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MELDUNG/010: Chlodwig Poth - Stationen seines Lebens (Caricatura)


caricatura museum frankfurt - Museum für Komische Kunst
Presse-Information, März 2010

Chlodwig Poth


Geboren am 4. April 1930 in Wuppertal und aufgewachsen im Berlin der Nazi-Diktatur nahm Poth den Kampf um die Meinungs- und Kunstfreiheit gleich nach dem Ende seiner Kindheit auf: Mit vierzehn Jahren zeichnete er in den Luftschutzkellern der Hauptstadt satirische Bilderbögen gegen den Krieg, mit sechzehn begann er im Nachkriegs-Berlin politische Karikaturen zu veröffentlichen.

Der pazifistische Frühstarter gerät bald zwischen die Fronten des Ost-West-Konflikts. Ost-Berliner Zeitschriften publizieren ihn nicht mehr, weil er auch in West-Berliner Magazinen veröffentlicht, von der DDR-Kunstakademie in Berlin-Weißensee wird der bekennende Anti-Kapitalist wegen politischer Unzuverlässigkeit verwiesen und geht an die Hochschule der Künste im Westen der Stadt. Er zeichnet nun vorwiegend für das dortige Satireblatt Der Insulaner, vermehrt auch für eine Frankfurter Künstleragentur mit Namen Fortuna, die seine Karikaturen an westdeutsche Tageszeitungen vermittelt. Als der Kalte Krieg kälter wird und die Berliner Luft nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 dicker, atmet Poth für eine Weile in Paris frische Künstlerluft, bis ihn die Aussicht auf ein regelmäßiges Gehalt zu einer mäßig spannenden Aufgabe in die Bundesrepublik führt: nach Hanau bei Frankfurt, wo er die Werkszeitschrift des Reifenherstellers Dunlop redaktionell verantwortet.

Nach fünf Jahren im Dienst des Kapitals, nebenher fleißig Karikaturen und humoristische Bücher veröffentlichend, bietet sich Poth 1961 die Chance, seine satirischen Neigungen zur Hauptbeschäftigung zu machen: Hans A. Nikel, der Inhaber der Agentur Fortuna, gründet das Frankfurter Satiremagazin Pardon. An der Konzeption des Blatts, das im September 1962 erscheint, haben Poth und zwei weitere Zeichner der Agentur, Hans Traxler und Kurt Halbritter, wesentlichen Anteil. Poths Beiträge und Ideen prägen Pardon auf Jahre hinaus.

Mit der gesellschaftlichen Realität und der politischen Aktualität setzt sich Poth in Text und Bild auseinander. Er schreibt Satiren, oft unter Pseudonym, zeichnet Szenen und ganze Geschichten und erfindet neue komische Formen wie den gezeichneten Buchverriss, den sog. "Roman-Kompress", oder die "Wimmelbilder", vorwiegend Straßenszenen mit zahlreichen einzelnen Begebenheiten. Seine gezeichneten, mit Sprechblasen arbeitenden Kurzgeschichten aber, bei denen sich das erzählerische Talent mit dem künstlerischen vereinigt, werden bald zu seinem bevorzugten Ausdrucksmittel.

So inspiriert ihn die antiautoritäre Bewegung, von der Poth 1968 erfasst wird, nach ihrem Abebben 1971 zu der Pardon-Serie "Mein progressiver Alltag". Die Bildergeschichten, die das Scheitern der progressiven Ansprüche in der individuellen Lebenspraxis glossieren, kommen 1975 als Buch heraus und werden zum Bestseller. Mit dem 1978 erscheinenden Nachfolgeband "Unser täglich Frust gib uns heute" beendet Poth die populäre Serie. Das Thema hat für ihn an Reiz verloren, desgleichen die Mitarbeit in Pardon, das sich zunehmend satirefremden Inhalten öffnet.

Es ist Zeit für ein Satiremagazin, dessen Inhalt von den Satireproduzenten selbst bestimmt wird: Poth gründet gemeinsam mit ehemaligen Pardon-Zeichnern und -Autoren die Zeitschrift Titanic. Es folgen zehn Jahre hoher Produktivität, die sich neben der Arbeit für Titanic sowie Gewerkschafts- und Psychologenzeitschriften in einem halben Dutzend Romanen, Erzählungen und Karikaturen-Bänden niederschlägt.

Poth ist jetzt sechzig Jahre alt, als es zu einer Zäsur in Leben und Werk kommt. Er zieht aus der Stadt in den Frankfurter Vorort Sossenheim. Hier regen ihn die architektonischen und menschlichen Eigenheiten der Provinz zu einer neuen Zeichenserie an: "Last Exit Sossenheim". Mehr als fünfhundert der farbig schraffierten Cartoons wird er zwischen 1990 und 2004 zeichnen, sein Hauptwerk, wie er in seiner Autobiographie "Aus dem Leben eines Taugewas" schreibt. Es ist zumindest sein letztes Werk. Im Jahr 2003 wird ihm von der Stadt Frankfurt die Goethe-Plakette verliehen, im Sommer darauf findet Chlodwig Poth, vierundsiebzigjährig, auf dem Sossenheimer Friedhof seine letzte Heimstatt.


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Quelle:
Pressemitteilung, März 2010
Herausgeber:
caricatura museum frankfurt
Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17
60311 Frankfurt am Main
Tel: 069-212 73 376 / 069-212 48 978
www.caricatura-museum.de
caricatura.museum@stadt-frankfurt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2010