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MARVEL-BROKER/008: The Punisher 9


Garth Ennis, Cam Kennedy


The Punisher 9



Jonny Cash und der Punisher

Das Ende der regulären deutschen Punisher-Reihe wird nun mit dem letzten Heft der vierteiligen Saga "Die Straßen von Laredo" eingeleitet, deren Titel von einem amerikanischen Lied stammt, welches der legendäre Johnny Cash für seine letzte CD "The Man Comes Around" aufgenommen hat. Die unheilvolle Verquickung des leider mittlerweile verstorbenen Johnny Cash mit dem Comic-Rambo der Punisher - in Deutschland auch als der Bestrafer bekannt -, kann auch nur im Marvel-Comic verzapft werden, denn jeder, der auch nur ein wenig über den Countrysänger und seine Lieder weiß, kann beide nicht einmal im Entferntesten in Verbindung bringen. Während Cash zahlreiche Auftritte in den Gefängnissen von Sing Sing und San Quentin hatte und es für ihn zur selbstverständlichen Menschenwürde eines jeden Gefangenen gehörte, an solchen Konzerten überhaupt teilnehmen zu können, führt der Ex-FBI-Topagent Frank Castle als Punisher seinen Einmann-Krieg gegen das Verbrechen und zwar als Richter und Henker in einer Person, nachdem Gangster seine Familie umbrachten. Während Cash als Gegner der Todesstrafe auf seiner CD "Unearthed Volume Five. Best of Cash on American" im achten Lied "Mercy Seat" von Nick Cave sehr einfühlsam über einen Zu-Tode- Verurteilten im Todestrakt singt, läßt der Bestrafer keine Gnade walten und exekutiert seine Gegner, die allesamt stets entmenschlicht dargestellt werden, auch wenn sie sich ergeben oder ihm gegenüber wehrlos sind. Als Verfechter der Selbstjustiz fordert er nicht nur die Todesstrafe, sondern führt sie auch selbst aus und bewegt sich damit in den besten Kreisen derjenigen Amerikaner, für die die bestehenden Strafgesetze nicht weit genug reichen und die Urteile nicht konsequent umgesetzt werden.

Der irische Autor Garth Ennis siedelt seine Geschichte in Branding an, einem kleinen, unbedeutenden texanischen Nest, in das die Spur von illegalen Waffenhändlern führt, welche Frank Castle verfolgt. Die Verbrecher sind dort relativ sicher, tut der dort ansässige Sheriff doch im allgemeinen alles, um Ärger zu vermeiden, zumal er auch seit einer Weile eine Beziehung mit Clark, dem Sohn der hartgesottenen Bandenfüherin Rachel, hat. Sie hält auch deshalb ihre Männer in Zaum, damit sie keinen Streit mit dem Sheriff suchen. Die Liebesbeziehung beider Männer mißfällt nicht nur einigen Mitgliedern der Bande, die sich deshalb sogar gegen ihre Chefin stellen und von ihr blutig zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch dem örtlichen Prediger Henry McCarthy - wohl in Anlehnung an die McCarthy Ära -, der dem Punisher seine Unterstützung gegen das "gottlose Pack" anbietet, jedoch zurückgewiesen wird. Unterdessen gibt sich der Castle die größte Mühe, um durch ständige Provokation der Gangster auf sich aufmerksam zu machen. Nachdem Clark von einem Unbekannten absichtlich mehrfach mit dem Auto überfahren wurde, verspricht Rachel, die Stadt bis auf die Grundmauern niederzubrennen. Doch der Sheriff will sich und der Welt beweisen, daß auch ein schwuler Sheriff seinen Mann steht und sich nicht einfach feige vor Problemen drückt, und stellt sich der Bande entgegen. Vorher bittet er Castle um Hilfe, doch dieser will seinen Job ohne den Ordnungshüter in seiner altbewährten Manier erledigen und kündigt auch offen an, daß er Methoden anwendet, die dem Gesetzeshüter untersagt sind. Der Showdown beginnt.

Der Punisher liegt ganz in der amerikanischen Tradition der schweigsamen Einzelkämpfer, die wir aus zahlreichen Filmen kennen, angefangen von den klassischen Western mit "The Lonesome Cowboy" John Wayne, über die Italo-Western mit Charles Bronson und Clint Eastwood bis zu den modernen Cowboys aller Rambo. Als der Bestrafer erstmals 1974 als Held ohne Superkräfte auf der Bildfläche der Marvel-Comics erschien, etwas, das es dort noch nie gegeben hatte, hatten auf der Leinwand gerade wortkarge Bullen Konjunktur, die das Gesetz gern mal in die eigene Hand nahmen, wenn herkömmlich geführte Ermittlungen nicht vorankamen. Bekannte Figuren jener Zeit waren Popeye Doyle (Gene Hackman in "Brennpunkt Brooklyn") und Harry Callahan (Clint Eastwood in "Dirty Harry"). Mit seinem Grundmotiv steht "The Punisher" in Linie jener Cop-Thriller aus den 70er Jahren, deren Hauptdarsteller moralisch sehr umstritten waren.

Als ehemaliger Captain im Vietmankrieg, ausgezeichnet für seine Tapferkeit und als Ex-Top-Agent beim FBI, ist der Punisher auch nicht völlig verweichtlicht, sondern gut durchtrainiert, und seine Stärke reicht allemal zum Tragen schwerer Waffen. Er ist nicht ganz der Supersoldat wie Captain America, doch daß er ihm kaum nachsteht, beweist er gleich bei seinem ersten Auftritt, denn da trifft er auf Spider-Man, den er zunächst für einen Kriminellen hält und ihm einen harten Kampf liefert. Zu der Zeit, als er noch als Auftragskiller im Kampf gegen das Böse stritt, wird seine tragische Vergangenheit in einzelnen Erinnerungsbildern eingeblendet und immer wieder durch seine einzelnen Abenteuer getragen: Die Ermordung seiner Frau und seiner Kinder, weil sie zufällig Zeugen einer Hinrichtung im Gangstermilieu waren. Seitdem widmet er sein Leben im Kampf gegen diejenigen, die gegen die Gesetze verstoßen. In den frühen Heften waren es sogar alle Personen, die sich in irgendeiner Weise strafbar machten, auch wenn es sich dabei um so banale Delikte wie das Uberqueren einer roten Ampel als Fußgänger handelte. Im letzten Moment besann er sich dann doch anders und erschoß den armen, ahnungslosen Fußgänger nicht. Am Anfang seiner Karriere in den Marvel-Comics tauchte der Punisher nur als Nebenfigur auf. Doch mit dem Anstieg der amerikanischen Kriminalitätsraten in den 80er Jahren wuchs auch seine Popularität, so daß er im Januar 1986 sein erstes eigenes Heft bekommt. Es ist die Zeit des alten Charles-Bronson-Klassikers "Ein Mann sieht rot" - ein moralisch nicht ganz unbedenklicher Rache-Epos, in dem die Selbstjustiz- Verfechter zum Höhenflug ansetzen.

Euer Marvel-Broker


The Punisher 9
Autor: Garth Ennis, Zeichner: Cam Kennedy
Panini, Stuttgart, Mai 2004
52 Seiten, farbig, Softcover-Album, Kleinformat, 4,25 Euro