Szene WHatcher - Das Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für triviales Entertainment seit 1995, No. 257 vom 23. Juni 2007
Ein Junitag in Sulzbach
Müsste man auf der Fahrt nach Sulzbach-Rosenberg (Sulzbach) nicht auf dem greussligen Nürnberger Hauptbahnhof umsteigen - der Genuss wäre fast hundertprozentig. Also quält man sich auf der Hin- und Rückfahrt durch diesen mehr schlecht als recht, mit einfallsloser Architektur "aufgemotzten" Klotz und erträgt geduldig das bis zur Perfektion systematisierte Chaos. In Sulzbach wird man für den strapaziösen Zwischenstop allerdings durch eine herzliche Begrüssung sowie einem Schäufle mit Kloss und Sosse und einem erfrischenden, schmackhaften Zoigl-Bier in der Gaststätte Sperber reichlich entschädigt.
Im Nachhall des Fronleichnamsfestes fand in diesem Jahr am 9. Juni im fränkischen Sulzbach ein Treffen des Hansrudi Wäscher Fan-Clubs Bayern (HRWFCB) statt, zu dem Eckhardt Walter, Gründungsmitglied und Chef-Redakteur des allseits beliebten Club-Magazins, ausgewählte Club-Mitglieder geladen hatte. Die Zusammenkunft fand sicher nur zufällig nahe des zwei Tage zuvor zelebrierten Kirchenfestes statt, obwohl aus weltlicher Sicht gewisse strukturelle Ähnlichkeiten auszumachen waren.
Die Treffen des HRWFCB im fränkischen Sulzbach haben Tradition, weil hier Eckhardt Walter zu Hause ist und sich die Anreise für Mitglieder aus dem Norden und Westen in einem halbwegs normalen zeitlichen Rahmen bewegt. Der gepflegte Ort ist besonders für geplagte Grossstadtseelen reizvoll, sowohl landschaftlich als auch kulinarisch und historisch aber auch gesellschaftlich, wenn man Comic-Fan ist und sich für die Belange des HRWFCB interessiert.
Die Stimmung unter den Club-Mitgliedern war schon im Vorfeld des Treffens etwas gereizt. Unter anderem hatten besonders Unstimmigkeiten über die Zukunft des Clubs und Meinungsverschiedenheiten über die redaktionellen Schwerpunkte im Club-Magazin für den einen oder anderen Schlagabtausch gesorgt und Barrieren zwischen alten Freunden errichtet. Im fernen Berlin fragte man sich am Stammtisch und auf Treffen deshalb ratlos, wer ist jetzt noch Freund und wer nicht?
Die halboffizielle Versammlung nahm bereits am 8. Juni mit dem Eintreffen der ersten Teilnehmer ihren Lauf und fand ihren Höhepunkt am Nachmittag des darauf folgenden Tages. Die freundschaftliche Atmosphäre bei Kaffee und Kuchen, einigen Comic-Tausch- und Verkaufsaktionen sowie einem hervorragenden, opulenten Abendessen konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die unklaren Verhältnisse innerhalb der Club-Struktur für Spannungen und teilweise Unkonzentriertheit sorgten. Die Ungewissheit über die Zukunft des Clubs verunsichert viele Mitglieder und dämpfte heuer die ausgelassene Stimmung, wie man sie von früheren Treffen gewohnt war.
Nach 10-jährigem Bestehen des HRWFCB ist es unablässig, dass der Club sich mit Richtlinien ausstattet, die Handlungs- und Planungssicherheit sowie ein Zuständigkeits- bzw. Kompetenzgefüge garantieren. Die lockere Einstellung der frühen Jahre ist einer Vielzahl von Interessenkonflikten gewichen, die sich intern offenbar mit den herkömmlichen Methoden nicht mehr lösen lassen. Um so erfreulicher war der Vortrag des Schatzmeisters Gerhard Tepin, der eine Club-Satzung ankündigte und den Anwesenden die einzelnen Punkte erläuterte. Über die Satzung, die keine Vereinsgründung oder andere eintragungspflichtige Formierungen vorsieht, sollen die Mitglieder zeitnah abstimmen und anschliessend einen Vorstand wählen können. Obwohl diese Ankündigung nicht alle Gesichtsausdrücke vor Begeisterung sprühen liess, liegt in dieser Entwicklung - unabhängig davon, ob die Inhalte der künftigen Satzung eine ultimative Problemlösung einleiten und das Prozedere opportun ist - der einzig richtige Weg für den traditionslastigen HRWFCB.
Für den Abschluss des Treffens sorgte Gerhart Renner, der eine hervorragend verfasste, in die Zukunft gerichtete Rede vortrug, in der er nicht nur den Vorständen des Clubs augenzwinkernd die Leviten las und so manchen mit nachdenklicher Mine zurückliss.
Der HRWFCB hat durchaus das Potential auch in Zukunft innerhalb der Comic-Szene eine Rolle zu spielen besonders als Bindeglied zwischen dem Lehning-Universum und den klassischen US-amerikanischen Kult-Comics sowie den zeitgenössischen Publikationen, die auf antiquarischen Inhalten und Formaten aufbauen - wenn erst einmal Ruhe in den Club eingekehrt ist.
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Quelle:
Szene WHatcher - Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für
triviales Entertainment seit 1995, No. 257 vom 23. Juni 2007
Herausgeber: Joachim Heinkow
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2007