strebsame und bildungshungrige Sohn, und die bildhübsche Tochter Honi, die wie ihr Vater zu kämpfen verstand.

Nach anfänglichem Zaudern ließ man sich bei King Features von der neuen Serie überzeugen und, siehe da, Hägar kam hervorragend an. Über 200 Verleger kauften den Strip schon vor dem Start. Am 4. Februar 1973 war es dann soweit: Der urige Wikinger mit dem goldenen Herzen unter der harten Schale hatte sein Debüt. Wenn er auch in den Geschichten mit seinen Eroberungsfeldzügen nicht immer der erfolgreichste war, in einem war er der unbestrittene Sieger: Hägar der Schreckliche wurde die am schnellsten verbreitete Figur in der Geschichte der Comics. Auch der von Dik Browne so sehr erhoffte finanzielle Segen stellte sich alsbald ein.

Dik Browne ermunterte seine Familie, sich an der Produktion der Strips zu beteiligen. Chris, der schon selbst Comics gezeichnet hatte, lieferte von Anfang an Beiträge und schrieb später einen Großteil der Texte. Bob half überall mit aus. Bei den Treffen, an denen die ganze Familie teilnahm und die mehrere Male in der Woche stattfanden, wurden die in der Zwischenzeit gesammelten Gags besprochen und zur weiteren Bearbeitung ausgewählt. Dik Browne meinte zu der Auswahl der Gags: "Wir möchten eine Woche im Leben der Familie Hägar wiedergeben, aber dazu gesellen sich noch andere Dinge, die Hägars Leben lebenswert machen: Segeln, Plündern, Essen, Ausgehen ..." Ein Erfolgsrezept: Bis heute erscheint Hägar weltweit in mehr als 1500 Tageszeitungen und Magazinen.

Wie schon für Hi and Lois bekam Dik Browne auch für Hägar zahlreiche Auszeichnungen, er war der erste Cartoon-Zeichner, der den "Reuben" für zwei verschiedene Strips bekam, für Hi and Lois und für Hägar, er erhielt unter anderem Preise wie den "Segar Award" oder den "Max-und-Moritz-Preis".

Hägars geistiger Vater starb im Jahr 1989. Doch der Wikinger lebt weiter. Seit dem Tod von Dik Browne führt sein Sohn Chris die Serie weiter.

Literatur:
"Neuestes von Hägar dem Schrecklichen", Goldmann Verlag
Auch die Zitate stammen aus diesem Buch

21. Dezember 2006